Nigel Mansell: «Ferrari bleibt etwas ganz Besonderes»
Den Sommer 2022 wird Nigel Mansell nicht so schnell vergessen: Ende Juni fuhr der 31-fache GP-Sieger in Goodwood jenen 1992er Williams FW14B-Renault V10, mit dem er vor dreissig Jahren Formel-1-Weltmeister geworden ist. Wenige Tage später pfefferte Sebastian Vettel einen Ex-Mansell-Williams um die Rennstrecke von Silverstone – zur Freude der GP-Zuschauer.
Sebastian war sichtlich bewegt: «Das fühlte sich an wie eine Zeitreise. Ich bin sehr happy, denn ich habe ein wenig spüren dürfen, wie sich Nigel damals gefühlt hat. Diese Autos sind der Hammer, der Sound ist sagenhaft. Das ist eine wunderbare Erfahrung, die uns hier ermöglicht worden ist.»
Nigel Mansell sah sich das Ganze entlang der Strecke an und sagte dann: «Es war sehr schön, mein Auto auf der Bahn zu sehen, das hat tolle Erinnerungen zurückgebracht. Ich hätte mir keinen besseren Fahrer im Cockpit wünschen können als Sebastian, von dem ich weiss, wie sehr er Rennhistorie zu schätzen weiss. Ich bin sehr froh, dass Seb diese Gelegenheit heute erhalten hat. Ich kenne nicht viele Piloten, die sich so für diese Demo eingesetzt hätten, auch nicht in Form des nachhaltigen Kraftstoffs, mit dem er heute gefahren ist. Danke, Seb.»
Vettel, langsam den Tränen nahe: «Danke vielmals, Nigel, das macht mich sehr stolz.» Dann schlossen sich die beiden grossen Champions in die Arme.
Nigel Mansell ist eine Formel-1-Legende: An Siegen sind nur sechs Piloten erfolgreicher als jener Fahrer, den die Ferrari-Fans bis heute ehrfürchtig «il leone», den Löwen, nennen. Mansell ist der einzige Rennfahrer, der im Anschluss an seinen Formel-1-Titel IndyCar-Champion wurde.
Der 187-fache GP-Teilnehmer bewundert die Technik der modernen Formel 1, aber er weiss auch, was den heutigen Fahrern entgeht.
Im FIA-Magazin «Auto» erzählte Mansell: «Die Formel 1 wird nie mehr so sein, wie sie einmal war. Unsere damaligen Turbo-Renner zu bändigen, das war das Berauschendste und Furchteinflössendste, was du in deinem Leben machen konntest.»
«Mein Auto von 1987, der Williams FW11B, nichts kommt an dieses Auto heran, nichts in der Welt. Die modernen GP-Fahrer kennen das nicht, sie werden nie erfahren, wie sich solch ein Rennwagen anfühlt. Im Abschlusstraining hatten wir um die 1500 PS, der BMW-Motor soll sogar noch kraftvoller gewesen sein. Wir hatten durchdrehende Räder im sechsten Gang auf den Geraden, bei 290 km/h. Das kannst du fast nicht in Worte fassen. Du bist in eine Kurve gestochen, und du hast wirklich den Eindruck gehabt, dass dich dein Wagen umbringen will.»
«Wir sind damals auf der früheren Pistenführung von Silverstone gefahren. Also mit 320 Sachen die Hangar-Geraden hinunter, dann hast du in Stowe eingelenkt, volle Kanne, der rechte Fuss blieb voll auf dem Gas, das Auto driftete zur Pistenbegrenzung nach aussen. Du bist einer Auslaufzone nahegekommen, die aus Drahtzäunen mit 15 Zentimeter dicken Holzpfählen bestand.»
«Wenn eine Kurve hinter dir lag, hast du regelrecht aufgeatmet, aus zwei Gründen – erstens hast du in den Kurven aufgrund der Fliehkräfte kaum Atem schöpfen können, zweitens hattest du ein Gefühl von: ‘Ich hab’s geschafft!’.»
«In Sachen Sicherheit haben wir nur langsam Fortschritte gemacht, aber die Technik war teilweise auf einem Stand, der gewisse Massnahmen verunmöglichte. Es war ziemlich grimmig.»
Gilles Villeneuve tot, Riccardo Paletti tot, Elio de Angelis tot, Philippe Streiff im Rollstuhl, Didier Pironi und Jacques Laffite ebenfalls mit Unfällen, welche ihre Formel-1-Karriere beendet haben, die Liste war erschreckend.
Nigel Mansell möchte keine Sekunde missen: «Es waren grandiose Zeiten. Als ich angefangen habe, waren im Feld Alan Jones, Niki Lauda, Keke Rosberg, Nelson Piquet, Mario Andretti, Alain Prost, alles Fahrer, die schon Weltmeister waren oder den Titel noch holen würden. Du hattest ein halbes Dutzend weiterer GP-Sieger, dann den aufstrebenden Ayrton Senna. Der Druck in einem qualitativ so hochwertigen Feld war immens. Aber du hast wirklich den Eindruck gehabt, einer Elite anzugehören.»
Aller Erfolge mit Frank Williams ungeachtet: Mansell hegt eine besondere Schwäche für Ferrari. «Die zwei Jahre mit Ferrari, kein Geld der Welt kann so etwas kaufen. Von Ferrari engagiert zu werden und dann für die Italiener gleich den ersten Grand Prix zu gewinnen, 1989 in Rio, also besser geht’s nicht. Obschon Ferrari ein hochpolitisches Team war, haben die beiden Ferrari-Jahre in meinem Herzen einen besonderen Platz.»