Gerhard Berger, Helmut Marko: Wieso Formel 1 kränkelt

Von Rob La Salle
​In der ServusTV-Sendung «Sport und Talk aus dem Hangar-7» äussern sich Dr. Helmut Marko und Gerhard Berger zum Urteil der FIA über Sebastian Vettel sowie über die Zukunft der Formel 1.

In der Sendung «Sport und Talk aus dem Hangar-7» von ServusTV ist natürlich auch das Nachbeben von Baku ein Thema. Die FIA hatte Ferrari-Star Sebastian Vettel nach Paris zitiert, um sich für den Rammstoss gegen Lewis Hamilton zu erklären. Vettel entschuldigte sich nicht nur beim FIA-Präsidenten Jean Todt, der WM-Leader wandte sich am späteren Montagabend auch über seine eigene Internetseite an die Fans, um sich zu erklären.

Die FIA brummte Vettel Arbeit in den Nachwuchsserien auf, zudem fährt der vierfache Formel-1-Weltmeister derzeit auf Bewährung. Noch so eine Aktion, und der Heppenheimer wird sich vor dem Internationalen Sportgericht der FIA verantworten müssen.

Dr. Helmut Marko (74), Motorsportchef von Red Bull, sagt: «Ich bin heilfroh, dass da keine Bestrafung gekommen ist. Das war nur eine emotionale Reaktion auf ein strategisches Manöver von Hamilton.»

Der zehnfache GP-Sieger und DTM-Chef Gerhard Berger (57) schmunzelt: «Mir gefällt das mit dem Sozialdienst. Das hat doch die Naomi Campbell auch mal machen müssen, vielleicht können die beiden ja zusammenspannen.»

Auch Formel-1-CEO Chase Carey war in Salzburg zu Gast. Der US-Amerikaner findet: «Ein wenig Drama auf der Rennstrecke kann nicht schaden. Wir erleben sowieso ein aufregendes Jahr, zuletzt mit einem weiteren neuen Saisonsieger, mit Daniel Ricciardo in Baku. So kann es von mir aus weitergehen.»

Aber wie soll es generell mit der Formel 1 weitergehen?

Gerhard Berger, WM-Dritter 1988 und 1994, findet: «Wir müssen wieder in eine Situation kommen, dass eben mehr als nur eines oder zwei Teams gewinnen können. Und dass auch ein Mittelfeldteam die Möglichkeit hat, einen Sensationssieg herauszufahren.»

Chase Carey ergänzt: «Klar wollen wir den Sport in einer Art und Weise formen, dass wir den Fans spektakulären Sport bieten. Und wenn zum Schluss eines Rennens fünf oder sechs Autos um den Sieg kämpfen, dann wäre das ein Wunschziel.»

Der Amerikaner dementiert, dass Liberty Media 25 Saisonrennen anstrebe. «Wir haben nur über die Möglichkeit diskutiert, mehr Rennen zu haben, vielleicht eines in New York oder Miami. Aber derzeit liegt unsere Aufmerksamkeit darauf, die 21 Rennen vom kommenden Jahr zu ganz tollen Veranstaltungen zu machen. Wir wollen aus dem, was wir haben, mehr machen und den Fan in den Mittelgrund stellen. Das ist mir in der Formel 1 ein wenig verloren gegangen.»

Gerhard Berger meint: «Die Formel 1 hat sich jahrelang in den USA schwergetan. Das kann sich mit dem Einfluss von Liberty Media ändern. In Europa haben viele Mühe, die amerikanische Rennkultur zu verstehen, und das Umgekehrte gilt genauso. Dass die Formel 1 nun von einer US-amerikanischen Firma geleitet wird, das wird sich zu Gunsten des GP-Sports auswirken.»

Dr. Marko meint: «25 Rennen wären möglich, aber da sind wir am Punkt, wo wir mit zwei Mannschaften arbeiten, die sich ablösen. Aber das ist nicht das Entscheidende. Wir wollen den Fahrer im Mittelpunkt haben, nicht die Techniker. Und dazu muss dieses Motorenreglement gekippt werden. Wenn das passiert, dann tritt die Technik in den Hintergrund. Wir wollen erleben, wie sich Verstappen mit Hamilton und Vettel balgt. Wir wollen nicht hören, wie die Ingenieure den Piloten sagen, wie sie Sprit sparen oder in welchen Motorfunktions-Modus sie schalten müssen.»

«Zu meiner Zeit gab es einfach eine grössere Ausgeglichenheit und mehr Fahrerpersönlichkeiten. Der Höhepunkt war dann erreicht, wenn zwei Extrem-Egoisten gegeneinander gekämpft haben, wie Senna gegen Prost oder wie Piquet gegen Mansell, da gehörte eine Übung wie der Rammstoss von Vettel schon fast zur Tagesordnung. Das war Action, das waren Emotionen, das war genau, was das Publikum wollte.»

Gerhard Berger ergänzt: «Das Problem ist – die Technik des Verbrennungsmotors beherrschen viele Firmen gut. Aber wenn es dann in die ganze Komplexität geht, mit einer Mehrfach-Energierückgewinnung, dann sind nur noch ganz wenige Firmen weltweit in der Lage, das bis an die Spitze zu treiben. Mercedes macht da einen hervorragenden Job. Aber wenn du als Rennstall an einen Motorpartner gebunden bist, der nicht dazu bereit ist, die entsprechenden Investitionen zu tätigen oder gar nicht die notwendigen Ressourcen hat, dann sind sie ausgeliefert. Das Ergebnis ist, dass nur noch wenige gewinnen können, das ist eine Situation, unter welcher alle leiden, und das muss geändert werden.»

«Man kann sich das aber nicht so einfach machen und sagen – wir gehen halt zurück zu den guten alten Zeiten in Sachen Motor. Es ist vielmehr wichtig, eine Balance zu finden. Wir dürfen keine Formel 1 mehr haben, die eine Motorformel ist. Wir dürfen aber auch keine Formel 1 haben, die eine Aerodynamikformel ist. Es gab auch Jahre, da war der Reifen dominierend. Wir müssen eine Balance finden, die dahin zielt, dass am Ende der Fahrer der entscheidende Faktor ist. Das wollen die Fans sehen, und die sind unsere Kunden.»

Gerhard Berger: «Wir erkennen alle die Probleme, aber die Schwierigkeit der Formel 1 sind die Entscheidungsprozesse, die so einfach nicht funktionieren. Die gleichen Themen sind immer wieder auf dem Tisch gewesen. Ferrari will diesen Weg, ein anderer Rennstall einen anderen, und der Prozess ist so, dass sich am Ende alle einig sein müssen. Das gibt es einfach nicht. Nein, wir brauchen jemanden, der sagt – so machen wir das! Wenn ich heute aber die Leute reden höre: „Wir haben die richtige Idee, und 2021 werden wir das umsetzen.“ Es interessiert doch keinen Menschen, was 2021 passiert. Dieser Prozess lähmt seit Jahren alles.»

Zum Schluss der Sendung bleibt die bange Frage: Wie werden die Fans künftig Formel-1-Rennen gucken können? Ist der Wechsel vermehrt ins Bezahlfernsehen für Liberty Media ein Muss? Formel-1-CEO versucht, den Grand-Prix-Freunden die Furcht zu nehmen: «Es ist eines unserer Kernziele, mit der Formel 1 so viele Fans als möglich zu erreichen. Eine Tendenz zu mehr Wettbewerben im Pay-TV gibt es bei allen Sportarten, auch im Fussball. Aber unser Ziel besteht darin, auf allen Plattformen präsent zu sein – freies Fernsehen, Pay-TV mit besonderen Angeboten, mobile Geräte, also digitale Plattformen. Das herkömmliche Fernsehen wird fester Bestandteil unseres Angebot bleiben.»

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