Formel 1: Carlos Sainz zurück zu Ferrari?

McLaren auf Kurs: Endlich mal wieder sympathisch

Von Andreas Reiners
McLaren ist endlich auf Kurs

McLaren ist endlich auf Kurs

McLaren stand lange für Erfolg und Dominanz, es herrschte aber auch eine eisige Stimmung. Nach trostlosen Jahren hat sich viel verändert. Vieles zum Guten.

Es gibt Fahrer, bei denen hat man eine bestimmte Ahnung. Ein Gefühl, dass es passen könnte. Dass da jemand heranreift, der in naher Zukunft der Formel 1 seinen Stempel aufdrückt. Lando Norris ist so jemand.

Er hat dieses Gesamtpaket, das vielen Piloten fehlt. Ein paar Kanten, ein loses Mundwerk, Humor. Und Speed. Entertainer auf der Strecke, aber auch am Mikrofon, bei Twitch im Livestream oder in Pressekonferenzen.

Norris verkörpert die neue Generation an Fahrern ebenso wie den Wandel bei McLaren, die Wiedergeburt des einstigen Weltmeisterteams. Die Verwandlung zu einer Mannschaft, die heute sogar Sympathien sammelt.

Eisern geführt

Früher war der von Ron Dennis eisern geführte Rennstall als Erfolgsmaschine bekannt, wenn auch als kalte. Achtmal wurde das Team Konstrukteursweltmeister, zwölfmal holte ein McLaren-Pilot den Titel, darunter Ikonen wie Niki Lauda, Alain Prost und Ayrton Senna. Sportlich hinkt der von Motorsport-Legende Bruce McLaren gegründete Rennstall den eigenen Ansprüchen aber hinterher, zuletzt gewann man dank Lewis Hamilton 2008 den Titel.

Dafür kommt McLaren jetzt mit neuem Image und neuen Gesichtern daher. Und einem neuen Auftreten. Mehr Demut, weniger Großkotzigkeit. Mehr Realismus, weniger Fantastereien.

So legte Norris nach dem Ungarn-GP selbst Hand an, nach der Rennbesprechung mit seinen Ingenieuren tauchte der Drittplatzierte des Österreich-GP in der Box auf und schnappte sich einen Schraubenschlüssel: «Ich finde einfach, die Belastung für Mechaniker und Ingenieure ist erheblich höher als für einen Fahrer. Denn sie verbringen so viel Zeit an der Rennstrecke, und sie waren nun drei Wochen lang auf Achse.»

«Ich wollte ein kleines Zeichen setzen, damit sie wissen: Ihr Wohlbefinden ist mir wichtig. So viel hängt an der tollen Arbeit der Mechaniker, angefangen bei den Reifenwechseln. Es liegt in ihrer Hand, ob sich eine Rennstrategie gut umsetzen lässt und wir Plätze gutmachen. Es ist mir daher wichtig, dass es allen gut geht; gerade in einer Phase, in welcher ein Rennen das nächste jagt.»

Generell kommt das Understatement an.

«Ich sehe Kommentare, dass wir jetzt ein spaßiges und liebenswertes Team sind», sagt Geschäftsführer Zak Brown: «Selbst in unseren Dominanzzeiten war sympathisch kein Wort, das man mit McLaren assoziiert hat. Gefürchtet, dominant, großartig, respektiert, ja. Aber sympathisch? Das ist jetzt ein positives Attribut von McLaren.»

Viele Veränderungen

«Es gab viele Veränderungen im Team, die in gewisser Weise alles frischer gemacht haben», sagt Norris, der 2019 seine erste Formel-1-Saison absolvierte.

Es war das erste richtige Jahr des Umbruchs. Von Motorenpartner Honda trennte man sich bereits Ende 2017, zur Saison 2019 kamen Norris, Carlos Sainz und Teamchef Andreas Seidl, der den Neuaufbau weiter vorantreiben sollte. Technikchef James Key stieß ebenfalls neu dazu und zeichnet für den aktuellen MCL35 verantwortlich.

Seidl hatte sich beim Formel-1-Projekt von BMW von 2000 bis 2009 den Ruf erworben, der richtige Mann für genau diesen Job zu sein: Ein Team auf- und umbauen, die richtigen Leute zu finden und deren Potenzial herauszukitzeln.

Ein Anführer, wie er lange gefehlt hat.

Der mit allen Befugnissen ausgestattet wurde und sie effektiv nutzt. Nach Jahren der Unruhe um Stinkstiefel Fernando Alonso, ausbleibender Erfolge und bisweilen peinlicher Auftritte und einer schmutzigen Honda-Scheidung ist endlich wieder Zug drin.
Und das offenbar nachhaltig.

Seidl steht für den Kurswechsel

Der Deutsche steht für die Neuausrichtung, den Kurswechsel, den Aufwind. Auch wenn er sich in den vergangenen Monaten vor allem auch als Krisenmanager bewähren musste, denn die Corona-Pandemie mit dem Lockdown traf den Rennstall sehr hart, es drohte sogar die Zahlungsunfähigkeit.

1200 Mitarbeiter mussten im gesamten Konzern gehen, 70 davon in der Formel-1-Sparte. Eine Geldspritze vom Persischen Golf sicherte das Überleben. Wie auch der aktuelle Erfolg, denn das Preisgeld wird in der Formel 1 nach der WM-Tabelle verteilt. Dort hat man es sich aktuell hinter Mercedes sogar als zweite Kraft gemütlich gemacht, Podiumsplätze inklusive.

«Wir haben noch viel vor uns in den nächsten Monaten», versichert Seidl. Rückschläge wie in Ungarn sind da freilich eingeplant.

Deshalb hat man auch bei ihm das Gefühl, dass es für McLaren tatsächlich passen könnte. Endlich mal wieder.

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