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Nico Rosberg-Kritik: Reaktion von Ferrari und Leclerc

Von Mathias Brunner
Charles Leclerc nach seinem Crash

Charles Leclerc nach seinem Crash

​Formel-1-Weltmeister Nico Rosberg behauptet: Auslöser des Quali-Desasters von Baku (Leclerc-Crash, Vettel 3.) sei Ferrari selber gewesen, mit falscher Reifenwahl. Mattia Binotto und Charles Leclerc dementieren.

Hat Ferrari das Abschlusstraining zum Strassen-GP von Baku wegen einer falschen Reifenwahl vergeigt? Das jedenfalls behauptet Formel-1-Weltmeister Nico Rosberg. Der Wiesbadener erklärte in seinem Video-Blog: «Ferrari hat die Pole verschenkt! Ich fasse es nicht, wie Ferrari ein ums andere Mal tolle Ergebnisse verschleudert! Leclerc hätte auf Pole-Position stehen müssen, er war das ganze Wochenende der beste Mann. Ich kreide ihm den Fahrfehler nicht mal an. Ich kreide das Ferrari an. Denn in Quali 2 meinte Ferrari, besonders schlau sein zu müssen und liess die beiden Piloten mit der mittelharten Mischung auf die Bahn. Die Denke war wohl: Wir sind schnell genug, um auch mit dem härteren Pirelli ins Rennen gehen zu können. Ich frage mich, ob sie da nicht ein wenig zu selbstsicher gewesen sind.»

«Von da an ging alles bergab. Ich sass zuhause auf dem Sofa und habe mir die Haare gerauft. Ich rief – auf einem Strassenkurs könnt ihr doch nicht so eine Nummer abziehen! Die Fahrer brauchen Rhythmus. Und was passierte? Vettel hätte sein Auto um ein Haar in die Mauer gesetzt, Leclerc tat das dann, aber richtig. Ich finde es schrecklich, wie Ferrari das gemacht hat. Denn auch ich wollte in Baku ein starkes Ferrari sehen, eine Reaktion auf die Niederlagen in den ersten Rennen. Nein, ich sage – Ferrari hat versagt.»

Wieso also schickten die italienischen Strategen Vettel und Leclerc zu Beginn der zweiten Quali mit der mittelharten Mischung auf die Bahn? Teamchef Mattia Binotto in Baku: «Wir waren davon überzeugt, dass wir schnell genug sind, mit dem gelb markierten Pirelli Q2 zu überstehen. Das hätte es uns erlaubt, mit einem dauerhafteren Reifen ins Rennen zu gehen, dieses Vorgehen war richtig.»

Auch Charles Leclerc ist nicht der Ansicht, dass die Reifen Auslöser des Unfalls gewesen sind: «Nein, das ist nicht wahr. Es stimmt, dass das Handling mit der härteren Mischung mit sinkenden Pistentemperaturen heikler war, aber daran habe ich mich gewöhnt, die erste Runde mit den gelb markierten Pirelli war ganz in Ordnung. Dann aber wollte ich einfach zu viel, der Fehler geht ganz alleine auf meine Kappe, denn ich wollte mit der härteren Mischung am gleichen Punkt bremsen wie mit den weichen. Das war einfach nur hirnrissig.»

Der Monegasse erhielt im Fahrerlager sehr viel Respekt für sein selbstkritisches Verhalten. Wie er sich selber darstellte, grenzte beinahe an Selbstgeisselung. Sich selber dermassen an den Pranger zu stellen, das ist für einen Formel-1-Fahrer ungewöhnlich.

Für seinen früheren Alfa Romeo-Sauber-Teamchef Fred Vasseur kam das aber nicht überraschend. «Was macht einen Rennfahrer herausragend? Es dreht sich grundlegend alles um das gottgegebene Talent, dann aber auch darum, was du daraus machst und wie du an deine Aufgaben herangehst. Ich kann mich an ein bestimmtes Rennen in der GP3 erinnern, da war Charles nachher sehr aufgebracht. Das Ergebnis war prima, er hatte eben gewonnen, die meisten anderen Fahrer wären mit sich selber sehr zufrieden gewesen. Nicht so Charles. Er sagte: ‘Heute bin ich nicht gut gefahren.’ Das habe ich nur mit einem anderen Piloten erlebt in meiner Karriere, mit Lewis Hamilton.»

Der härteste Kritiker von Charles Leclerc heisst Charles Leclerc. Vasseur: «Die grössten Piloten muss keiner antreiben, die verlangen von sich selber am meisten. Schau dir Vettel an oder Hamilton oder Alonso. Charles teilt mit ihnen ein scharfes Auge fürs Detail. Und selbst wenn er auf der Strecke mächtig Ellbogen ausfahren kann, so ist er doch ruhig und gesammelt abseits der Piste. Er ist sehr konstruktiv, seine Arbeit ist immer lösungsorientiert.»

Lewis Hamilton sagt: «Ich wäre mit mir selber auch so hart ins Gericht gegangen. So tickst du nun mal als Racer. Wenn du selber etwas verpatzt hast, dann haderst du mit dir selber. Vielleicht wirst du im Laufe der Jahre ein wenig nachsichtiger, aber der Schmerz bleibt. Ich weiss noch, wie mir das früher ging: Wenn ich mich wirklich saublöd angestellt habe, dann konnte es vorkommen, dass ich mich zwei oder drei Tage in meinem Zimmer vergraben habe. Ich kann mich gut in Charles einfühlen.»

Valtteri Bottas meint: «Wir Finnen sind in der Regel eher introvertierte Menschen. Wir tragen das nicht so in die Öffentlichkeit, wenn wir mit uns selber unzufrieden sind. Aber die Gedanken sind die gleichen.»

Sebastian Vettel: «Selbstkritik ist einer der Gründe, wieso wir es als Rennfahrer so weit gebracht haben.»

Leclerc grimmig: «Am Samstag war ich einfach nur dumm. Das wird mir eine Lehre sein. Nichts macht mich rasender als mir solch einen Fehler zu machen, unnötig, blöd, lächerlich.»

Am Donnerstag hatte Leclerc noch gesagt, damals in Bezug auf Defekte wie in Bahrain oder Stallorder: «Ich erlebe Enttäuschungen sehr intensiv, aber dann hake ich das ab und blicke nach vorne. Ich nehme eine Mütze voll Schlaf und stelle mich gewissermassen auf null. Ich komme mit frischer Positivität zur Rennstrecke zurück und lasse das Negative hinter mir.»

Die Eigenkritik von Leclerc hat sein Ansehen im Fahrerlager allgemein und bei Ferrari im Besonderen noch erhöht. Das für viele Rennfahrer oft aufgeschlagene Buch der 1000 Ausreden scheint jedenfalls nicht im Regal des Monegassen zu stehen.

Aus solchem Holz sind kommende Weltmeister geschnitzt.

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