Horror-Crash Guanyu Zhou: «Meine grosse Angst? Feuer»
Es waren bange Momente: Minutenlang waren vom schlimmen Unfall des Chinesen Guanyu Zhou (Alfa Romeo) keine Bilder zu sehen, das ist in der Formel 1 immer ein Alarmzeichen. Denn in den letzten Jahren hat sich eingebürgert – Bilder werden so lange nicht gezeigt, bis feststeht, dass der Fahrer in Ordnung ist.
Es grenzt an ein Wunder und ist Zeichen der unermüdlichen Arbeit des Autosport-Weltverbands für mehr Sicherheit: Der 23-Jährige aus Shanghai hat den Horror-Crash unbeschadet überstanden. Im Fahrerlager des Red Bull Rings spricht er über den Unfall im britischen Grand Prix – als es zwischen George Russell (Mercedes) und Pierre Gasly (AlphaTauri) zu einer Berührung kam, sich der Mercedes in den Weg von Zhous Auto drehte und den Alfa Romeo aushebelte.
Was ist dann an Bord passiert? Zhou nimmt uns auf diese Frage von SPEEDWEEK.com mit eine einen Höllenritt: «Zunächst spürte ich einen Schlag, ich wusste nicht mal, wer mich berührt hatte. Als der Überschlag begann, nahm ich meine Hände vom Lenkrad. Denn ich wusste, früher oder später werde ich wo einschlagen, und dann kannst ganz leicht ein verletztes Handgelenk zuziehen.»
«Dann rutschte ich eine ziemlich lange Zeit kopfüber auf dem Asphalt und ich merkte – das Auto wird nicht langsamer, also wird der Einschlag ziemlich übel sein. Ich versuchte, mich im Auto so klein als möglich zu machen. Ich versuchte, meine Hände und Arme so nahe am Körper zu halten wie möglich, damit sie beim kommenden Aufschlag nicht unkontrolliert herumgeschlagen werden.»
«Als der Wagen liegenblieb, wusste ich nicht, wo ich war. Ich spürte Flüssigkeit an meinem Bein, und mir war nicht klar – ist das mein Blut oder kommt das vom Auto?»
«Der Motor lief noch immer! Also schaltete ich das Triebwerk aus. Meine grösste Angst war Feuer. Ich war mir noch immer nicht ganz bewusst, wie seltsam eingeklemmt mein Auto liegt, aber ich wusste: Wenn es zu brennen beginnt, dann wird es ganz schwierig, schnell aus dem Wagen zu kommen.»
«Wo der Wagen wirklich lag, das merkte ich erst später, als ich Bilder vom Unfall sah.»
Wie kam Zhou aus dem Wagen? «Sagen wir, ich schlägelte mich aus dem Wagen, die Streckenposten und das medizinische Personal halfen mir. Der erste Streckenposten am Wagen sprach mich an, ob alles okay sei, und ich zeigte ihm den Daumen hoch. Daraufhin zeigte er oben auch den Daumen hoch.»
«Dass George Russell zur Unfallstelle eilte, davon hörte ich erst später. Ich habe mich dann am Sonntagabend mit ihm in Verbindung gesetzt und mich für diese sportliche und edle Geste bedankt.»
Welche Lehre zieht Zhou aus dem Unfall? «Generell war das der schlimmste Unfall, den ich erlebt habe. Wenn es etwas gibt, das ich an jener Stelle ändern würde: Es kann nicht sein, dass dort eine schmale Lücke zwischen Zaun und Leitschiene ist. Eine grössere Lücke, und das Auto fällt herunter, auf die Räder oder kopfüber. Keine Lücke, und mein Auto bleibt auf den Reifenstapeln liegen. Aber so eingeklemmt zu werden, das sollte es eigentlich nicht geben dürfen.»
«Mir ist klar, dass ich riesiges Glück hatte. Ich habe am Sonntagabend gesagt, dass der Halo mein Leben gerettet hat, und dabei bleibe ich.»
Wie fühlt sich Zhou heute? «Am Montag nach dem Rennen fühlte ich mich ein wenig steif, mit einigen Prellungen. Aber heute fühle ich mich ganz normal.»
«Ich bin froh, dass wir gleich wieder ein Rennen haben. Dann beginnst du nicht, über einen solchen Crash zu grübeln. Hätte ich den vor einer Sommerpause gehabt, dann wäre das mental nicht gesund gewesen.»
Guanyu sagt: «Am schlimmsten fand ich nach dem Crash, dass meine ganze Familie da war. Meine Mutter begleitet mich oft, aber mein Vater und meine Schwester sind nur selten vor Ort. Und sie mussten das alles durchleben. Es tut mir leid, dass ich ihnen so viel Angst gemacht habe.»
Typisch Racer: Zhou dachte schon bald wieder ans Fahren. «Ich habe mein Team gefragt, ob mein Sitz und mein Motor heil sind. Ich dachte schon ans GP-Wochenende von Österreich. Es ist nicht ganz einfach, einen gut passenden Sitz zu machen, also wollte ich sicher sein, dass ich meinen behalten kann.»
Und was ist mit dem Motor? «Der wird derzeit noch immer bei Ferrari untersucht.»
Wie verbrachte der Chinese den Sonntagabend? Guanyu beginnt zu lachen: «Ich bin falsch abgebogen und stand auf der M1 in einem Stau. Es war ein wenig bizarr – von einem Highspeed-Crash mit einem Formel-1-Rennwagen zum Stillstand mit Tausenden von Fans in einen Stau.»