Formel 1: Neues Punktesystem wird diskutiert

Alarm der GP-Stars: Angst vor bleibenden Schäden

Von Adam Cooper
George Russell, Carlos Sainz und Pierre Gasly

George Russell, Carlos Sainz und Pierre Gasly

Die Piloten sind über das Verhalten der 2022er-Rennwagen besorgt. Sie fürchten um ihre Gesundheit, wenn das lästige Hüpfen der Autos nicht ausgemerzt wird. Reagiert der Autosport-Weltverband FIA?

Ferrari-Fahrer Carlos Sainz und Mercedes-Pilot George Russell waren die ersten beiden Fahrer, welche thematisierten: Sie haben Angst vor bleibenden Schäden für Nacken und Rücken, wenn dieses extreme Hüpfen der 2022er-Rennwagen («bouncing» oder «porpoising») nicht behoben werden kann. Bis zum GP-Wochenende von Baku schwiegen viele andere Piloten, weil ihre Rennwagen von diesem Phänomen weniger betroffen waren.

Ferrari-Pilot Carlos Sainz gibt offen zu: «Ich spüre die Auswirkungen jetzt schon. Und ich brauche keine Experten, die mir sagen, dass jahrelanges Fahren mit dieser Hoppelei Mobilität und Flexibilität beeinträchtigen werden. Ich bin wirklich austrainiert, aber ich hatte noch nie solche Mühe, einen Formel-1-Rennwagen zu lenken. Ich kann mir vorstellen, dass andere Fahrer nichts dazu sagen, weil sie nicht schwach erscheinen wollen.»

«Es wird der Punkt kommen, an welchem die FIA eingreifen muss. Denn ich weiss, dass viele Piloten Probleme haben.»

Formel-1-Champion Lewis Hamilton gab in Aserbaidschan zu, dass er jeden Tag am Rücken behandelt werden muss, mit Massagen und Akupunktur. Im Aserbaidschan-GP meldete er sich am Funk zu Wort und sagte: «Mein Rücken bringt mich um.» Nach dem Grand Prix musste ihm beim Aussteigen aus dem Wagen geholfen werden, und er ergänzte: «Noch nie hatte ich in einem Formel-1-Auto solche Schmerzen.»

Carlos Sainz in Baku: «Wir sind nun an einem Punkt angelangt, an welchem wir Fahrer sagen – wir müssen etwas tun. Wollen wir wirklich auf Jahre hinaus so fahren? Das bezweifle ich. Also haben wir den Autosport-Weltverband FIA gebeten, sich der Sache anzunehmen. Sie sollen nicht auf die Teams hören, sie sollen auf uns Fahrer hören.»

Der Madrilene Sainz ist lange genug, um zu wissen, dass «Bouncing» auch zum politischen Zankapfel werden kann: Wenn Teams, die von diesem Phänomen stärker betroffen sind, nach Änderungen rufen, während andere Rennställe, deren Autos weniger hüpfen, vorschützen, alles sei in bester Ordnung. Carlos Sainz: «Jeder hat seine eigene Meinung, aber vor allem verfolgt jeder seine eigenen Interessen.»

Der WM-Fünfte von 2021 weiter: «Wir finden einfach – ist es wirklich nötig, dass wir am Ende jedes WM-Laufs zwanzig Fahrer mit Rückenschmerzen haben? Wir müssen doch technisch versiert genug sein, um hier eine Lösung zu finden und nicht die Karrieren von jungen Piloten zu riskieren. Ich denke nicht, dass es eine einfache Lösung gibt, aber wir müssen jetzt an die Gesundheit der Piloten denken.»

Lewis Hamilton: «Was derzeit passiert, ist in unseren Fahrerbesprechungen ein grosses Thema. Keiner von uns will ein solches Verhalten der Autos auf Jahre hinaus.»

Und auch andere Piloten schalten sich ein. Alpine-Fahrer Esteban Ocon: «Ich will nicht wie eine Diva klingen, aber die Autos sind wirklich mühselig zu fahren. Auf die Dauer ist das ungesund. Die Renner sind einfach zu steif abgestimmt, auf den Geraden trifft der Wagen dann auf Bodenunebenheiten, auf solch heftige Schläge bist du nicht vorbereitet.»

AlphaTauri-Fahrer Pierre Gasly: «Ich habe jetzt schon Probleme mit den Bandscheiben. Wir haben null Federweg mehr. Das Team fragt mich: ‘Können wir in Sachen Abstimmung Kompromisse eingehen?’ Und ich stelle Leistungsfähigkeit des Autos vor meine Gesundheit. Aber ich finde das letztlich nicht richtig. Wenn das so weitergeht, dann werden wir Fahrer mit dreissig Jahren erleben, die am Stock gehen.»

Der achtfache GP-Sieger Daniel Ricciardo: «Die Wirbelsäule wird von diesen Schlägen komprimiert, überall tut es weh. Auch die Frequenz der Schläge ist extrem für Gehirn und Wirbelsäule. Als ich mich nach dem Baku-GP aus dem Wagen schälte, war es wie ein Schock. Klar können wir auf die Zähne beissen, aber wir sollten in diesem Punkt nicht naiv oder ignorant sein. Denn sonst riskieren wir bleibende Schäden.»

Was nun also?

Die Fachleute der FIA sich des Problems bewusst. Aber technische Regeln können nur entweder mit Einwilligung aller Rennställe geändert werden. Oder, ohne Zustimmung der Teams, aus Gründen der Sicherheit.

Fakt ist: Diese Flügelautos mit ihren Niederquerschnittreifen haben nun mal eine gewisse Handlings-Charakteristik. Sie müssen sehr hart abgestimmt werden, um ideal zu funktionieren. Die Frage wird sein: Gibt es Mittel und Wege, um für 2023 das Leben der Fahrer einfacher zu machen?

Mercedes-Fahrer George Russell: «Es gab eine Ära im Fussball, da waren die Bälle sehr schwer, und eine Studie ergab – wenn wir nichts tun, dann werden viele Spieler Folgeschäden am Gehirn aufgrund zu vieler Kopfbälle mit diesem Material haben. Die Formel 1 ist doch ein echtes Zentrum von Innovation, also müssten wir in der Lage sein, eine wissenschaftlich fundierte Lösung für dieses Problem zu finden.»

Aserbaidschan-GP, Baku

01. Max Verstappen (NL), Red Bull Racing, 1:34:10,268 h
02. Sergio Pérez (MEX), Red Bull Racing, +20,823 sec
03. George Russell (GB), Mercedes, +45,995
04. Lewis Hamilton (GB), Mercedes, +1:11,679 min
05. Pierre Gasly (F), AlphaTauri, +1:17,299
06. Sebastian Vettel (D), Aston Martin, +1:24,099
07. Fernando Alonso (E), Alpine, +1:28,596
08. Daniel Ricciardo (AUS), McLaren, +1:32,207
09. Lando Norris (GB), McLaren, +1:32,556
10. Esteban Ocon (F), Alpine, +1:48,184
11. Valtteri Bottas (FIN), Alfa Romeo, + 1 Runde
12. Alex Albon (T), Williams, + 1 Runde
13. Yuki Tsunoda (J), AlphaTauri, + 1 Runde
14. Mick Schumacher (D), Haas, + 1 Runde
15. Nicholas Latifi (CDN), Williams, + 1 Runde
Out
Lance Stroll (CDN), Aston Martin
Kevin Magnussen (DK), Haas
Guanyu Zhou (RC), Alfa Romeo
Charles Leclerc (MC), Ferrari (Motor)
Carlos Sainz (E), Ferrari (Hydraulik)

Fahrer-WM (nach 8 von 22 Rennen)

01. Verstappen 150 Punkte
02. Pérez 129
03. Leclerc 116
04. Russell 99
05. Sainz 83
06. Hamilton 62
07. Norris 50
08. Bottas 40
09. Ocon 31
10. Gasly 16
11. Alonso 16
12. Magnussen 15
13. Ricciardo 15
14. Vettel 13
15. Tsunoda 11?
16. Albon 3
17. Stroll 2
18. Zhou 1
19. Schumacher 0
20. Nico Hülkenberg (D) 0
21. Latifi 0

Stand Konstrukteurs-Pokal

01. Red Bull Racing 279 Punkte
02. Ferrari 199
03. Mercedes 161
04. McLaren 65
05. Alpine 47
06. Alfa Romeo 41
07. AlphaTauri 27
08. Haas 15
09. Aston Martin 15
10. Williams 3

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