Ein Hoffnungsschimmer bei der KTM AG

Seitenwagen-TT: Knappe Entscheidung zu erwarten

Von Helmut Ohner
Kann Ben Birchall nach dem Rücktritt seines Bruders und Beifahrers seine Dominanz fortsetzen oder können Pete Founds, Ryan Crowe, Tim Reeves oder vielleicht sogar Altmeister Dave Molyneux die Gunst der Stunden nützen?

In den vergangenen Jahren stellte sich nicht die Frage, ob Ben und Tom Birchall die Seitenwagen-Rennen auf der Isle of Man für sich entscheiden, sondern wie groß ihr Vorsprung auf den Rest des Feldes sein wird. Seit 2013 hatte die britischen Brüder nicht nur jedes Mal gewonnen, wenn sie ins Ziel kamen, sie verschoben auch die Grenzen. So waren sie das erste Duo, das eine Runde auf dem Snaefell Mountain Course unter der vor Kurzem noch für unmöglich gehaltenen 19-Minuten-Schallmauer absolvierten und im Vorjahr erzielten sie einen Schnitt von mehr als 120 Meilen pro Stunde.

Ab diesem Jahr muss Ben Birchall auf die Dienste seines jüngeren Bruders, der in seinen Augen einen wesentlichen größeren Anteil an der Erfolgsgeschichte hat als er selbst, verzichten, weil er sich am Ende des vergangenen Jahres zum Rückzug entschlossen hatte. An seine Stelle wird Kevin Rousseau den Platz im Boot des Seitenwagens einnehmen. Mit dem Briten Harry Payne hat der Franzose heuer bereits drei WM-Läufe gewonnen, aber für diesen Auftritt hat er die Freigabe des Steinhausen Racing Teams bekommen, um die Chance zu haben, sich den Traum eines TT-Sieges zu erfüllen.

Im Vorjahr mussten Birchall/Birchall allerdings weitaus härter als erwartet kämpfen, um auch das zweite Rennen zu gewinnen. Mit ihrem britischen Landsleuten Pete Founds/Jevan Walmsley war ihnen ein Gegner erwachsen, der sich ihrem «Windschatten» zu einem starken Herausforderer entwickelt hatte. Im spannenden Kampf um den Sieg markierten sie als zweites Seitenwagen-Paar ebenfalls eine Zeit unter 19 Minuten. Nach drei Runden auf dem berühmt berüchtigten Kurs oder 182,175 Rennkilometern hatten Founds/Walmsley einen Rückstand von nicht einmal zehn Sekunden.

Obwohl Ryan und Callum Crowe mit nur fünf TT-Rennen eines der unerfahrensten Teams im Feld sind, gehören sie zum engsten Kreis der Sieganwärter. Das junge Brüderpaar von der Isle of Man repräsentiert die nächste Generation der Seitenwagen-Stars. Mit bereits drei Podiumsplatzierungen könnte sich dieses Jahr ihr rasanter Aufstieg fortsetzen, und es ist durchaus möglich, dass die Lokalmatadore in die Fußstapfen ihres berühmten Vaters Nick – er gewann bei der Tourist Trophy zwischen 2005 und 2009 fünf Rennen – treten und auf die oberste Stufe des Sidecar-Podests steigen.

Ein weiterer Anwärter auf den Ruhm und Ehre ist der sechsfache Weltmeister und zweifache Weltcup-Gesamtsieger Tim Reeves, der mit Mark Wilkes den Mann an seiner Seite hat, mit dem er sich 2019 den WM-Titel holen konnte. Elf Jahre nach seinem ersten und bisher einzigen TT-Sieg möchte der erfahrene Brite, der seit Jahren in den Niederlanden sein Domizil aufgeschlagen hat, endlich zum zweiten Mal triumphieren. Der Ausnahmekönner hat sich heuer gegen die Teilnahme an der Weltmeisterschaft entschieden, um sein Hauptaugenmerk auf die Tourist Trophy zu legen.

Fast 40 Jahre nach seinem TT-Debüt im Jahr 1985 geht Dave Molyneux mit neuem Elan an den Start. Der eigenwillige Manxman hat den KTM-Zweizylindermotor aus seinem Gespann ausgebaut und zur Seite gelegt. Seine Wahl ist auf einen 600ccm-Vierzylinder-Motor von Kawasaki gefallen. Der mit 17 Siegen erfolgreichste Seitenwagen-Fahrer aller Zeiten – er liegt damit an der vierten Stelle der ewigen Bestenliste – ist fest entschlossen, zum ersten Mal seit 2017 wieder auf das Podium zu fahren. Dieses Jahr hat er mit Jake Roberts einen weiteren Manxman als seinen Beifahrer angeheuert.

Auch wenn sie nicht zu den Podiumsanwärtern zählen, werden Todd Ellis und Emmanuelle Clément im Fokus der Aufmerksamkeit stehen. Das britisch-französische Paar hat die beiden letzten Jahre die Weltmeisterschaft dominiert und möchte nun auch bei der spektakulärsten Rennveranstaltung, die der Seitenwagensport zu bieten hat, ihre Fähigkeiten unter Beweis stellen. Bei ihrer Qualität und den wertvollen Tipps von Todds Stiefvater Gary Bryan, der selbst auf eine lange Karriere bei der Tourist Trophy zurückblicken kann, ist ihnen durchaus eine Top-6-Platzierung zuzutrauen.

Die beiden Seitenwagen-Rennen über drei Runden finden am Samstag, dem 1. Juni, sowie am Mittwoch, dem 5. Juni, statt.

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