FIA-Kommissare: Williams, Toyota und Brawn legal!
Wenn es Abend wird in Melbourne: Brawn muss zur Kontrolle.
Die FIA-Rennkommissare Olafur Kristiann Gudmundsson (Island), Steve Chopping (Australien) und Radovan Novak (Tschechien) hatten keine leichte Aufgabe: Sie mussten am Donnerstag abend australischer Zeit entscheiden, ob die Proteste von Ferrari, Red Bull Racing und Renault stichhaltig waren und damit die Diffusoren der Fahrzeuge von Williams, Toyota und Brawn nicht dem Reglement entsprechen.
Allein die Anhörung der Repräsentanten nahm fast viereinhalb Stunden in Anspruch! Das Verdikt wurde einem knappen Dutzend Journalisten, das tapfer ausgeharrt hatte, erst um 23.49 Uhr Lokalzeit verkündet – die Kollegen von «Autosport» gehen mit uns überein, dass es sich hier um einen neuen Rekord handeln dürfte: So spät nach einem Training, einem Rennen oder einer Abnahme wurde noch nie ein Urteil gefällt!
Und das Urteil lautet knackig: Die Rennkommissare kommen nach Anhörung aller Beteiligten zu dem Schluss, dass die betroffenen Fahrzeuge dem Reglement entsprechen.
Was die FIA nicht verriet: Beanstandet wurden Öffnungen und Übergänge im komplexen Inneren des Diffusors, des zum Heck aufsteigenden Endes des Bodens.
Diese Lösungen, vereinfacht formuliert ein Doppeldecker-Diffusor, erzeugen mehr Abtrieb im Heck, führen damit zu einer nachhaltigeren Saugnapfwirkung, ferner dazu, dass dank dieser Saugnapfwirkung auch mit weniger aerodynamischer Downforce über die Flügel, will heissen mit windschlüpfigerem Auto gefahren werden kann, was wiederum die Topspeed erhöht.
Die Protestierenden pochten auch auf Artikel 2.4. der Technischen Regeln der Formel 1: Dort wird unter anderem erklärt, dass ein Hersteller bei Unklarheiten seine Vorstellungen einer neuen Lösung der Technischen Abteilung der FIA unterbreiten muss. Der Hersteller – und das ist der Knackpunkt – muss ferner erklären, welche Folgen diese neue Lösung haben wird. Besonders im Falle von Brawn hätte ein Hinweis auf die markante Leistungssteigerung deponiert werden müssen.
Ferner wurde von den Protestierenden verwiesen, dass die Diffusor-Lösungen von Williams, Brawn und Toyota nicht dem Geiste des Reglements entsprächen. Das Reglement zielte auf eine Halbierung des aerodynamischen Abtriebs. Aero-Fachleute schätzen, dass die Verringerung am Brawn jedoch nicht bei 50 Prozent lag, sondern eher im Bereich von 20 Prozent.
Wieso kamen eigentlich ausgerechnet diese drei Rennställe, aber keine anderen auf den Unterboden-Trick?
Im Fahrerlager macht die Runde: die Idee kam von einem Honda-Aerodynamiker, der nach dem Rückzug der Japaner aus der Formel 1 zu Toyota zog. Die Idee blieb natürlich bei Honda, nun Brawn. Bei Toyota, und damit auch bei Toyota-Motorenpartner Williams, wurde dann der Einfall erneut umgesetzt ...
Was passiert nun?
Nachdem die Diffusoren vom Kommissaren-Trio nun als legal eingestuft worden sind, werden Williams, Toyota und Brawn damit in Australien fahren. Es gilt als sicher, dass Ferrari, Renault und Red Bull Racing gegen das Urteil Berufung einlegen werden.
Passiert das tatsächlich, dann muss die FIA ihr Berufungsgericht einberufen. Das wird nicht vor dem Malaysia-GP (5. April) tagen. Das Berufungsgericht (bestehend aus Zivilrichtern) wird das endgültige Urteil fällen, gegen das kein Rekurs eingelegt werden kann.
Sollten Williams, Toyota und Brawn dort erneut Recht bekommen, dann müsste die Konkurrenz nachrüsten. BMW-Motorsportchef Dr. Mario Theissen vermutet: «Darauf zu reagieren, wird uns einige Rennen kosten.»