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Ken Roczen: Wirbel um Dopingkontrolle in Australien

Von Günther Wiesinger
Melbourne: Weltmeister Ken Roczen, Finalsieger Joey Savatgy und Justin Brayton (Platz 3)

Melbourne: Weltmeister Ken Roczen, Finalsieger Joey Savatgy und Justin Brayton (Platz 3)

Der neue Supercross-Weltmeister Ken Roczen (28) hat beim SX-WM Finale in Melbourne am 25. 10. erst verspätet in eine Dopingkontrolle eingewilligt. Sein wütender Manager verwickelt sich in seltsame Widersprüche.

Der 28-jährige Ken Roczen hat mit Platz 2 beim «FIM World Supercross Final» in Melbourne den SX-Weltmeistertitel 2022 erobert. Doch inzwischen hat dieser Erfolg einen üblen Beigeschmack erhalten. Denn «Whiskey Throttle Media» hat jetzt aufgedeckt, dass der Thüringer bei den «WSX Series» am 25. Oktober in Australien zuerst einen Dopingtest verweigert und ihn erst mit Verspätung nachgeholt hat.

Inzwischen hat nach unterschiedlichen Veröffentlichungen auch Kens Manager Steve Astephen, der in Australien vor Ort war, Stellung genommen. Er räumte ein, dass der neue FIM World Supercross Champion, der in Melbourne für das private Honda Genuine Honda Racing Team antrat, den Doping-Test tatsächlich absolviert hat. Deshalb sei er immer noch Supercross-Weltmeister und in dieser Funktion auch zu den «FIM Awards» in Rimini/Italien am 3. Dezember eingeladen worden.

Doch Astephen gab in einem verwirrenden Statement auch zu, dass er nicht happy über den Dopingtest sei und er nicht gewusst habe, dass er Bestandteil der WSX-Rennen (es gab nur zwei Events in Cardiff und Melbourne) sein werde.

Astephen bedauerte, dass solche Tests in der Nebensaison («off season») verlangt würden, und als solche bezeichnet er die SX-WM, da Ken Roczens Hauptsaison aus der AMA Supercross-Meisterschaft und der AMA Outdoor Motocross Championship bestanden habe.

Wütender Manager mit lautstarken Beschimpfungen

Steve Astephen gebärdete sich wütend, denn einige Fahrer meinten nach dem Australien-GP, Ken Roczen habe den Test verweigert. Sie waren nämlich Ohrenzeugen geworden, als der Roczen-Manager die Funktionäre der FIM und der WADA (World Anti Doping Agency) lautstark beschimpfte.

Astephen vertritt die Ansicht, die FIM und die WADA hätten in Melbourne einen sogenannten «out of competition test» vorgenommen. Da Ken bei der SX-WM Startgeld bekam, stellt er die SX-Weltmeisterschaft als «exhibition» dar, quasi als Schaukampf, wie wir sie aus dem Tennissport kennen, wenn keine Weltranglistenpunkte vergeben werden und nur das Startgeld die Athleten anlockt.

Bei dieser Ansicht von Astephen fällt es schwer, den Begriff «einfältig» zu vermeiden.

Denn die Supercross-WM war der größte Erfolg von Ken Roczen in dessen mittelmäßigen Saison 2022. Er schrieb sich dann gegen den Willen seines Arbeitgebers HRC in die neue und mickrig besetzte SX-WM ein, um noch irgendeinen Titel an Land zu ziehen.

Wer eine internationale, globale Rennserie wie die SX-WM als «exhibition» betrachtet, macht sich blitzartig lächerlich und qualifiziert sich im Handumdrehen als Dilettant oder begabter Stegreif-Komödiant.

«Wir haben den Test verweigert, weil alle Athleten weniger besorgt sind, wenn sie sich ‘out of competition’ befinden», stellte Astephen jetzt wörtlich fest. «Außerdem wollten wir sicherstellen, dass das Protokoll befolgt und die Motorrad-Industrie erwachsen wird.»

Gleichzeitig wurde auf Instagram festgestellt: «@kenroczen94 was never refusing.»

Aber Astephen wollte offenbar seinen Schützling überreden, den Test zu verweigern. «Ich sagte der FIM: 'Wenn ihr jemand daran die Schuld geben wollt, gebt sie mir.' Denn es ist ein Witz, wie alle Meisterschaften in diesem Sport ihre Protokolle und Vorschriften gestalten. Nach 25 Jahren weiß ich immer noch nicht, was alles getestet wird, was nicht und welchen Sinn diese Vorschriften haben.»

Der Roczen-Manager betrachtet also eine Supercross-WM-Serie nicht als Wettkampf.

Angewandt auf den Radsport würde das bedeuten: Jenen Tour de France-Helden, die im Herbst und Winter Sechstage-Rennen bestreiten oder an Radquer-Rennen teilnehmen, ist bei diesen Wettkämpfen die Missachtung sämtlicher Doping-Vorschriften erlaubt.

Dass die FIM als Weltverband diesen SX-Skandal mehr als fünf Wochen vertuscht hat, ist nicht verwunderlich.

Denn die FIM hat sich schon bei ähnlichen anderen Doping-Geschichten von Anthony West bis zu Andrea Iannone nicht mit Ruhm bekleckert und eine traurige Figur abgegeben.

Fakt ist: Die nationalen AMA-Meisterschaften werden nicht von der WADA kontrolliert, die FIM-Wettkämpfe hingegen schon.

Steve Astephen beschwerte sich, weil die WSX-Veranstalter diese Tatsache ihm gegenüber nie erwähnt hatten.

Aber jeder Erwachsene Mensch weiß: Unwissenheit schützt vor Strafe nicht.

Und wer sich an einer Meisterschaft beteiligt, sollte gefälligst die Grundbegriffe des Reglements verinnerlicht haben.

Ken Roczen ist lange genug in FIM-Weltmeisterschaften mitgefahren, um Bescheid zu wissen.

Wenn ein SX-Superstar wie Ken Roczen oder zumindest sein Manager in der vermeintlichen «off season» keine Freude mit einem Dopingtest hat, könnte der Verdacht aufkommen, der Deutsche habe verbotene Substanzen eingenommen, die seine Regeneration beschleunigen.

Die FIM und ihr so gern in der Öffentlichkeit stehender Präsident Jorge Viegas haben sich durch diesen am Ende missglückten Vertuschungsskandal und ihr langes Schweigen ein Problem eingebrockt, das die morgigen «FIM Awards» wohl überstrahlen wird.

Ergebnis WSX Melbourne, 25. Oktober 2022:

1. Joey Savatgy (USA), Kawasaki, 2-1-1
2. Ken Roczen (D), Honda, 1-15-2
3. Justin Brayton (USA), Honda, 3-2-8
4. Vince Friese (USA), Honda, 4-3-5
5. Cade Clason (USA), Yamaha, 12-4-6
6. Jordi Tixier (F), Honda, 7-6-9
7. Josh Hill (USA), Yamaha, 6-17-3

Endstand WSX 2022:

1. Ken Roczen (D), Honda, 116
2. Joey Savatgy (USA), Kawasaki, 112, (-4)
3. Vince Friese (USA), Honda, 112, (-4)
4. Justin Brayton (USA), Honda, 108, (-8)
5. Josh Hill (USA), Yamaha, 83, (-33)
6. Eli Tomac (USA), Yamaha, 76, (-40)
7. Cedric Soubeyras (F), Kawasaki, 72, (-44)
8. Jordi Tixier (F), Honda, 68, (-48)

 

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