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WCM: Der Reinfall mit dem tschechischen V6-Blata-Deal

Von Günther Wiesinger
Eigentlich hätte die MotoGP-WM 2005 durch einen Sechszylinder-Motor aus Tschechien belebt werden sollen. Aber der Prototyp wurde nie fertiggestellt. Die Geschichte eines geplatzten Traums.

Das Red Bull Yamaha-WCM-500-Team des amerikanischen Immobilien-Unternehmers Bob MacLean und seines britischen Teamteilhabers Peter Clifford gewann in den letzten Jahren der Halbliter-Zweitakt-Weltmeisterschaft 1998 bis 2000 fünf Grands Prix mit Garry McCoy (3 Siege), Simon Crafar (ein Sieg) und Régis Laconi (ein Sieg), fand aber für 2002 in der neuen MotoGP-Viertakt-Ära als Privatteam keinen Lieferanten für ein 990-ccm-Viertakt-Triebwerk. Deshalb stürzten die Fahrer John Hopkins und McCoy in der WM 2002 auf die Plätze 15 und 20 ab.

Im folgenden Jahr behalf sich die WCM-Mannschaft (WCM stand für World Championship Motorsport) mit Viertakt-Motoren, die auf den R1-Superbike-WM-Motoren von Yamaha basierten, aber nach einem Protest von Superbike-WM-Promoter Flammini nicht verwendet werden durften, weil sie sich nicht ausreichend von den seriennahen SBK-Motoren unterschieden. Dabei war bei der Homologation der SBK-Rennmaschinen jahrelang betrogen und geschwindelt worden, dass die Wände wackelten.

Von der Bimota-V2-Suzuki, mit der Anthony Gobert den Superbike-WM-Lauf in Phillip Island gewann, existieren nach Aussage des Bimota Owners Club nur acht Exemplare, 150 wären für die Homologation fällig gewesen.

Auch von der 900-ccm-Petronas-Dreizylinder wurden niemals 150 Stück gefertigt. Es gelangte von diesem Modell auch nie ein Motorrad bei einem Händler in den Verkauf, wie es das FIM-Gesetz vorschrieb. Motto: Win on Sunday, sell on Monday.

Auch Benelli hat nie die erforderlichen Stückzahlen für die SBK-Zulassung gebaut. Damals waren sogar 1000 Stück erforderlich, Benelli baute nur 100 Serienbikes im Jahr.

Nach dem Debakel von 2002 wollte WCM dann mit Teammanager Peter Clifford eigentlich 2003 mit Honda-V5-Kundenmotoren und Moriwaki-Chassis antreten. Doch Red Bull-Chef Didi Mateschitz war von diesem Projekt nicht überzeugt, zog sich nach den enttäuschenden Ergebnissen von 2002 als Hauptsponsor zurück und unterstützte dafür KTM beim Einstieg in die 125er-WM. Auch Yamaha stellte die Unterstützung des einstigen Siegerteams ein.

Das WCM-Team stand also ohne Sponsorship und Material vor einem Scherbenhaufen und verbündete sich deshalb mit dem britischen Chassis-Hersteller Harris Performance Products. Das Team wurde auf Harris WCM umgetauft. Rasch baute das Team einen eigenen Motor auf Basis des Yamaha YZF-R1-Superbikemotors. Für die Verbannung dieses Reihenmotors aus der MotoGP-WM 2003 hatte Clifford kein Verständnis. «Bei unserem Motor war fast nichts mehr vom originalen Motor vorhanden, als es die FIM verbot», erinnert sich Peter Clifford. «Wir hatten alles neu gemacht. Damit Harris Performance Products ein Rolling-Chassis bauen konnte, mussten sie das um einen Klumpen herum bauen, den sie kannten. Sie konnten nicht auf uns warten, bis wir einen Prototyp-Motor fertig hatten, ehe sie mit dem Chassis begannen. Sonst hätten wir es bis zum Start der Saison niemals geschafft. Wir mussten eine Abkürzung nehmen und nahmen den R1-Motor als Basis. Aber vom Original-Motor war beim ersten Renneinsatz kaum mehr etwas aus dem Original vorhanden.»

WCM: Keine Starterlaubnis beim Suzuka-GP 2003

«Als wir zum Auftakt 2003 nach Japan gingen, haben wir das Original-Gehäuse verwendet, aber die Innereien waren alle verändert worden. Alle Ventile, alle Federn, alle Pleuel, die gesamten Getriebe-Innereien, dazu Kurbelwelle und Kolben. Denn wir hatten ein anderes Bohrung-Hub-Verhältnis. Unseres lag bei 76 x 54,5, das originale bei 74 x 58 mm. Wir hatten auch eine andere Elektronik und so weiter.»

WCM verhandelte für 2003 mit Regis Laconi, Steve Hislop, José Luis Cardano und Jay Vincent, präsentierte aber schließlich Chris Burns und David de Gea als Fahrer.

Doch das Team war mit einem turbulenten Saisonstart konfrontiert und musste beim Auftakt in Suzuka/Japan zuschauen, weil die Motoren nicht dem Gesetz entsprachen. Die FIM legte auf Wunsch von Flammini ein Veto ein und verbannte diese Triebwerke.

Das Team erhob beim International Disciplinary Court Einspruch, blitzte aber ab. Auch der Court of Arbitration for Sport als höchste Instanz bestätigte die Disqualifikation des umgebauten R1-Motors.

WCM trat dann 2003 beim britischen, deutschen und tschechischen Grand Prix mit Yamaha-500-Zweitaktern an und entwickelte den Viertakt-Reihenmotor parallel weiter.

Das Harris WCM-Viertakt-Motorrad entsprach dann erst beim Portugal-GP am 8. September den FIM-Vorstellungen. 2004 lautete die neue Fahrerpaarung Chris Burns und Michel Fabrizio. Wegen einer Verletzung wurde Burns zu Saisonmitte durch James Ellison ersetzt, und Youichi Ui sprang in Portugal für Fabrizio ein, der dort ausnahmsweise für Aprilia die Dreizylinder-Cube steuern durfte.

Mitte 2004 kündigte WCM beim Brünn-GP die Zusammenarbeit mit dem tschechischen Minibike-Hersteller Pavel Blata an. Aprilia setzte damals die Dreizylinder ein, Yamaha und Ducati bauten Vierzylinder, Honda den RC211V-Fünfzylinder. WCM und Blata planten für 2005 den Einsatz von V6-Maschinen, wobei die gegnerischen Ingenieure die Frage stellten, ob so ein Konzept angesichts der herrschenden Tanklimits nicht zu durstig wäre.

Neuerlich kam es zu einer neuen Teambezeichnung, doch der Blata WCM-Rennstall kam nie wirklich in Fahrt. James Ellison und Franco Battaini wurden als Fahrer verpflichtet, doch vom V6-Motorrad fehlte beim Saisonstart 2005 jede Spur, es wurde also weiter das Harris WCM-Bike von 2003 und 2004 an den Start geschoben.

«Ich bin im Rückblick trotzdem stolz auf das, was wir damals erreicht haben», fasst Peter Clifford heute zusammen. «Wir haben 2004 und 2005 zwei komplette Saisons als kleines Privattteam mit unserem eigenen Motor bestritten. Wir haben WM-Punkte gesammelt und 2004 keinen einzigen technischen Ausfall hinnehmen müssen. Das ist nicht einmal allen Werksteams gelungen.»

Blata: Aus dem 125-ccm-Projekt wurde ein V6-Plan

Immer wieder wurde posaunt, die V6-Blata werde beim Brünn-GP am 28. August 2005 in der WM debütieren. Aber das Motorrad glänzte weiter durch Abwesenheit. Bei Pavel Blata, einst selbst aktiver Motorradsportler und 1977 bei der Internationalen Enduro-Sechs-Tage-Fahrt dabei, wollte eigentlich eine 125-ccm-Zweitakt-GP-Maschine bauen. Clifford überredete ihn und Partner Steve Lichtag, lieber gleich etwas Ordentliches zu machen – und in die MotoGP-WM einzusteigen.

Die 40-ccm-2T-Blata-Minibikes waren damals in der Europameisterschaft erfolgreich; 2004 verpasste Michael Duchacek den dritten EM-Titel der Marke knapp. Doch der knapp 160 cm große Blata strebte nach Höherem. Das MotoGP-Projekt war genau nach dem Geschmack des ehemaligen Automechanikers. «Er leidet am Short-Man-Syndrom», ätzte BLATA-Teilhaber Lichtag.

Blata hatte sein Unternehmen 1990 gestartet, war aber wegen der vielen billigen chinesischen Minibike-Kopien längst in finanzielle Turbulenzen geschlittert. Damit platzten seine grandiosen betriebswirtschaftlichen Pläne: 2004 verkaufte er 15.000 Minibikes, bis 2009 sollte die Produktion auf 100.00 Stück erhöht werden. Doch aus diesen Visionen wurde nichts. 

Die WCM-Eigentümer gingen davon aus, mit Blata einen starken Technologie-Partner gefunden zu haben, mit dessen Hilfe sie gegen die werksunterstützten Teams bessere Chancen vorfinden würden.

Blata träumte davon, den Zauber der renommierten tschechischen Motorradmarken Jawa und CZ in der Königsklasse neu aufleben zu lassen.

Der V6-Motor wurde jedoch nie bis zur Rennreife entwickelt, auch wenn Firmenchef Blata immer wieder betonte, das Motorrad werde demnächst fertiggestellt.

Als Designer des V6-Motors war Coen Baijens zuständig, der aber in der Öffentlichkeit nie wirklich in Erscheinung trat.

Blata-V6: Zu durstig, aber Spritkühlung wurde verboten 

Die gegnerischen Konstrukteure lästerten, die V6-Blata sei zum Scheitern verurteilt, weil die Sechszylinder-Bikes 155 kg wiegen mussten, die Vier- und Fünfzylinder 145 kg, die Dreizylinder von Aprilia nur 135 kg. Und ausserdem würde der durstige V6 mit dem vorgeschriebenen Tankinhalt keine Renndistanz überstehen, wurde gemutmasst.

Peter Clifford plante deshalb eine Kühlung des Renntreibstoffs. «Aber das wurde wieder wenig später verboten.»

Es wurde dann still um das Blata-Projekt, auch vom WCM-Team war zum Thema V6 wenig zu hören – wegen eines laufenden Gerichtsverfahrens, wie sich später herausstellte.

Erst 2009 berichtete Peter Clifford, WCM-Teamchef und ehemaliger Journalist, Blata habe nur einen Klumpen eines einzigen Prototyps zustande gebracht; der Motor (Zylinderwinkel 90 Grad) sei nie auf einem Prüfstand gelaufen.

Es wurde auch kein Geheimnis mehr daraus gemacht, dass WCM gegen den tschechischen Schaumschläger Pavel Blata wegen Nicht-Erfüllung der vertraglichen Pflichten eine Klage mit Schadensersatzforderungen eingereicht hatte.

2007 sank der MotoGP-Hubraum von 990 auf 800 ccm, aber zuerst einmal brauchte WCM einen Motor für 2006. Bei KTM war WCM abgeblitzt. Denn die 990-ccm-V4-Motoren waren 2005 ans Proton-KR-Team von Kenny Roberts vergeben worden – zumindest bis zum Brünn-GP.

Am Saisonende 2005 verkündete WCM-Teamdirektor Peter Clifford, man werde 2006 mit den V4-Motoren von KTM mitmischen, Jeremy McWilliams und Alex Hofmann waren die Fahrerkandidaten.

Doch die KTM-Pläne konnten nie in die Tat umgesetzt werden. Die Motoren aus Oberösterreich waren nicht ausgereift, es gab kein Geld für eine konkurrenzfähige Elektronik, und das kleine WCM-Privatteam konnte keinen nennenswerten finanziellen Beitrag zur Weiterentwicklung leisten. KTM konzentrierte sich deshalb auf die 125er- und 250er-WM.

Auf der provisorischen Nennliste für 2006 wurde WCM noch als Bimota-Partner vorgestellt, als Fahrer standen Jeremy McWilliams und Jason Perez zur Debatte. «Wir wollten bei Bimota die Chassis für die KTM-Motoren bauen lassen. Aber KTM zog das Angebot zurück, also hätten wir 2006 noch einmal unseren alten WCM-Reihenmotor verwenden müssen», blendet Clifford zurück.

In der endgültigen Teilnehmerliste für 2006 fehlte Harris WCM. Das Team zog sich aus der MotoGP World Championship zurück: keine Sponsoren, kein konkurrenzfähiges Material, keine Topfahrer. Es hätte sich ein Debakel angebahnt.

Immerhin kam es im Juni 2006 zwischen WCM und Winona Racing zu einer strategischen Partnerschaft zum Einsatz in der 250-ccm-Weltmeisterschaft. Für 2007 plante WCM eine MotoGP-Rückkehr, aber als der Hauptsponsor die vereinbarte Summe nie überwies, war das WCM-Ende für immer besiegelt.

WCM war nachher jahrelang in einem Rechtsstreit mit Blata verwickelt. MacLean und Clifford klagten in Tschechien gegen Blata. «Wir gingen gerichtlich gegen Blata vor, weil sie die versprochenen Motorräder nie fertiggestellt und produziert haben», erklärte Clifford gegenüber SPEEDWEEK.com. «Wir haben verloren, weil der Richter sagte, es sei nicht klar, welche WCM-Firma das Agreement mit Blata abgeschlossen habe. Wir hatten zwei separate Rennfirmen, eine war in den USA angesiedelt, eine in Irland.»

Blata hatte zwar eine kleine bescheidene Rennabteilung aufgebaut, aber die Kosten für die MotoGP-Entwicklung und die erforderliche Manpower grob fahrlässig unterschätzt.

Bedauerlich, denn der Sechszylinder-Sound wäre sicher Musik in den Ohren vieler MotoGP-Fans gewesen.

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