Zuverlässigkeit ist Trumpf
Cytosport-Porsche jagt den Highcroft-Honda
Eigentlich ist ein 1000-Meilen-Rennen zum Saisonabschluss ein Graus im Titelrennen für die Tabellenführer. Da fährt man sich eine Saison lang die Seele aus dem Overall für ein paar Punkte Vorsprung, und dann entscheidet sich der Titel ausgerechnet in einem Langstreckenrennen beim Saisonende, in dem mehr Dramen passieren können, als sich ein Thriller-Autor in seinen kühnsten Träumen ausmalen kann. Während innerhalb der Saison um Zehntelsekunden gekämpft wird, entscheiden sich die Titel in der LMP und GT-Klasse der ALMS am Samstag allerdings ausschliesslich über die Grundtugend des Langstreckengeschäftes: Die Zuverlässigkeit.
In der LMP-Klasse fällt die Titelentscheidung am Samstag beim «Petit Le Mans» genau in der 276. von 394 Runden, sollte das Rennen wie gewöhnlich über die 1000-Meilen Distanz gehen. Die 276. Runde markiert das Erreichen der 70% Distanz. Der Distanz, ab wann ein Fahrzeug gewertet wird und Punkte absahnt. Sobald der Highcroft-Honda HPD ARX-01c der Tabellenführer David Brabham und Simon Pagenaud also zum 276 Mal die Ziellinie überquert, also 70% der Renndistanz absolviert hat, ist dem Highcroft-Duo der Titel nicht mehr zu nehmen. Ganz unabhängig davon, an welcher Stelle Brabham/Pagenaud liegen mögen. Denn Verfolger Klaus Graf im Cytosport-Porsche RS Spyder hat 16 Punkte Rückstand, und die kann der Schwarzwälder aus eigenen Stücken beim Finale nicht mehr aufholen.
Denn beim Finale in Road Atlanta starten die Prototypen nicht wie in der ALMS in dieser Saison üblich in einer gemeinsamen Klasse, sondern separat als LMP1 und LMP2, ganz so wie der ACO vorsieht. Und da in der LMP2-Klasse beim «Petit Le Mans» fünf Fahrzeuge starten, bedeutet das für jeden Starter, der die Zielflagge in Wertung sieht uniso 18 Punkte, also die Zähler für den fünften Platz. Klaus Graf muss so auf einen Ausfall des Highcroft-Duos hoffen. Dem Porsche-Pilot schmerzt im Titelkampf der Nichtstart nach dem Trainingunfall seines Teamkollegen Greg Pickett aus Mid Ohio, denn dort holten Brabham/Pagenaud genau die 16 Punkte, die Graf nun fehlen.
Ähnlich sieht der Titelkampf in der GT-Klasse aus. Im Titelduell stehen sich Jörg Bergmeister und Patrick Long (Flying Lizard-Porsche 911 GT3 RSR) und Gianmaria Bruni (Risi-Ferrari F430 GT) gegenüber, andere Fahrer haben keine rechnerische Titelchance mehr. Das Porsche-Duo liegt 22 Punkte vor dem Ferrari-Piloten, der in Road Atlanta nicht mit Stamm-Co Jaime Melo, sondern mit dem Finnen Toni Vilander startet.
Für den Klassensieg gibt es beim «Petit Le Mans» 30 Punkte einzustreichen. Kommen Bergmeister/Long gemeinsam mit Marc Lieb als Verstärkung mindestens als 10. in der GT2-Klasse ins Ziel, ist ihnen die erfolgreiche Titelverteidigung sicher. Denn das gibt 11 Punkte auf das Konto, damit liegen die «Lizards» uneinholbar vorne. Bruni hat nur Titelchancen, wenn Bergmeister/Long es nicht schaffen Zehnte in der GT2 zu werden. Aber selbst dann muss der Italiener mindestens Dritter in der GT2 werden, um den Titelkampf nochmals zu seinen Gunsten zu drehen.