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Großbritannien 1998: Sainz-Drama bringt Mäkinen Titel

Von Toni Hoffmann
Die 54. Network Q Rally, das Finale der Rallye-Weltmeisterschaft 1998 im britischen Celtenham, hat eines der dramatischsten Kapitel in der WM-Chronik geschrieben.

Der Autor hatte an diesem Dienstag, 24. November 1998, alles für den Telefax-Versand an die Deutsche Presse Agentur fertig, es fehlten nur die Zahlen wie das Endergebnis und die WM-Endstände. Im Kurzbericht und im Schlusstext mussten nur noch die Zeiten und die Meisterschaftsstände ergänzt werden. Dann passierte aber auf der letzten Prüfung etwas, was alles, was der Autor bisher geschrieben hatte, zunichte machte. Alles musste neu respektive umgeschrieben werden, DPA war per Telefon schon informiert worden. Auch der Bericht für eine große deutsche Motorsport-Zeitschrift musste komplett geändert werden.

Doch was war passiert?

Dramatischer hätte die Rallye-WM nicht enden können. Die Hoffnungen von Carlos Sainz im Toyota Corolla WRC auf seinen nahen dritten WM-Titel verrauchten auf den letzten Kilometern, sodass der bereits ausgefallene Mitsubishi-Pilot Tommi Mäkinen ohne eigene Kraft seine dritte Weltmeisterschaft gewann.

Für das höchst dramatische WM-Finale in Großbritannien wollen wir nicht einmal den in solchen Situationen oft zitierten Krimiregisseur Alfred Hitchcock aus seiner Ruhestätte bemühen. Er hätte sich, wäre er dabei gewesen, ohnehin vor Neid in die Erde verkrochen, weil er dieses Ende nicht besser hätte inszenieren können. Die letzten 300 Prüfungskilometer der 54. Rallye Großbritannien, vormals RAC, hatten ein gewaltiges Kapitel und ein wohl einmaliges dazu geschrieben.

Carlos Sainz lag vor der letzten Prüfung, es die 28. Entscheidung, auf dem vierten Platz, genau auf dem Rang, der ihm die erforderlichen WM-Punkte zum dritten Titelgewinn nach 1990 und 1992 bringen sollte. Er hätte in diesem Fall genau einen Zähler mehr als Tommi Mäkinen, der mit einem Vorsprung von zwei Punkten auf Sainz als WM-Spitzenreiter zum Saisonausklang gekommen war und am Sonntag früh mit seinem havarierten Mitsubishi Lancer von einem Polizisten zur Aufgabe gezwungen worden war.

Die letzten 27 Kilometer lagen vor Sainz. Der Spanier – und nicht nur er – sah sich schon in Gedanken als den neuen Weltmeister. 26 Kilometer hatte er schon hinter sich, dann wurde der Albtraum eines jeden Sportlers, kurz vor dem Ziel auszufallen, für Sainz grausame Wirklichkeit.

Traum löst sich in Rauch auf

Der Motor seines Toyota Corolla WRC fing zu stottern an. Dann explodierte er. Sainz ließ den Wagen ausrollen, stieg aus und öffnete die Motorhaube. Flammen schlugen ihm entgegen, von einem Feuer, das durch auslaufendes Öl auf den heißen Motor entfacht worden war. Sein Beifahrer Luis Moya warf seinen Helm in die Heckscheibe und trat gegen die Beifahrertür, um seinen Frust abzuladen. Sainz stand einsam in der Wildnis von Magram, verstand die Welt nicht mehr und hatte Tränen in den Augen.

Seine Hoffnungen auf den dritten WM-Titel hatten sich knapp vor dem Ziel, rund 300 Meter fehlten, im wahrsten Sinne des Wortes in Rauch aufgelöst. Es war das dramatischste Ende, das die Fahrer-WM damals in den 19 Jahren seit ihrem Beginn erlebt hatte.

«Ich kann gar nicht sagen, wie enttäuscht ich bin. Mir fehlen einfach die Worte. Das war das Schlimmste, was passieren konnte. Ich kann es nicht fassen. Vielleicht werde ich das alles erst in ein paar Tagen begreifen», stammelte Sainz.

So wurde der Albtraum von Sainz zum Märchen von Tommi Mäkinen, der nach seinem Ausfall schon sämtliche Hoffnung auf die dritte WM-Krone zu diesem Zeitpunkt aufgegeben hatte. Er wartete in seinem Hotelzimmer, seine Koffer waren schon gepackt, auf das Taxi, das ihn zum Flughafen bringen sollte. Stattdessen aber brachte ihn, den neuen Weltmeister, ein Fahrzeug des Veranstalters zur Schluss-Pressekonferenz.

Sein Teamkollege Richard Burns gewann sein Heimspiel 3:46,5 Minuten vor Juha Kankkunen und 5:27.5 Minuten vor Bruno Thiry, beide im Ford Escort WRC.

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