Mattia Binotto: «Natürlich ist Ferrari-Motor legal»

Von Mathias Brunner
​Die Gegner von Ferrari vermuten: Beim 2019er Motor arbeiteten die Italiener mindestens im Graubereich der Regeln. Ferrari-Teamchef Mattia Binotto sagt: «So etwas wäre bei der ersten FIA-Prüfung ans Licht gekommen.»

Die Regelhüter des Automobil-Weltverbands FIA haben in Brasilien zugeschlagen: Die Benzinversorgung von drei Rennern wurde beschlagnahmt, darunter von Ferrari und vom Ferrari-Kunden Haas. Hintergrund: Vor dem Grand-Prix-Wochenende in Austin (Texas) hatte die FIA eine Klarstellung in Sachen Messung der Sprit-Durchflussmenge herausgegeben – mit Ferrari als Zielscheibe, wie viele im Fahrerlager bis heute überzeugt sind. In der Folge fiel auf, dass der grosse Speed-Vorteil von Ferrari in Texas weitgehend verflog. Das war Öl ins Feuer jener, die davon überzeugt sind, dass die Italiener mindestens in einer Grauzone des Reglements arbeiten.

Die von der FIA nie bestätigte Unterstellung besteht darin, dass Ferrari möglicherweise bei der Benzinversorgung eine Lücke im Reglement gefunden hat, um in bestimmten Situationen durch mehr Spritfluss mehr Leistung und damit eine bessere Beschleunigung zu erzeugen. Die Gegner können sich den gewaltigen Speed der roten Renner auf den Geraden nur zum Teil erklären. Ein windschlüpfiges Auto ist eines, aber Motorleistung etwas Anderes. Die FIA hat immer betont, dass der Ferrari legal sei. Sie wollte aber ein mögliches Schlupfloch im Reglement stopfen. So wie sie das im Laufe einer Saison in vielen Bereichen zu Dutzenden tut.

Ferrari-Teamchef Mattia Binotto meinte vor dem Rennwochenende in Amerika: «Wir sind da ganz entspannt. Ein Protest gegen Ferrari? Ja, gerne! Dann hört vielleicht mal das ganze dumme Gerede auf. Die Regelhüter der FIA schauen sind konstant alle Daten des Fahrzeugs an, sie prüfen die Motoren hinter den Kulissen, so wie sie das seit Jahren machen.»

Auf die technische Direktive 35/19 vor Austin folgte Ausgabe 38 vor dem Rennwochenende von Brasilien: In ihr ist präzisiert worden, dass keine wie immer geartete Flüssigkeit aus Bereichen wie Ladeluftkühler oder Energierückgewinnung in einen Brennraum gelangen darf. Die 38. Direktive der Saison 2019 ist damit ein enger Verwandter einer ähnlichen Klarstellung aus dem Jahre 2018 – damals machten die Regelhüter klar, dass es nicht erlaubt ist, Öl in Brennräume einzuspeisen, das eigentlich für die Kühlung vorgesehen wäre.

Ergebnis des Brasilien-Wochenendes: Ferrari war auf den Geraden schnell und in den Kurven soso-lala, der Unterschied war markanter als in Texas, aber nicht so gross wie zuvor. Ferrari-Teamchef Mattia Binotto begründete das in Brasilien gleich wie in den USA: Man habe für mehr Speed in den Kurven einen Teil des Vorteils auf den Geraden hergeschenkt.

Binotto blieb dabei: «Wir haben an unseren Motoren überhaupt nichts geändert aufgrund besagter Direktiven.»

Den Rennställen ist dann am 20. November mitgeteilt worden, dass die FIA in den Autos einen zweiten Durchfluss-Messer installieren will, um die maximale Menge von 100 Kilo Sprit pro Stunde nachhaltig zu kontrollieren. In Interlagos wurde die Benzinversorgung von drei Autos beschlagnahmt worden: von einem Ferrari, vom Ferrari-Kunden Hass sowie von einem dritten Team, das einen anderen Motorhersteller hat. Die beschlagnahmten Leitungen wurden jetzt von den FIA-Technikern auseinandergenommen. Seither ist seitens der FIA zu diesem Thema nichts mehr zu vernehmen. Frühere, vergleichbare Fälle zeigen: Wir werden nur dann etwas von der Rennpolizei hören, wenn bei den beschlagnahmten Teilen etwas auftaucht, was als illegal eingestuft werden muss.

Aber gemäss Ferrari-Teamchef Mattia Binotto gibt es eben nichts Illegals zu finden, wie er in seiner Medienrunde in Maranello versichert. «Wenn wir uns die ganze Saison anschauen, dann gibt es wohl kein Team, das so oft überprüft worden ist, wie Ferrari; und zwar vor und nach technischen Direktiven. Wenn du einen Leistungsvorteil hast, dann stehst du besonders unter der Lupe. Solche Prüfungen sind ganz normal, und sie sind auch gut, denn sie unterstreichen, dass dein Auto legal ist. Nach den technischen Direktiven wurden die Checks vervielfacht. Der FIA liegen alle Details darüber vor. Wir haben im letzten Teil der Saison nie auch nur das Geringste an der Einsatzweise des Motors geändert – unser Motor war zu jeder Zeit legal. Und wenn das nicht so gewesen wäre, so wäre das bei der ersten Prüfung ans Licht gekommen.»

Ferrari-CEO Louis Camilleri ist von den ganzen Mutmassungen gegen seine Firma enttäuscht: «Ferrari ist weltweit bekannt, wir sind an der Börse. Integrität und Ordnungsmässigkeit sind bei uns elementar. Ich finde, die Menschen sollten das in Betracht ziehen, wenn solche Verdächtigungen ausgesprochen werden.»

Und was ist nun in Abu Dhabi passiert?

Bei einer Stichprobe des FIA-Technikpolizisten Jo Bauer und seiner Kollegen kam heraus – die Spritmenge im Ferrari von Charles Leclerc und die von den Italienern gemeldete Zahl bezüglich obiger Menge unterschieden sich; «markant», wie der Deutsche in seinem Bericht festgehalten hatte. Bauer stützte sich auf die technische Direktive 12 der Saison 2019, in welcher festgelegt wird, in welcher Art und Weise vor dem Rennen die Spritmenge ermittelt wird und wie die Rennställe dabei vorgehen müssen. Vereinfacht erklärt: Die Teams sind verpflichtet, die Spritmenge jedes Fahrers zu melden. Die FIA macht dann Stichproben, ob dieser Wert der tatsächlich getankten Menge entspricht.

Zur Erinnerung: Wir haben für das GP-Jahr eine Maximalmenge von 110 Kilogramm Kraftstoff, die verbraucht werden darf. Klar tanken die Teams mehr als das: Schliesslich müssen die Wagen zum Vorstart fahren, die Einführungsrunde zurücklegen und am Schluss muss genügend Benzin im Tank sein, damit drei Proben genommen werden können. In der Regel beläuft sich das Plus an Benzin bei zehn bis fünfzehn Kilo.

Bauer hatte keine Wahl, als die Angelegenheit in die Hände der Rennkommissare zu legen, das sind beim Finale auf dem Yas Marina Circuit von Abu Dhabi Nish Shetty (Singapur), Dennis Dean (USA), Derek Warwick (England) und Mahir Badri (Vereinigte Arabische Emirate).

Die vier FIA-Kommissare gerieten dann jedoch in Not: Eine knappe Dreiviertelstunde vor dem Start zum Grossen Preis von Abu Dhabi war schlicht keine Zeit, um die Sachlage in Ruhe zu prüfen, und auf Verdacht gegen die Spritmenge seines Fahrzeugs kann kein Fahrer am Start gehindert werden. Logische Entscheidung der Regelhüter: Sie würden sich nach dem WM-Lauf mit dem Fall beschäftigen.

150 Minuten nach Rennschluss von 18.45 arabischer Zeit (15.45 Uhr in Europa) verkündete die FIA: Der Ferrari von Charles Leclerc bleibt in der Wertung, der Rennstall wird gebüsst mit 50.000 Euro.

Die FIA begründet: «Zwischen der vom Rennstall angegeben Spritmenge und dem bei der Stichprobe ermittelten Wert gab es einen Unterschied von 4,88 Kilogramm (6,6 Liter). Ferrari hat damit die falsche Spritmenge deklariert und Artikel 12.1.1 des Sport-Kodex gebrochen. Für diese unrichtige Angabe wird eine Busse in Höhe von 50.000 Euro verhängt. Ferrari hat das Recht auf Berufung.»

Die Regelhüter berufen sich auf den Bruch der technischen Direktive, das ist ein Vergehen gegen den Kodex. Hätten sie basierend auf dem technischen Reglement entschieden, hätte der Ferrari aus der Wertung genommen werden müssen.

Mattia Binotto sagt jetzt in Maranello: «Es gab vor Abu Dhabi jede Menge Messungen, und die haben immer gestimmt. Nur eine stimmte nicht, wir haben von der Abweichung erst erfahren, als wir nach Rennschluss das entsprechende Dokument vorgelegt erhielten. An diesem Punkt kannst du das nicht mehr nachprüfen, wegen des verbrauchten Kraftstoffs. Was damals passiert ist, bleibt für uns ein Rätsel.»

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