KTM: Im Werk gingen die Lichter aus

Spurensuche: «Targa Florio», Teil 2

Von Guido Quirmbach
«Targa Florio» Einfach diesen Schildern folgen...

«Targa Florio» Einfach diesen Schildern folgen...

Zweiter Teil der Reise in die gute, alte Zeit. Eine Runde auf dem 72km langen Madonie-Kurs

Was ist heute noch von der «Targa Florio» übrig? In Céfalu gibt es unweit der Kathedrale ein Restaurant, in dem viele tolle Fotos, Trophäen und Ausrüstung von Nino Vaccarella zu sehen gibt. Aber natürlich will man an den wirklichen Ort des Geschehens. Ich mache mich auf mit meiner Frau, die es vor Begeisterung kaum auf dem Sitz hält. Denn warum sollte man auch in einem der vielen gemütlichen Cafés in Sizilien einen Cappuccino trinken oder gar faul am Strand liegen, wenn man sich auf den Spuren von Rennsport-Historie bewegen kann?

Wir fahren los in Céfalu, in Richtung Palermo. Man nimmt die alte Küstenstrasse und in Campofelice di Roccella, einer der Eckpfeiler des Kurses, ist man dann plötzlich auf der alten Rennstrecke. Sprich, man fährt auf der Strasse, keinerlei Hinweis darauf, dass hier einst das nach Le Mans vielleicht bedeutendste Sportwagen-Rennen der Epoche stattgefunden hat. Es geht über eine mehrere Kilometer lange Gerade, an der man rechts das Mittelmehr sieht und links in die Madonie-Berge schaut. Auf der Geraden waren die Fahrzeuge immer viel zu kurz übersetzt. Es war nicht anderes möglich, denn den fünften Gang brauchte man sonst sowieso fast nie. Nach rund vier Kilometern dann auf der linken Seite dann eine Pizzeria mit offener Steinterasse. Die Wand ist eine reine Foto-Tapete von glorreichen Zeiten. Wenigstens ein erster Hinweis. Man fährt weiter in Richtung Cerda und verlässt die Küstenstrasse.

Dann taucht ein erstes, kaum leserliches Strassenschlild auf: «Targa Florio». Wir folgen dem Richtungspfeil und stehen plötzlich an den einzigen Bauwerken, die je zu dieser Rennstrecke gehörten. Eine Tribüne, ein Start und Ziel-Haus sowie eine Boxenanlage. Es wirkt teilweise verfallen, doch wie wir erfahren haben, sind die Pläne, alles abzureissen, verworfen worden, man möchte sanieren und ein Museum mit Restaurant an dieser Stelle eröffnen.

Weiter geht es auf normalen Landstrassen, kurvigen Landstrassen in Richtung Cerda. Dort ist eine mehr als ein Kilometer lange Gerade mitten durch den Ort. Ich versuche mir vorzustellen, wie man hier in einem Porsche 908 oder Ferrari 512 volles Rohr durchfährt. Doch soweit geht meine Fantasie nicht, ich kann es mir einfach nicht vorstellen. Hinter Cerda werden die Strassen immer enger, kaum eine Gerade ist länger als 200m, es geht bergauf und bergab. Wie viele blinde Kuppen es gibt, war nicht zu zählen. Selbst der kleine Mietwagen, ein Lancia-Musa federt immer wieder aus und kommt ins wackeln. Ein Blick auf den Tacho verrät: Wir fahren gerade einmal 50km/h. An diesen Stellen fuhren beim Überrunden die schnelleren oft 3-4 Kilometer hinter einem Fahrzeug her. Die Geraden waren zu kurz oder zu schmal, um am langsameren Vordermann vorbeizufahren.

An einer der zahllosen kleinen Siedlungen erschrecke ich, ein Markierungsstein ragt plötzlich fast einen Meter weiter in die Strasse rein als bislang üblich. Gerade noch kann ich ausweichen. Durch den Kopf gehen mir Ausfallmeldungen, die ich in alten Büchern gelesen habe «… er fuhr sich an einem Markierungsstein ein Rad ab…»

Kurz vor Caltavuturo sehen wir wieder eines der vergilbten Schilder, sie führt uns an die tiefste Stelle des Kurses, seitdem wir die Küstenstrasse verlassen haben. Nachdem wir die neue Autobahn von Palermo nach Catania gekreuzt haben, geht es in endlosen Serpentien wieder in die Höhe. Insgesamt überwinden wir fast 1000 Höhenmeter auf dem Kurs mit seinen rund 1.400 Kurven.
 
Wieder eine unübersichtliche Kurvenkombination, plötzlich winkt uns ein Mann eifrig zu und bedeutet uns, langsam zu machen. Es hat gekracht, wie an so vielen Stellen war auch hier kein Platz für zwei Autos und dann wenn keiner nach gibt, dann rumst es eben. Aber ausser den Autos und der Ehre einiger wild gestikulierender Sizilianer ist niemand zu Schaden gekommen. Wir fahren langsam übers Gras an der Unfallstelle vorbei und setzen die Runde fort, der nächste grössere Ort steht an.
 
War Cerda noch eine High-Speed-Ortdurchfahrt, ist Collesano ein verwinkeltes Nest mit engen Gassen. Meist ist man gezwungen, Schritttempo zu fahren, nicht nur wegen dem Verkehr, sondern weil es einfach so eng ist. Doch hier dann ein Hinweisschild: «Targa Florio-Museum». Wir halten kurz an, doch leider ist es an diesem Tag geschlossen.

Nun der Schlussspurt wieder herunter nach Campofelice wieder an die Küste, es geht über rund 15 km auf relativ breiten Strassen mit flüssigen Kurven, fast sowas wie eine Rennstrecke. Im Mietwagen ist erstmals sogar gefahrloses Überholen von LKW möglich. In Campofelice dann der Frevel: Die Ortsdurchfahrt der Original-Strecke ist mittlerweile eine Einbahnstrasse in entgegengesetzte Richtung. Von den 72 km müssen wir tatsächlich rund 1000m eine Ausweichroute befahren, doch ansonsten ist der Madonie-Kurs der «Targa Florio» noch komplett befahrbar.

Unsere Runde war beendet. Wir bummeln zurück in Richtung Céfalu. Hier hat es irgendwo mal auf der Rückfahrt von den Tests zur Garage einen Unfall zwischen einem Porsche 917 und einem LKW gegeben. 917 011 war ein Fall für den Schrott. Das Werk setzte den 917 nur bei den Tests ein, dessen weit mehr als 500PS waren viel zu viel für die Bergstrecke. Extra für dieses Rennen und die 1000km am Nürburgring entwickelte Porsche den kleinen, leichten und wendigen 908/3.

Irgendwie ist es für mich unfassbar. Gerade mal etwas mehr als 30 Jahre ist es her, als auf diesem schmalen Asphaltband ein WM-Lauf stattfand. Ich weiss nicht so recht, ob ich die Teilnehmer der damaligen Rennen für verrückt erklären oder als Helden verehren soll. Fakt ist aber eins: Gegenüber der «Targa Florio» wirkt die Nordschleife als ein Neubau-Projekt von Hermann Tilke.Wir müssen dankbar sein, dass dort wenigstens noch Rennen stattfinden!

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