Niki Lauda über Jochen Rindt: «Wer ist dieser Irre?»

Von Gerhard Kuntschik
​Vor 50 Jahren stand die Formel 1 ganz im Zeichen des Draufgängers Jochen Rindt. Zeitzeugen erinnern sich an fabelhafte Siegesfahrten des Österreichers und an den schwarzen Tag von Monza.

1970: Der deutsche Staatsbürger Karl Jochen Rindt (28), in Graz aufgewachsen und mit österreichischer Lizenz unterwegs, dominiert die Formel 1. In Monaco hetzt er den dreifachen Champion Jack Brabham so lange, bis der Australier in der Schlussrunde in der Rascasse Nerven und Auto wegschmeisst. Rindt feiert den letzten Sieg des inzwischen leicht betagten Lotus 49.

Dann folgen vier Triumphe im revolutionären Lotus 72: Zandvoort mit Tränen für den tödlich verunglückten Freund Piers Courage, Clermont-Ferrand, Brands Hatch, Hockenheim mit dem Zentimeterduell gegen Jacky Ickx. Und dann der Ausfall ausgerechnet beim ersten Formel-1-WM-Lauf auf dem Österreichring.

Danach und vor Monza: Zwei von Tausenden Fans umjubelten weitere Auftritte in der Heimat, beim Stainzer Bergrennen (nein, wirklich!) wird er im Lotus 69 Zweiter, auf dem Salzburgring gewinnt er nach Ausfall im ersten den zweiten Formel-2-Lauf – der letzte Sieg am 30. August, vor dem er mit dem Seekirchner Manfred Kessler den «Club der Streckenfunktionäre» gründete.

Man stelle sich das heute vor: Lewis Hamilton bestreitet zum Spass den Hillclimb in Harewood!

Heute erscheint es aberwitzig, dass der WM-Führende der Formel 1 in unteren Klassen Rennen bestreitet, was schon vertraglich unmöglich wäre. Rindt soll in Stainz 70.000 Schilling Startgeld kassiert haben, in Salzburg waren es 200.000, wie ÖASC-Präsident Willy Löwinger im Gespräch mit dem Autor Jahre später zugab. Einen Formel-1-Topstar um (nach heutigem Wert) 71.000 Euro zu bekommen? Unmöglich.

Eine gebrochene Bremswelle am Lotus und das nicht völlig geschlossene Gurtsystem – Rindt befürchtete, bei einem damals so häufigen Feuerunfall nicht rechtzeitig aus dem Wagen zu kommen – besiegelten am 5. September um 15.25 Uhr in der Leitplanke vor der Parabolica von Monza sein Schicksal.

Wenn Niki Lauda (1949-2019) über Rindt sprach, kamen Erinnerungen in Top-Speed hoch.

Dass Lauda 1971 Kandidat um die Rindt-Nachfolge sein würde, hatte er damals noch nicht geahnt. Lauda fuhr am Monza-Wochenende Formel 3 in Zolder. Er erzählte, was damals passierte: «Am Samstag kam plötzlich ein Typ vorbei, den ich nicht kannte, und sagte: ‚Der Rindt ist tot.‘ Ich glaubte es nicht, hielt ihn für einen, der sich wichtigmachen wollte. Es liess mir aber keine Ruhe, ich versuchte bei der Fahrt ins Hotel einen Radiosender zu finden, der Nachrichten brachte. Dann musste ich es glauben.»

Gegen Jochen Rindt fuhr Lauda nie Rennen, aber er hatte Erlebnisse mit ihm. «1968, ich war 19, fuhr ich meine ersten Bergrennen im Mini, da war ich ein unbekannter Anfänger. Im Herbst machte Jochen in Wien-Aspern eine Präsentation für seine kommende Rindt-Show. Ich stand hinter dem Zaun unter Journalisten, als er auf mich zukam und mich ansprach. Dabei kannten wir einander bis dahin gar nicht. Aber er wusste schon Bescheid. Das hat mich schwer beeindruckt.»

Als Rindt in Brands Hatch den britischen Grand Prix gewann, fuhr Lauda dort das Formel-3-Rennen. «Ich schaute beim Formel-1-Training in einer Kurve zu, es regnete. Da kam einer im Regen mit unheimlichem Speed völlig quer daher. Ich dachte mir nur: ‚Wer ist dieser Irre?‘ Es war Rindt. Ich sehe die Szene vor mir, als wäre sie gestern gewesen.»

Jochen Rindt in der Formel 1

60 Grands Prix (von Österreich 1964–1970)
1964 mit Rob Walker Racing (Brabham)
1965 mit Cooper (4 Punkte, WM-13.)
1966 mit Cooper (22 Punkte, WM-3.)
1967 mit Cooper (6 Punkte, WM-13.)
1968 mit Brabham (8 Punkte, WM-12.)
1969 mit Lotus (22 Punkte, WM-4.)
1970 mit Lotus (45 Punkte, Weltmeister)

10 Pole-Positions
(Frankreich und Kanada 1968, Spanien, Niederlande, Grossbritannien, Italien und USA 1969, Niederlande, Grossbritannien und Österreich 1970)

6 Siege
(USA 1969, Monaco, Niederlande, Frankreich, Grossbritannien und Deutschland 1970)

13 Podestplatzierungen
(Abgesehen von den Siegen oben zweite Plätze in Belgien und USA 1966 sowie Italien 1969; dazu dritte Ränge in Deutschland 1966, Südafrika und Deutschland 1968 sowie Kanada 1969)

3 beste Rennrunden
(Spanien und USA 1969, Monaco 1970)

Weltmeister 1970

109 WM-Punkte

2521 Rennrunden

388 Führungsrunden


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