Kanada-GP von Montreal ausverkauft: 320.000 Fans!
Weltmeister Fernando Alonso spricht seinen Fahrerkollegen aus dem Herzen: «Ich komme deshalb so gerne nach Montreal, weil die hier wirklich den Eindruck hast, dass eine Stadt die Formel 1 umarmt. Die ganze Stadt steht unter Strom, die Tribünen sind proppevoll, das macht richtig Laune.»
Das gilt auch für die Kanada-GP-Ausgabe 2022, nach drei Jahren Pause wegen der Corona-Pandemie. Im Gespräch mit einigen Rennbesuchern ist zu spüren: Die Fans sind richtig ausgehungert und sehnten sich nach der Rückkehr zur Rennstrecke auf der Insel Notre-Dame.
Gut die Hälfte der Fans kommt gemäss Angaben der Organisatoren aus der Provinz Québec (die Hälfte davon wiederum aus dem Grossraum Montreal). Gut 20 Prozent aus dem restlichen Kanada. Weitere 20 Prozent reisen aus den USA an. Nur knapp jeder zehnte Besucher stammt von ausserhalb Nordamerikas.
Ich reise seit 1982 zum kanadischen Grand Prix und teile den Eindruck von Fernando Alonso. Überall in der Stadt stolpert ein Besucher über Rennsport, fast kein Schaufenster ohne Hinweis auf die Formel 1, ganze Strassenzüge werden gesperrt, um Feste zu feiern und Renn- oder Supersportwagen auszustellen, die Partys in der Rue Crescent sind legendär, laut und lang. Wer in Montreal nicht bemerkt, dass der Grand-Prix-Zirkus in der Stadt ist, der sollte vielleicht sicherheitshalber mal seinen Puls fühlen.
François Dumontier als Promoter hat begriffen: Werbung ist alles. Und Mund-zu-Mund-Propaganda ist die beste Werbung. Die Infrastruktur am Circuit Gilles Villeneuve ist bewährt, die meisten Fans verlassen die Strecke happy – und kommen in den folgenden Jahren zurück.
2016 beschritt Dumontier, neue Wege zu beschreiten: Um noch mehr Fans anzulocken, senkte er die Preise, im Schnitt um 15 Euro pro Eintrittskarte. Der Kartenverkauf für 2016 begann extrem früh, wer sich für für ein Ticket entschied, erhielt später ein Rennprogramm gratis hinzu.
François Dumontier hat ebenfalls verstanden: Die Formel 1 hat ein Nachwuchsproblem. Also sind Familienzonen eingerichtet worden, die besonders auf Paare mit Kindern zugeschnitten sind. François erzählt: «Ich dachte mir – wir müssen es schaffen, unser Produkt den Kindern und Jugendlichen vorzustellen. Denn sie sind die Kunden von morgen.» Damit liegt er genau auf der Wellenlänge von Formel-1-CEO Stefano Domenicali.
Nach dem Formel-1-Abschied von Jacques Villeneuve war Kanada jahrelang ohne GP-Piloten. Dumontier wurde erfinderisch: So organisierte er einen Formel-Ford-Einsatz von Jacques Villeneuve senior, dem Bruder des 1982 tödlich verunglückten Ferrari-Idols Gilles Villeneuve und Onkel des 1997er Formel-1-Champions Jacques Villeneuve. Jacques, der Ältere, bedankte sich als rüstiger Ü60 mit zwei Siegen in der Seniorenklasse und balgte sich zur Gaudi der Fans mit Piloten, die seine Enkel sein könnten.
Der in Montreal geborene Lance Stroll, so hoffte Dumontier, würde für den Kanada-GP auf Jahre hinaus zum Fan-Magneten. Ein GP-Sieger namens Stroll beim Heimrennen, das wäre für Dumontier die Krönung seiner Arbeit, aber dazu müsste Aston Martin etwas nachlegen. Auch der zweite Kanadier im Feld, Nicholas Latifi (in Montreal geboren, in Toronto aufgewachsen) hat mit Williams kein siegfähiges Auto.
François Dumontier gibt zu: «Klar sind die Fans nicht ganz so verrückt wie damals zur Ära von Gilles und Jacques Villeneuve, aber wir spürten einen starken Anstieg des Interesses, als Lance in die Formel 1 kam.»
Von der übernatürlichen Fahrzeugbeherrschung Gilles Villeneuves und dem Charisma des früheren Ferrari-Stars ist Stroll meilenweit entfernt. Dennoch darf sich Dumontier freuen: Bei der Rückkehr nach Montreal sind sämtliche Karten verkauft worden, 320.000 Fans auf den Tribünen. Der Vorverkauf für 2023 zu attraktiven Konditionen beginnt einen Tag nach dem Grand Prix, am 20. Juni.