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Michael Andretti: Er meint es ernst mit der Formel 1

Von Gerhard Kuntschik
Michael Andretti

Michael Andretti

Trotz aller offenen oder heimlichen Widerstände gegen den Einstieg von Andretti in die Formel 1 scheint der Andretti-Clan am für 2024 geplanten Formel-1-Einstieg festzuhalten. Doch die Deadline rückt näher.

Seine Ambitionen stoßen auf wenig Gegenliebe im Establishment der Formel 1. Michael Andretti, Ex-Superstar der US-Szene, an Teamkollegen Ayrton Senna 1993 gescheiterter F1-Pilot und nun Multiunternehmer in den wichtigsten Rennserien außer der Formel 1, will 2024 mit einem, seinem amerikanischen Team in die Formel 1 einsteigen.

Das kostet einmal 200 Mill. US-Dollar Eintrittsgeld an den Verband (FIA). Das bringt keine Begeisterung der künftigen Konkurrenz, denn die Zahlungen des Formel-1-Managements (FOM, also Liberty Media) müssen dann durch elf und nicht wie seit 2017 durch zehn geteilt werden.

Folgerichtig bezweifelte Mercedes-Teamchef Toto Wolff in mehreren Medienrunden, dass «Andretti der Formel 1 einen Mehrwert bringen» würde, wie es ein Einstieg von Porsche oder Audi als Antriebspartner täte. Worauf Michael Andretti ihm und anderen skeptischen F1-Teamchefs «Snobismus» vorwarf und sein Vater, Legende Mario Andretti, befand: «Toto hat zu viel Macht und Einfluss.»

Michael weiter: «Die F1 ist (trotz der US-Vermarkter, Anm.) ein europäischer Verein und ein Haifischbecken, in dem du eine Harpune brauchst.»

Nun, trotz aller offenen oder heimlichen Widerstände gegen «Andretti Global» (der Name der Holding ist Programm) scheint der Andretti-Clan am für 2024 geplanten Formel-1-Einstieg festzuhalten.

Die Eintrittsgebühr scheint nicht abzuschrecken. Und wie zum Beweis der ernsthaften Absichten kommunizierte Andretti nun an die Medien: «Wir bauen ein Renn- und Technologiezentrum auf 53.500 Quadratmetern Fläche in Fishers, Indiana.»

Das liegt am nordöstlichen Stadtrand von Indianapolis, das gesamte Grundstück macht rund 365.000 Quadratmeter aus. Bis Anfang 2026 sollen dort 500 neue Jobs geschaffen werden. «Das neue Hauptquartier wird als Basis für die Teams in Indycar, IndyLights und IMSA sowie für künftige Initiativen im Rennsport dienen», hieß es weiter. Damit kann nur die Formel 1 gemeint sein, obwohl eine operative Basis in Europa zusätzlich notwendig wird. Aus der Wirtschaftsförderung des Staates Indiana sollen 19 Mill. Dollar Zuschüsse kommen.

Andretti Autosport nimmt aktuell auch an der Formel E teil – mit dem Briten Jake Dennis als Toppiloten (Gesamtsechster 2022). Bei den Rennen in London Ende Juli bekam Teamchef Roger Griffiths Unterstützung von Andrettis Marketingpräsidenten Jean-Francois Thormann. Der hatte auf Nachfrage von SPEEDWEEK.com bestätigt: «Wir wollen 2024 in die Formel 1 einsteigen. Doch dafür wird es langsam eng. Ja, die Deadline ist schon sehr nahe.» Wie nahe, wollte der 67-Jährige nicht genau definieren, aber sie wird wohl spätestens im Herbst sein.

In der Fahrerfrage wollte Thormann nicht bestätigen, dass ein US-Pilot (Colton Herta?) «Pflicht» sei: «Wir schauen, wer am besten passt. Ein Amerikaner wäre sehr gut, ist aber nicht fix.»

Und zum Motorenpartner sagte er: «Wir sprechen grundsätzlichen mit allen möglichen Partnern.» Dennoch dürfte da Renault die erste Wahl sein – von einem Vorvertrag wird schon geflüstert. Dass sich die Zusammenarbeit mit Porsche in der FE ab 2022/23 auf ein F1-Engagement ausdehnen ließe, ist wohl kaum anzunehmen. Außerdem bestätigte Thormann: «Unser jetziges FE-Domizil würde da nicht ausreichen». Das ist die ehemalige Marussia-Heimstätte in Banbury. Daher: Entwicklung auch für die F1 in Indiana, Einsatz wohl aus England heraus.

Dass Michael Andretti (59) nach dem in Monza 1993 abgebrochenen F1-Abenteuer als Fahrer «unfinished business» mit der Formel 1 habe und deshalb als Teamchef den Erfolg suche (wie er es im Indy 500 mehrfach geschafft hat), wollte Thormann so nicht feststellen: «Indycar, Formel 1, Formel E – das wäre doch ein interessantes Portfolio, nicht?»

Baubeginn des neuen Hauptquartiers soll im Herbst sein, mit voller Funktionsfähigkeit ab 2025. Um «global» zu unterstreichen, teilte Andretti noch mit: «Das Team ist weltweit in sieben Meisterschaften mit 17 Vertragsfahrern aktiv. Als Teameigner (seit Ende der aktiven Karriere 2003, Anm.) hat Andretti 17 Meisterschaften und 252 Rennen gewonnen, darunter fünf Mal das Indy 500.» Letztere Ikone des Motorsports konnte zwar sein Vater Mario, nie aber Michael als Fahrer gewinnen. Und der Herr Papa, jetzt rüstige 82, ist der letzte US-amerikanische Formel-1-Champion (1978).

Das seit 2016 in der Formel 1 aktive und vom Meraner Günther Steiner geleitete Team von Gene Haas ist die erste US-Mannschaft in der Topklasse seit 1986, als Beatrice-Haas (Eigentümer Carl Haas war nicht mit Gene verwandt) nach nur 20 Rennen aus finanziellen Gründen aufgeben musste. Der letzte Grand-Prix-Sieger aus den USA war der gebürtige Italiener Mario Andretti (1978 in Zandvoort). Das letzte US-Team, das in der F1 siegte, war der Rennstall von Roger Penske (1976 auf dem Österreichring mit John Watson). Und der letzte US-Pilot in der Formel 1 war der Kalifornier Alexander Rossi 2015 bei Marussia. Der ein Jahr später, im Mai 2016, das 100. Indy 500 gewann.

Für Andretti Autosport.

Man sieht, die Andrettis hatten immer schon F1-Bezüge.


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