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Technik-Serie: Sechs ist gefährlich

Von Mathias Brunner
Die grösste Stunde des Tyrrell P34: Jody Scheckter gewinnt den Schweden-GP 1976

Die grösste Stunde des Tyrrell P34: Jody Scheckter gewinnt den Schweden-GP 1976

Es schien mir eine gute Idee zu sein: Wieso zwei Räder mehr nicht unbedingt ein Vorteil sein müssen.

Gut gemeint ist leider oft das Gegenteil von gut: Die Formel 1 gilt als Schmelztigel der hellen Köpfe, aber nicht jede Entwicklung ist bahnbrechend. Viele erwecken eher den Eindruck: Der Begriff Schnapsidee beschreibt sehr schön, wie die Inspiration zustande gekommen ist …
Das Leben ist nicht immer fair: Einige Einfälle waren ihrer Zeit voraus, andere kamen hingegen etwas zu spät, wieder andere scheiterten an Umständen, die von den Technikern nicht vorhergesagt werden konnten.
In einer kleinen Serie ohne Anspruch auf Vollständigkeit möchten wir Ihnen zwölf solcher Genie- oder anderer Streiche präsentieren. Wir sind uns dessen bewusst, dass wir dabei möglicherweise einen Kniff kritisieren, den ein anderer Formel-1-Anhänger wunderbar findet. Wenn wir also etwas provozieren, dann immer auch mit Augenzwinkern und ohne bösen Willen.
Aus der Serie «Es schien mir eine gute Idee zu sein», präsentieren wir Ihnen heute:

Sechs Räder

Gasoline Alley hatte ja schon einiges gesehen, aber da klappte auch den hartgesottensten Indianapolis-Haudegen die Kinnlade herunter: Der «Pat Clancy Special» hatte 1948 tatsächlich sechs Räder, um Himmels willen!
Bill deVore qualifizierte den Wagen mit den zwei Hinterachsen auf Startplatz 20 und kam als Zwölfter ins Ziel, in Milwaukee 1949 beendete er ein Rennen sogar als Vierter. Bis heute ist der Clancy Special das einzige Sechsrad-Fahrzeug, welches beim Indy 500 am Start war.
Die Inspiration dazu kam möglicherweise aus dem europäischen Sport – von jenen Silberpfeilen der Auto-Union und von Mercedes-Benz, die bei Bergrennen mit Zwillingsrädern an den Start rollten. Eine Idee, die in den 70er Jahren von Ferrari aufgegriffen wurde, über Tests mit Niki Lauda und Carlos Reutemann kam man in Maranello aber nicht hinaus: Die Aufhängung war von den vier Rädern überfordert.
Vielleicht war der Gedanken-Anstoss für den Clancy aber auch der Weltrekordwagen von Mercedes-Benz gewesen, jener mächtige T80, dessen Einsatz vom Zweiten Weltkrieg verhindert wurde.
Ungefähr die gleiche Reaktion wie in Gasoline Alley gab es rund dreissig Jahre später in der Formel 1, als Tyrrell für die Saison 1976 den P34 (für Projekt 34) präsentierte – ein Formel-1-Renner mit vier kleinen Vorderrädern! Die Idee dahinter: eine kleinere Stirnfläche verspricht eine vorteilhaftere Aerodynamik.
Jody Scheckter und Patrick Depailler standen dem Sechsrad-Fahrzeug völlig unterschiedlich gegenüber. Der Südafrikaner fand ihn lächerlich, der Franzose liebte ihn. Der Doppelsieg in Anderstorp (Schweden) war der Höhepunkt eines Autos, dessen Konzept zum eigenen Niedergang werden sollte – Goodyear war in ein Reifenduell mit Michelin verwickelt, es standen zu wenig Kapazitäten zur Verfügung, die kleinen Vorderreifen für Tyrrell auf dem Stand der mächtigen Hinterreifen zu halten. Die zu harten Mischungen vorne führten zu Untersteuern, das zusätzliche Gewicht an der Vorderachse (vier Aufhängungen, vier Brems-Anlagen) half dabei wenig.
Das Nachfolgemodell war nicht nur optisch eine Enttäuschung. Da Lotus inzwischen das Flügelauto-Prinzip verfeinert hatte und mit dem Abgang von Tyrrell-Designer Derek Gardner wurde dieser Weg nicht weiter begangen, der 1978er Tyrrell war wieder ein konventionelles Auto.
Williams setzte die Idee konsequenter um: nicht mit vier Rädern vorne, sondern (Grüsse nach Amerika!) mit vier Rädern hinten. Der Wagen brach mit Keke Rosberg in Le Castellet den Rundenrekord, doch am Ende entschlossen sich die Briten gegen das Wagnis Sechs – die unteren Querlenker der Hinterradaufhängung standen dem Konzept des «wing car» im Weg. Und ohne Flügelauto ging inzwischen in der Formel 1 gar nichts mehr.
Einen ähnlichen Weg ging March: ebenfalls mit zwei Rädern hinten, und das sogar noch vor Williams. Das Modell 2-4-0 war das Werk von March-Mechaniker Wayne Eckersley, im Grunde handelte es sich um eine Hinterachse, die sich an die March-Typen 761 oder 771 andocken liess.
Das Heck erwies sich bei Tests jedoch als zu wenig verwindungssteif, das Projekt wurde für den GP-Sport in die Tonne gekippt, weil die finanziellen Mittel fehlten, um das schlummernde Potenzial zu wecken.
Ein Happy-End gibt es trotzdem: Bergkönig Roy Lane eroberte mit dem Sechsrad-March die britische Meisterschaft 1979, die Traktion der vier Hinterräder machte ihn so gut wie unschlagbar.
Fussnote: Heute sind in der Formel 1 mehr als vier Räder verboten.

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