1. Training Ungarn-GP: Sainz 1., Haas kopiert Ferrari
Formel-1-Champion Max Verstappen hat vor dem ersten Training festgehalten: «Das wird eine Reise ins Unbekannte, denn so wie es aussieht, wird es am Samstag regnen. Am Sonntag könnte es aber wieder schön sein.»
Die ungarischen Meteorologen bestätigen: Gewitter am Samstagmorgen, Regenwahrscheinlichkeit im dritten Training bei 60 Prozent und beim Qualifying bei immerhin 50 Prozent. Die Temperatur sinkt von 35 Grad im Schatten (Freitag) auf 28 und am Sonntag auf 25 – beim Rennen soll es trocken bleiben.
Fahrer und Rennställe müssen also darauf gefasst sein, dass die Grundlagenarbeit am Freitag zu anderen Bedingungen erledigt werden muss als sie am Samstag und Sonntag vorfinden werden. Das macht die Abstimmung noch kniffliger.
Nur wenige Tage nach dem Formel-1-Wochenende von Frankreich brachten die Teams diese Verbesserungen mit:
Mercedes-Benz mit optimierten Luftleit-Elementen am Halo, neuen Abschlusskanten des Heckflügels (für maximalen Abtrieb), dazu gibt’s einen verbesserten Zusatzflügel über dem Getriebe. Der gleiche Zusatzflügel ist auch bei Red Bull Racing anders gestaltet worden. Ferrari meldete: keine Verbesserungen am Auto von Leclerc und Sainz. Nichts Neues auch bei Williams.
McLaren mit verbesserter Bremsbelüftung an der Vorderachse und einem veränderten Diffusor (dem aufsteigenden Ende des Bodens), um mehr Abtrieb zu erzeugen. Alpine mit neuem Zusatzflügel über dem Getriebe (dem so genannten «beam wing»). AlphaTauri mit frisch geformten Endplatten des Heckflügels, neuer Heckflügel auch bei Aston Martin, samt eigenwilligem, schneckenförmigen Abschluss der Endplatte, neuer Boden beim Alfa Romeo.
Am meisten Aufmerksamkeit zog das Evo-Paket bei Haas auf sich, mit dem auf dem Hungaroring nur Kevin Magnussen fährt (Mick Schumacher muss sich bis Belgien gedulden): Boden, Diffusor, Motorabdeckung, Kühlrippen, Verkleidung der Hinterradaufhängung, Kühleinlässe der Hinterradbremse – alles neu.
Der leitende Ingenieur Ayao Komatsu: «Generell ist unser Paket eine konsequentere Auslegung des 2022er Reglements, mit zwei Schwerpunkten – mehr Abtrieb und weniger Sensibilität des Autos auf Veränderungen der Bodenfreiheit. Dazu haben wir den Unterboden und dessen Kanten anders geformt.»
Der Japaner weiter: «Die Motorverkleidung schmiegt sich enger an und erlaubt einen effizienteren Luftfluss zu den abtriebserzeugenden Elementen wie Diffusor und Heckflügel. Die Kühlrippen sind anders geformt und angeordnet, um den Luftfluss zum Heck weniger zu beeinträchtigen. Das gilt auch für die Verkleidungen der Hinterradaufhängung. Die neuen Zusatzflügel an der Hinterradbremse garantieren einen sauberen Luftfluss, gerade in der Interaktion im heiklen Bereich des Heckflügels, sowie mehr Abtrieb.»
Das wirkt alles sehr wie Ferrari, und Haas-Teamchef Günther Steiner sagt: «Wir sehen drei Konzepte da draussen, von Red Bull Racing, von Mercedes, von Ferrari. Wir stehen Ferrari nahe, wir verwenden Motor, Getriebe und Aufhängung von ihnen, da ist es logisch, dass wir uns an ihnen orientieren, zumal sie Rennen gewinnen. Wieso sollten wir ein anderes Konzept kopieren?»
Das bedeutet auch: Die Seitenkästen, von oben betrachtet, weisen nun diese ungewöhnliche Einbuchtung aus, in Italien liebevoll «Badewanne» genannt.
Die Badewanne ist kein Aufreger im Fahrerlager, der neue Heckflügel am Aston Martin schon. Die Aerodynamiker der Grünen verhindern mit ihrer Interpretation des Reglements seitlichen Luftabfluss am Flügel. Ergebnis: mehr Abtrieb, wenn auch mehr Luftwiderstand, und heisse Köpfe bei den Gegnern.
Bei 55,4 Asphalttemperatur gingen alle Piloten früh auf die Bahn, um die jüngsten Verbesserungen auszuloten. Fernando Alonso (der heute 41 Jahre alt geworden ist) regte sich über den langsam auf der Ideallinie herumgondelnden Aston Martin von Lance Stroll auf.
George Russell monierte seltsame, pfeifende Geräusche vom Turbolader, wenn er vom Gas geht, und bat die Motortechniker, sich das anhand der Daten genauer anzusehen.
Stand nach einer Viertelstunde: Leclerc knapp vor Verstappen, vier Zehntelsekunden dahinter Carlos Sainz im zweiten Ferrari.
Es fiel auf, dass mit allen drei Reifentypen gearbeitet wird, ungewöhnlich für einen Freitag. Der Grund: Den Teams ist klar, dass es am Samstag den ganzen Tag über nass sein könnte.
GP-Sieger Johnny Herbert: «Der Vorteil von Ferrari hier ist, dass der Wagen knackig einlenkt, das Heck dabei aber nicht unruhig wird. Das Auto ist sehr gut ausbalanciert, und das macht sich auf einer so kurvigen Bahn besonders gut bemerkbar. Zudem weist der Wagen hervorragende Traktion auf.»
Witzige Szene bei Red Bull Racing: Sergio Pérez wurde aufgenommen, wie er im Rennwagen drei Mal laut niest. Der Mexikaner musste selber lachen: «Irgendeine Allergie.» Tatsächlich reagieren hier zahlreiche Heuschnupfen-Anfällige auf irgendein Gras oder eine Blüte.
Stand nach einer halben Stunde: Leclerc 244 Tausendstelsekunden vor Verstappen, der 245 Tausendstelsekunden vor Sainz, danach Pérez, Ricciardo, Schumacher, Ocon, Russell, Hamilton und Albon. Magnussen im verbesserten Haas langsamer als Schumacher im neuen. Die beiden Aston Martin ganz hinten (Vettel Zweitletzer, Stroll Letzter).
George Russell beklagte sich am Funk über einen aufsetzenden Wagen bei der Anfahrt zur ersten Kurve, weil der Wagen zu tief gelegt ist.
Mick Schumacher war in Kurve 3 kurz neben der Bahn, konnte aber weitermachen.
Mehr und mehr Fahrer liessen es auf weichen Reifen fliegen: Russell schob sich auf Rang 2 vor, Hamilton fuhr auf Augenhöhe, schlitterte dann aber in der drittletzten Kurve von der Bahn, auch er konnte weitermachen. Norris rückte auf Rang 7, wie sein McLaren-Stallgefährte Daniel Ricciardo (9.) auf mittelharten Reifen, alle anderen Fahrer auf weichen Pirelli-Walzen. Yuki Tsunoda verrauchte bei der Anfahrt zur ersten Kurve den linken Vorderreifen.
20 Minuten vor Schluss übernahm Carlos Sainz die Spitze, für ein paar Minuten, dann tauchte Weltmeister Verstappen ganz oben auf, bevor Carlos Sainz die Spitze übernahm, auf gebrauchten Pirelli, wohlgemerkt. Ferrari macht einen sehr guten Eindruck.
1. Training, Hungaroring
01. Carlos Sainz (E), Ferrari, 1:18,750 min
02. Max Verstappen (NL), Red Bull Racing, 1:18,880
03. Charles Leclerc (MC), Ferrari, 1:19,039
04. Lando Norris (GB), McLaren, 1:19,299
05. George Russell (GB), Mercedes, 1:19,606
06. Sergio Pérez (MEX), Red Bull Racing, 1:19,622
07. Lewis Hamilton (GB), Mercedes, 1:19,710
08. Daniel Ricciardo (AUS), McLaren, 1:19,841
09. Esteban Ocon (F), Alpine, 1:20,348
10. Fernando Alonso (E), Alpine, 1:20,377
11. Sebastian Vettel (D), Aston Martin, 1:20,383
12. Lance Stroll (CDN), Aston Martin, 1:20,414
13. Pierre Gasly (F), AlphaTauri, 1:20,456
14. Yuki Tsunoda (J), AlphaTauri, 1:20,695
15. Guanyu Zhou (RC), Alfa Romeo, 1:20,810
16. Alexander Albon (T), Williams, 1:20,834
17. Kevin Magnussen (DK), Haas, 1:20,921
18. Mick Schumacher (D), Haas, 1:21,027
19. Robert Kubica (PL), Alfa Romeo, 1:21,179
20. Nicholas Latifi (CDN), Williams, 1:21,413