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Hightech-Kontrollzentrum in der Wüste: Audi-Cockpit

Von Toni Hoffmann
Das Cockpit des Audi RS Q e-tron für die Rallye Dakar, Kompetenzverteilung: Fahrer und Beifahrer teilen sich die Bedienung, Alles im Blick: von Fahrzeugfunktionen bis zur Navigation, Orientierung als Wettbewerbsfaktor.

Ein Blick in den Innenraum des Audi RS Q e-tron dürfte jeden Autofan an ein Flugzeug-Cockpit erinnern: Über die gesamte Breite der Instrumententafel sind Bildschirme und Anzeigen verteilt. Nur mit ihrer Hilfe können Fahrer und Beifahrer Tausende von Kilometern in der Wüste schnell und erfolgreich bewältigen.

Ursprünglich gab es im Marathon-Rallyesport eine klare Aufgabenteilung: Der Fahrer fährt, der Beifahrer navigiert. Längst haben sich diese Rollen verändert: Das Reglement begrenzt die navigatorischen Aufgaben auf sehr präzise Möglichkeiten und Vorschriften. Das einstige Roadbook aus Papier für die Strecke ist heutzutage digital. Und der Audi RS Q e-tron verteilt mit seinem Bedienkonzept verschiedene Funktionen zwischen Fahrern und Beifahrern neu.

Lenken, Beschleunigen und Bremsen sind die Hauptaufgaben für Mattias Ekström, Stéphane Peterhansel und Carlos Sainz, die sich voll aufs Gelände konzentrieren. Die Gänge müssen sie nicht mehr wechseln, denn der elektrische Antrieb mit Energiewandler im Audi RS Q e-tron benötigt kein Schaltgetriebe mehr. Zentral im Cockpit sichtbar ist der zweifach gekröpfte Handbremshebel aus Aluminium. Er ist mit dem innovativen Brake-by-wire-System gekoppelt, das die hydraulische Bremse mit einem Rekuperationssystem kombiniert. Ein Zug an der Handbremse hilft also ebenso wie die Betätigung der Fußbremse, um Energie zurückzugewinnen. Der wesentliche Zweck der Handbremse im Rallyesport aber besteht darin, den RS Q e-tron vor Kurven „anzustellen“. Das kurzzeitige Blockieren der Hinterräder zwingt das Auto in einen Drift. Richtungswechsel verlaufen so besonders agil.

Unmittelbar vor dem Fahrer sind auf dem Lenkrad acht Bedienknöpfe zu finden. Sie steuern unter anderem die Hupe, die Scheibenwischer und Dateneinträge in der Software, falls der Fahrer eine Auffälligkeit mit zeitlicher Markierung im Speicher hinterlegen will. Auch lässt sich dort der Tempobegrenzer aktivieren für Zonen, in denen eine Höchstgeschwindigkeit vorgeschrieben ist. Hinter dem Lenkrad sitzt ein Display direkt im unteren Sichtfeld des Fahrers. Es informiert über die Reifenluftdrücke, die Fahrtrichtungswahl des stufenlosen Elektroantriebs (vorwärts, rückwärts oder neutral) und über das aktuelle Tempo. Ebenso enthält es wichtige Warnungen, damit der Fahrer beispielsweise bei einem bevorstehenden System-Shutdown oder einer Abschaltung der Hochvoltbatterie sofort reagieren kann. Oberhalb und in Richtung der Windschutzscheibe angebracht rücken zwei kleine Anzeigen ganz wesentliche Informationen ins Sichtfeld: Ein sogenannter Repetitor links zeigt die Kompassrichtung an, die Anzeige rechts das gefahrene Tempo.

Ein zentrales Display genau in der Mitte zwischen Fahrer und Beifahrer enthält Angaben zu Reifendrücken, zur gewählten Bremsbalance, zum Brake-by-Wire-System und zu vielen weiteren Funktionen. Die Angaben sind grün hinterlegt, wenn eine Funktion oder ein System einwandfrei arbeitet, oder rot, wenn ein Fehler auftaucht. Unterhalb befindet sich ein Switchpanel. Die einzelnen Tasten reagieren berührungssensitiv mit Druckpunkt. Auf den 24 frei belegbaren, aber vordefinierten Flächen hat Audi unter anderem verschiedene Funktionen hinterlegt: zum Beispiel vorgewählte Höchstgeschwindigkeiten, die in Tempobegrenzungszonen üblich sind, oder die Klimaanlagenbetätigung. Es lassen sich verschiedene Seiten programmieren, sodass die 24 Knöpfe mehrfach belegbar sind. Auf den hinteren Seiten sind seltener genutzte Funktionen abrufbar. Dort lassen sich etwa im Fall von Schäden einzelne Systeme abschalten („fail safe“), um das Etappenziel sicher in einem Notmodus zu erreichen.

Die Betätigung dieses Switchpanels liegt beim Beifahrer, der Fahrer äußert nur noch entsprechende Wünsche. All dies muss im rauen Gelände bei Geschwindigkeiten bis zu 170 km/h über Stunden möglichst fehlerfrei vonstatten gehen. Damit übernimmt der Copilot eine hohe Verantwortung neben seiner ursprünglichen Hauptaufgabe, dem Orientieren. «Nur noch die Hälfte meiner Energie verbringe ich mit der Navigation, die andere Hälfte mit der Bedienung des Autos. Aber ich liebe diese neue Herausforderung», sagt Edouard Boulanger, der Beifahrer von Stéphane Peterhansel.

Die Route der bevorstehenden Etappe wird nicht mehr wie in der Vergangenheit am Vorabend herausgegeben. Erst 15 Minuten vor dem Start der Etappe bekommen die Teams jeden Morgen diese Streckeninformation. Emil Bergkvist, der sich das Cockpit mit Mattias Ekström teilt, sieht darin einen Vorteil: «Ich komme als Fahrer aus dem klassischen Sprint-Rallyesport. Für mich ist dies der ideale Zeitpunkt zum Wechsel als Copilot in den Marathon-Rallyesport, denn jetzt müssen sich auch die etablierten Beifahrer an diese neuen Regeln gewöhnen.»

Die kurzfristige Information zur Streckenführung wie auch der Wechsel auf ein digitales Roadbook-Format stellen große Herausforderungen dar. Um sich im Gelände zu orientieren und zugleich die vorgeschriebene Route einzuhalten, blicken die drei Beifahrer Emil Bergkvist, Edouard Boulanger und Lucas Cruz auf zwei Tablet-Bildschirme, die die früheren Papier-Roadbooks ersetzen. Ihre Betätigung erfolgt mit zwei Fernbedienungen, die über Kabel verbunden sind. Auf dem Schirm links weist das Roadbook den Weg durchs Gelände. Nur wenn dieses Tablet ausfallen sollte, dürfen die Crews das versiegelt ausgelieferte Roadbook in Papierform öffnen und benutzen, sonst droht eine Strafe. Das Tablet rechts enthält die GPS-Navigation und validiert die digitalen Wegmarkierungen (Waypoints), die jeder Teilnehmer anfahren muss. Erreicht das Auto den Umkreis eines Waypoints, sieht auch der Fahrer im rechten Repetitor unterhalb der Windschutzscheibe die Pfeile, die ihm die Richtung zum Waypoint anzeigen.

Der größte Unterschied zu einem Navigationssystem im Serienauto: Während das Gerät im Straßenverkehr hilft, Ziele möglichst präzise zu finden, soll die Navigation bei Marathon-Rallyes eine sportliche Herausforderung bleiben. Sie entscheidet neben der fahrerischen Leistung über Erfolg und Niederlage. Somit gibt der Veranstalter im Roadbook nur Kompassrichtungen, Distanzen, Piktogramme, Besonderheiten und Gefahrenhinweise. Das GPS-System im Rallyeauto ist somit bewusst nur bedingt eine Hilfe für die Teams. Zugleich dient die Anlage dem Veranstalter als Kontrollinstrument. So kann er überprüfen, ob die Teilnehmer im offenen Gelände über Hunderte von Kilometern die Route sowie das Tempo in Speed Control Zones eingehalten haben.

Komplett ist das Cockpit erst mit dem Iritrack-System in der Mittelkonsole. Es dient der Ersten Hilfe bei Notfällen. Damit erfasst der Veranstalter die Geschwindigkeit, die aktuelle Fahrzeugposition und kann mögliche Unfälle erkennen. Der Beifahrer kann in einem Notfall den Veranstalter direkt informieren, ob die Passagiere unverletzt sind, ob sie medizinische Hilfe benötigen oder ob das Rettungsteam einem anderen verunglückten Teilnehmer helfen soll.

Extreme Präzision, Schnelligkeit und eine Flut von Aufgaben prägen die digitalisierte Arbeit im hochmodernen Cockpit des Audi RS Q e-tron. Und doch bleibt es auch im Marathon-Rallyesport der Faktor Mensch, der über den sportlichen Erfolg entscheidet.

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