Marcus Ericsson: GP-Aussteiger wird Indy-500-Sieger
Marcus Ericsson mit seiner Freundin Iris
Es ist schon bemerkenswert, wie die Indycar-Serie und speziell der Höhepunkt, die 500 Meilen von Indianapolis, seit einigen Jahrzehnten ein völlig anderes Gesicht zeigen als in den Dekaden davor. Von der fast rein US-amerikanischen Angelegenheit wandelte sich speziell das Indy 500 zum gelobten Land für Fahrer, die es in Europa nicht in die Formel 1 schafften oder dort nach mehr oder weniger erfolgreichen Jahren ausgebootet wurden.
Das jüngste Beispiel ist der Schwede Marcus Ericsson, der am 29. Mai bei der 106. Auflage eiserne Nerven bewies: Im Finish mit bis zu drei Sekunden Vorsprung (dem größten des Rennens) in Führung, dann aber der Abbruch nach dem Unfall von Ganassi-Teamkollegen und NASCAR-Ikone Jimmy Johnson.
Der Neustart erfolgte zu Beginn von Runde 199, also acht Kilometer vor dem Ziel. Der 31-jährige Ericsson bewies in seiner vierten Indycar-Saison Routine und Nerven, wie er Pato O’Ward und den Rest der Verfolger mit «weaving» (Spurwechseln) auf Distanz halten konnte – was im Oval gängige Taktik ist und nicht wie. in der Formel 1 bestraft wird. 1,8 Sekunden betrug der Vorsprung am Ende nach 2:51 Stunden Renndauer.
Danach musste sich Ericsson im «Winner’s Circle» wiederholen. «Ich kann es nicht glauben», sagte er andauernd, den Kopf schüttelnd, zwischendurch die traditionelle Flasche Milch konsumierend (ein wenig trinken, etwas mehr über den Kopf schütten). «Ich wusste, auch in zwei Runden kann noch so viel passieren, ich fürchtete eine weitere Gelbphase. Mein Ganassi-Honda war fantastisch, aber ich hatte alle Hände voll zu tun, die Verfolger hinter mir zu halten.»
Marcus Ericsson aus Örebro, mit dem man über Eishockey und seinen SHL-Club Örebro HK fast genauso gut plaudern kann wie über Motorsport, hat sich den Triumph in Indy als zweiter Schwede nach Kenny Bräck 1999 hart erarbeiten müssen.
Seine Formel-1-Karriere dauerte ein Jahr bei Caterham (2014) und vier Saisons bei Sauber/Alfa Romeo (2015–2018), da kam er auf 18 Punkte in 97 Rennen. In Monza 2018 lieferte er den Stunt des Jahres, als sein Wagen im Training am Ende der Zielgeraden nach einem DRS-Problem in die Begrenzung schleuderte und sich mehrfach überschlug. Marcus blieb unverletzt.
2019 durfte er bei Alfa noch als Reservist dabei sein, nützte aber seine Chance bei Schmidt Peterson Motorsports mit einem Podestrang (2.) im achten IndyCar-Rennen in Detroit.
2020 wechselte er zu Chip Ganassi, für den er 2021 die Straßenrennen in Detroit und Nashville gewann. Und nun also im Highspeed-Oval der dritte Sieg im wichtigsten von allen Rennen. Sein Manager, der zur Rettung der Karriere beitrug, ist der frühere Formel-2-Spitzenpilot Eje Elgh, Ex-Le-Mans-Partner von Roland Ratzenberger.
Zwischen der Premiere 1911 und 1988 kamen nur sieben Indy-500-Sieger aus Europa (je drei Franzosen und drei Briten, ein Italiener), sonst siegten US-Piloten.
Mit Emerson Fittipaldi, dessen Karriere in der CART-Serie (heute IndyCar) genauso erfolgreich verlief wie in der Formel 1 zuvor, begann 1989 die Zeit der Ausländer.
Es folgten die zwei Triumphe des «Flying Dutchman» Arie Luyendyk, der Schwede Kenny Bräck, die vier Erfolge des Brasilianers Hélio Castroneves (der zum Spiderman wurde, weil er den Fans zujubelte, nachdem er den Zaun erklommen hatte), dessen Landsleute Gil de Ferran und Tony Kanaan, die Briten Dario Franchitti (drei Siege) und Dan Wheldon, der Kolumbianer Juan Pablo Montoya (je 2), der Kanadier Jacques Villeneuve, der Japaner Takuma Sato (2), der Australier Will Power, der Franzose Simon Pagenaud und natürlich der Neuseeländer Scott Dixon. Seit 1999 feierten US-Amerikaner nur vier Siege in Indianapolis!
Lediglich für Villeneuve (1995) und Montoya (2000) waren die Indy-Siege ein Sprungbrett in die Formel 1. Luyendyk, Bräck, Pagenaud, Wheldon und die Südamerikaner kamen in Europa höchstens in die Formel 3000, schafften aber die F1-Premiere nicht – etablierten sich aber stattdessen in den USA.
Ericsson ist nach Fittipaldi, Montoya, Sato und dem Gewinner der 100. Auflage 2016, Alexander Rossi (USA), der fünfte Fahrer der Neuzeit mit einem Indy-Triumph nach der F1-Karriere.
Der amerikanische Teamchef Chip Ganassi – einer der großen Drei neben Roger Penske und Michael Andretti – bejubelte seinen fünften Indy-500-Sieg. Wie bei Ericsson verdankte er die anderen vier ebenfalls Ausländern: Fittipaldi 1989, Montoya 2000, Dixon 2008 und Franchitti 2010/2012.
Indy 500 (alle Fahrer mit Dallara-Chassis)
1. Marcus Ericsson (S), Chip Ganassi Racing, Honda, 200 Runden
2. Pato O’Ward (MEX), Arrow McLaren SP, Chevrolet, 1,7929 sec zurück
3. Tony Kanaan (BR), Chip Ganassi Racing, Honda, 3,5173
4. Felix Rosenqvist (S), Arrows McLaren SP, Chevrolet, 4,1267
5. Alexander Rossi (USA), Andretti Autosport, Honda, 4,9804
6. Conor Daly (USA), Ed Carpenter Racing, Chevrolet, 5,0799
7. Hélio Castroneves (BR), Meyer Shank Racing, Honda, 6,5614
8. Simon Pagenaud (F), Meyer Shank Racing, Honda, 7,0937
9. Álex Palou (E), Chip Ganassi Racing, Honda, 8,2446
10. Santino Ferrucci (USA), Dreyer & Reinbold Racing, Chevrolet, 9,8329
11. Juan Pablo Montoya (COL), Arrow McLaren SP, Chevrolet, 10,7647
12. J.R. Hildebrand (USA), A.J. Foyt Enterprises, Chevrolet, 11,6554
13. Josef Newgarden (USA), Team Penske, Chevrolet, 11,8276
14. Graham Rahal (USA), Rahal Letterman Lanigan Racing, Honda, 12,4253
15. Will Power (AUS), Team Penske, Chevrolet, 13,3036
16. David Malukas (USA), Dale Coyne Racing/HMD Motorsports, Honda, 13,6283
17. Kyle Kirkwood (USA), A.J. Foyt Enterprises, Chevrolet, 14,5864
18. Ed Capenter (USA), Ed Carpenter Racing, Chevrolet, 15,5602
19. Devlin DeFrancesco (CDN), Andretti Steinbrenner Autosport, Honda, 15,8218
20. Christian Lundgaard (DK), Rahal Letterman Lanigan Racing, Honda, 16,3308
21. Scott Dixon (NZ), Chip Ganassi Racing, Honda, 18,1238
22. Marco Andretti (USA), Andretti Herta Autosport, Honda, 25,2002
23. Sage Karam (USA), Dreyer & Reinbold Racing, Chevrolet, 1 Runde zurück (Unfall)
24. Jack Harvey (GB), Rahal Letterman Lanigan Racing, Honda, -1
25. Takuma Sato (J), Daly Coyne Racing/Rick Ware Racing, Honda, -1
26. Dalton Kellett (CDN), A.J. Foyt Enterprises, Chevrolet, -2
27. Stefan Wilson (GB), DragonSpeed/Cusick Motorsports, Chevrolet, -2
28. Jimmie Johnson (USA), Chip Ganassi Racing, Honda (Unfall), -7
29. Scott McLaughlin (NZ), Team Penske, Chevrolet (Unfall), -50
30. Colton Herta (USA), Andretti Autosport/Curb-Agajanian, Honda (Handling), -71
31. Romain Grosjean (F), Andretti Autosport, Honda (Unfall), -95
32. Callum Ilott (GB), Juncos Hollinger Racing, Chevrolet (Unfall), -132
33. Rinus VeeKay (NL), Ed Carpenter Racing, Chevrolet (Unfall), -162