Lettenbichler triumphiert beim Red Bull Erzbergrodeo

Von Carsten Steffen
In extrem überzeugender Manier entschied KTM-Werksfahrer Manuel Lettenbichler die 26. Ausgabe des Erzbergrodeos in Österreich für sich und holte die begehrteste Sieger-Trophäe im Hard-Enduro nach Deutschland.

Nach zwei Jahren Zwangspause ging es zur 26. Ausgabe des Red Bull Erzbergrodeos vom 16.–19. Juni 2022 nach Eisenerz. Gut 40.000 Zuschauer verwandelten das beschauliche Örtchen in der Steiermark (endlich) wieder einmal in das Mekka des Hard-Enduro-Sports. 1158 Fahrer pilgerten an den «Iron Giant» genannten Berg – somit waren lediglich knapp 80 Prozent der 1500 möglichen Startplätze vergeben.

Die 27 Checkpoints auf der 35 km langen Strecke des Rennens sind auch für die Weltspitze dieses immer populärer werdenden Offroad-Sports grenzwertig: Darunter waren Klassiker wie «Wasserleitung», «Carl’s Dinner» und «Lazy Noon», aber neue Herausforderungen wie der «Motorex Highway» und «Udo’s Playground» zu bewältigen. Endlos steile Auffahrten und extrem steile Passagen, die nur mit der richtigen Strategie und entsprechend perfekten Fahrtechnik zu meistern sind, sollten auch für die Top-Fahrer zu einer maximalen Herausforderung werden.

Manuel Lettenbichler hatte sich nach dem verletzungsbedingten Ausfall beim Auftaktrennen «Minus 400» in Israel bei der 2. Runde der Hard-Enduro-WM «Xross» in Serbien vor einem Monat den Sieg und damit das Selbstvertrauen für den Start am eisernen Giganten geholt. Der Sieg in Serbien kam eher unerwartet, da Manuel nach sechs Monaten der Behandlung und Reha noch nicht wieder bei 100 Prozent und somit ohne ernsthafte Erwartungen an den Start gegangen war. Dass ein Sieg bei dem Xross herauskam, überraschte ihn, brachte in der Gesamtwertung der Meisterschaft aber entsprechend viele Punkte – die nach der Null-Ausbeute im ersten Rennen selbstredend willkommen und auch notwendig waren, um sich Chancen auf einen Spitzenplatz in der Endabrechnung zu wahren.

Es bedarf keiner Erwähnung, dass alle Spitzenfahrer mit der Ambition zum Rodeo fahren, am Ende auf dem Treppchen ganz oben zu stehen. Nach wie vor ist das Erzbergrodeo das eine Rennen im alljährlichen Zirkus, das jeder Fahrer unbedingt gewinnen will. Für Taddy Blazusiak aus Polen war es 2007 der Start einer Traumkarriere: Als Amateur und Noname zum Rennen gekommen, wurde er von KTM auf Anraten von Erzbergrodeo-Mastermind Karl Katoch mit einer Leihmaschine ausgestattet und startete mit dem Sieg und einem Werksvertrag in ein neues Leben. Vier weitere, aufeinanderfolgende Siege sollten Folgen. Nur Graham Jarvis konnte ebenfalls fünf Siege am Heiligen Berg verbuchen – und mit seinen 47 Jahren unternahm diese Legende in diesem Jahr den Versuch, einen weiteren Sieg hinzuzufügen und somit alleiniger Rekordhalter zu werden.

Für nicht wenige Insider war Jarvis der Favorit für die 26. Ausgabe des Erzbergrodeos, denn einerseits gingen einige Kontrahenten mehr oder weniger lädiert ins Rennen und andererseits kommen Grahams Stärken bei diesem Format voll zum Tragen: Perfekte Technik, Erfahrung und seine ruhige Art, am Anfang nicht zu sehr zu pushen, in den technisch anspruchsvollen Streckenteilen aufs Ganze zu gehen und spätestens in Carl‘s Dinner gnadenlos zuzuschlagen. Diese Vorgehensweise verschaffte ihm den Spitznamen «The Silent Assassin».

Billy Bolt (GB, Husqvarna), Weltmeister des Vorjahres, hatte sich drei Wochen zuvor einige Bänder am Knöchel gerissen und ging gehandicapt ins Rennen. Auch Lettenbichlers Knie ist noch nicht wieder zu 100 Prozent hergestellt: In den Tagen nach seinem Triumph in Serbien wurde deutlich, dass die Strapazen dort nicht spurlos an ihm vorbeigegangen waren.

Beim ersten von zwei Prolog-Fahrten, in denen die zehn Startreihen mit je 50 Fahrern des Main-Events am Sonntag ausgefahren werden, waren die Bedingungen perfekt. Es hatte die Nacht vorher geregnet und somit war die Prologstrecke noch feucht und hatte viel Grip. Lettenbichler startete als Zweiter, und daher waren die 10 km noch in einem sehr guten Zustand, ohne die Anbremswellen oder Schläge, welche den zweiten Lauf zur Tortur machen. Mit dem vierten Platz am ersten Tag hatte Manuel sein bislang bestes Prolog-Ergebnis erzielen können, blieb fehlerlos und war mit seiner Leistung sehr zufrieden. Am zweiten Tag waren schnellere Zeiten nicht zu erwarten. Die Strecke war nach über 1000 Fahrern wie ausgebombt. Zudem war es trocken, staubig und nicht so griffig wie am ersten Tag. Manuel: «Mit dem 5. Platz in der Gesamtwertung bin ich sehr zufrieden, weil ich bislang im Prolog noch nie so weit vorne war. Mit 10 km ist die Strecke zwar einiges kürzer als sonst, aber sie haben das gut gemacht, ein bisschen enger und technischer.»

Gestartet wurde das Main-Event am Sonntag um 14.30 Uhr. Billy Bolt, Manuel Lettenbichler und Kailub Russell kamen beim Start am besten aus dem Kessel, der tiefste Punkt des Tagebaus, heraus. Und gleich nach den ersten Auffahrten gab es Verwirrung unter den Führenden, denn eine Absperrung war falsch gesetzt worden, sodass diese Gruppe eine nicht geplante kurze Schleife fahren musste. Die Führung änderte sich dadurch jedoch nur kurzfristig und so schossen die Top-Fahrer gleich auch die Sektion Wasserleitung hoch, die den Amateuren der folgenden Startreihen schon massive Probleme bereiten sollte. Manuel konnte sich zu diesem Zeitpunkt schon etwas von Bolt absetzen.

Der in der ersten Stunde sehr stark fahrende Österreicher Michael Walkner (GASGAS) überholte Bolt und fuhr zunächst in Schlagdistanz zu Lettenbichler. Hielten sich die Abstände bis zum Checkpoint 13 von 27 noch überschaubar, so zeigte der Sohn von Andreas «Letti» Lettenbichler, der sich 2015 in die Siegerliste des Erzbergrodeos eintragen konnte, seine Extra-Klasse und baute den Vorsprung auf Walkner auf knapp drei Minuten aus. Bolt lag als zu diesem Zeitpunkt Drittplatzierter bereits über 10 Minuten hinten.

In Carl’s Dinner, einer der legendären Signature Sections, zog Manuel mit seiner konzentrierten, besonnenen Fahrweise weiter davon. Walkner brach dort jedoch ein und wurde von Mario Roman, der das Auftaktrennen der diesjährigen Weltmeisterschaft Minus 400 in Israel gewonnen hat, überholt. Bolt musste in dieser Phase ebenfalls abreißen lassen und fiel zwischenzeitlich auf den 7. Rang zurück.

Als extrem selektiv erwies sich eine neue Sektion namens Motorex Highway. Was sich dem Namen nach wie eine schnelle Passage liest, erwies sich als das genaue Gegenteil: Manuel brauchte vier Anläufe, um den letzten und extrem steilen Anstieg dieser Sektion zu meistern – und fräste für die nachfolgenden Fahrer eine Linie in die zu dem Zeitpunkt noch jungfräuliche Auffahrt. Er schaffte es dennoch, einen Vorsprung von knapp drei Minuten auf Mario Roman zu halten. Der näherte sich dann in der letzten selektiven Sektion namens Dynamite, in der Manuel wiederum die Spur für den Rest legte. Es erwies sich wieder einmal, dass der Führende in einem Hard-Enduro-Rennen nicht immer im Vorteil ist. Daher ist dem 24-Jährigen die Leistung in diesem Rennen hoch anzurechnen, denn in zwei der Schlüsselsektionen war der Führende deutlich im Nachteil.

Trotzdem konnte der Deutsche den Vorsprung auf Roman bei drei Minuten halten und somit war der Weg zum ersten Sieg von Manuel Lettenbichler beim prestigeträchtigsten Event in der Hard-Enduro-Weltmeisterschaft frei. Mario Roman belegte auf seiner Sherco den zweiten Platz, gefolgt von dem jungen Trystan Hart aus Kanada (KTM). Insgesamt schafften es lediglich acht der 500 Starter innerhalb der 4 Stunden Renndauer ins Ziel. Graham Jarvis, der sich Hoffnungen auf den 6. Sieg gemacht hatte, versagte kurz nach dem Start das Arbeitsgerät. Er kam mit zirka einer Stunde Verspätung ins Rennen und konnte es folglich nicht beenden.

Manuel Lettenbichler: «Ich hatte einen guten Start und bin mega happy. Die Verwirrung mit der Absperrung hatte sich schnell gelegt. Bei der Wasserleitung habe ich Billy überholt und von da an das ganze Rennen geführt. Das war mal ein richtig harter Tag, wirklich anspruchsvoll und viele sauschwere Stellen. Es war seit langem mal wieder ein richtig schweres Erzbergrodeo. Motorex Highway hat mich fast gekillt, ich habe Bäume und Steine aus dem Weg räumen müssen. Dort und in Dynamite war es nicht so toll, in Führung zu sein, weil noch keine Line da war. Als ich dann durch Dynamite und Lazy Noon durch und Mario nicht in Sicht war, war ich extrem erleichtert und froh. Einen Sieg beim Erzbergrodeo in der Erfolgsliste zu haben, ist das Größte – in meiner Liste bedeutet dieser Sieg mir am meisten.»

In der Gesamtwertung der Meisterschaft führt nach dem Erzbergrodeo Billy Bolt mit 45 Punkten, gefolgt von Mario Roman mit 43 und Lettenbichler mit 40 Punkten auf dem dritten Rang.

Mit dem Red Bull Abestone findet das nächste Rennen im Kalender der Weltmeisterschaft am 9. und 10. Juli in Italien statt.

Ergebnisse Red Bull Erzbergrodeo:

1. Manuel Lettenbichler (D, KTM), 2:58,51Stunden
2. Mario Roman (E, Sherco), 3:02,17
3. Trystan Hart (CND, KTM), 3:11,53
4. Billy Bolt (GB, Husqvarna), 3:18,25
5. Alfredo Gomez (E, GASGAS), 3:20,30
6. Michael Walkner (A, GAGGAS), 3:40,32
7. Wade Young (ZA, Sherco), 3:55,13
8. Matthew Green (ZA, KTM), 3:55,54

WM-Stand nach 3 von 8 Events: 1. Billy Bolt (Husqvarna), 45 Punkte. 2. Mario Roman (Sherco), 43. 3. Manuel Lettenbichler (KTM), 40. 4. Graham Jarvis (Husqvarna), 37. 5. Teodor Kabakchiev (KTM), 35. 6. Alfredo Gomez (GASGAS), 33. 7. Wade Young (Sherco), 32. 8. Michael Walkner (GASGAS), 29. 9. David Cyprian (KTM), 16. 10. Matthew Green (KTM), 16.

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