Audi: Mutiges Bekenntnis zum Formel-1-Sport

Von Mathias Brunner
Audi wird 2026 erstmals an der Formel-1-WM teilnehmen. Was Firmenchef Markus Duesmann über den Sinn des Engagements sagt, wie lange Audi bleiben will und was die Arbeit in der Königsklasse kosten wird.

Am 26. August hat Audi bestätigt: Erstmals in der Firmenhistorie steigt das deutsche Unternehmen in die Formel 1 ein. Historien-Kenner fügen hinzu: Der Einstieg in die Königsklasse ist tatsächlich die Rückkehr auf die Grand-Prix-Pisten – denn als Auto-Union war die Marke mit den vier Ringen in den 1930er Jahren überaus erfolgreich unterwegs, als Erzrivale des künftigen Formel-1-Gegners Mercedes-Benz.

Die Art und Weise, wie Autohersteller das Thema Formel 1 in Angriff nehmen, könnte nicht unterschiedlicher sein: Der 2022er Rennwagen von Sauber heisst zwar Alfa Romeo, ist aber eine Mogelpackung – von Alfa Romeo stammt keine Schraube. Wo Alfa Romeo drauf steht, steckt vielmehr Ferrari drin: Der komplette Antrieb kommt aus Maranello.

Die Marketing-Aktion des Turiner Traditionsunternehmens geht Ende 2023 zu Ende, denn der Chassis-Partner von Audi wird Sauber – selbst wenn die Deutschen das erst im Herbst bestätigen werden.

Das Bekenntnis zur Formel 1 ist ein starkes Signal von Audi, ein mutiger Schritt, der erst möglich geworden ist durch Entgegenkommen des Autosport-Weltverbands FIA. Aber wo die Reise beim neuen Motoren-Reglement ab 2026 hingehen würde, wurde bei ersten Konzept-Sitzungen klar: Vertreter von Audi und Porsche sassen von Anfang an am Verhandlungstisch.

Der grosse Knackpunkt für die deutschen Hersteller waren die Themen Nachhaltigkeit, Chancengleichheit und Serien-Relevanz.

Die VW-Konzernleitung stellte Anfang Mai weitere Weichen zum F1-Einstieg von Audi und zur GP-Rückkehr von Porsche: Sofern das technische Reglement die erforderlichen Kriterien erfüllt, haben Porsche und Audi die Erlaubnis, sich ab 2026 in der Königsklasse zu engagieren, so die Entscheidung.

Eines dieser Kriterien war bald erfüllt: Nach 2025 wird in der Formel 1 auf die so genannte MGU-H verzichtet, auf jenen Generator, der am Turbolader Energie abzapft und sie wieder ins System zurückführt. Die Entwicklung der MGU-H ist teuer und nicht serienrelevant.

Während der VW-Vorstand grundsätzlich Ja zur Formel 1 sagte, entstand im Hintergrund ein monatelanges Tauziehen um Kosten, Kraftstoff-Typ, Chancengleichheit für Einsteiger, Nachhaltigkeit, Material (wie etwa für die Kolben). Grundsätzlich taten sich die etablierten Motorhersteller schwer, den Neuen Zugeständnisse zu machen, etwa in Sachen Prüfstand-Stunden. Typisch Neidgesellschaft Formel 1.

Am 16. August hat der Weltrat des Autosport-Weltverbands FIA das Motor-Reglement ab 2026 abgenickt – mit allen technischen, sportlichen und finanziellen Eckpunkten zwischen Verband, Herstellern und Formel-1-Leistung.

Die Kern-Architektur des Motors bleibt: 1,6-Liter-V6-Turbo. Der Anteil der elektrischen Energie wird auf das Dreifache erhöht, von heute rund 160 PS auf 475 PS. Ab 2026 wird die Power eines Formel-1-Motors so produziert – 540 PS vom Verbrennungsmotor, 475 PS von der Elektrik. Dies war (neben dem Wegfall der MGU-H) eine der Kern-Forderungen von Porsche und Audi.

Die Audi-GP-Motoren werden in Neuburg an der Donau (Deutschland) entstehen, Chassis-Partner wird das Schweizer Sauber-Team in Hinwil (Zürcher Oberland), früherer Partner von BMW. Audi übernimmt im Rahmen des Formel-1-Engagements schrittweise Anteile am Sauber-Rennstall von Besitzer Finn Rausing, in 25-Prozent-Schritten, angefangen 2023. 25 Prozent von Sauber bleibt im Besitz von Finn Rausing.

Audi-Chef Markus Duesmann sagt: «Wir werden zu gegebener Zeit über unseren Chassis-Partner informieren. Die grösste Vorlaufzeit erfordert der Motor, also wollten wir das jetzt als erstes kommunizieren. Es wird eine Partnerschaft mit einem bestehenden Team geben, weil das sinnvoller ist als alles selber zu machen. Wir haben mit verschiedenen potenziellen Partnern gesprochen.»

Diese Teams sind, neben Sauber, McLaren und Williams. Die Verhandlungen mit McLaren scheiterten an den finanziellen Vorstellungen der Briten, Williams wird – gemessen an Sauber – als der weniger attraktive Partner eingestuft.

Markus Duesmann hat Benzin im Blut: Der 53-jährige Maschinenbau-Ingenieur aus Heek in Nordrhein-Westfalen begann seine Laufbahn 1992 bei Mercedes-Benz (Konstrukteur des V12-Serienmotors), ab 2005 war er Leiter Entwicklung Formel 1 bei Mercedes-Benz in Brixworth (England). 2007 wurde er Chef der Formel-1-Motorenabteilung von BMW und arbeitete mit dem kommenden Partner Sauber zusammen.

Nachdem BMW aus dem GP-Sport verschwunden war (Trennung Ende 2009) stieg Duesmann in den Vorstand des Münchner Traditionsunternehmens auf, als Leiter Einkauf und Lieferanten-Netzwerk, einen Posten, den er bis Juli 2018 hielt. Dann holte ihn Audi, seit April 2020 ist Duesmann Audi-Konzernchef.

Zum Formel-1-Einstieg von Audi sagt Duesmann: «Motorsport liegt in der DNA unserer Firma. Wir waren in vielen Bereichen erfolgreich, diese Geschichte wollen wir weiterschreiben. Die Formel 1 hat die Regeln in einer Art und Weise geändert, welche für uns als Autohersteller sehr attraktiv ist.»

Mit grosser Kelle anzurichten und die Konkurrenz mit Vorsprung durch Geld abzuhängen – das ist vor dem Hintergrund der Kostendeckel in der modernen Formel 1 nicht mehr möglich. Eine Obergrenze ist längst auch für die Motorenhersteller im Reglement verankert. Aus dem geht hervor: Audi kann bis Ende 2025 rund 300 Millionen Dollar für die Entwicklung des neuen Formel-1-Motors investieren.

All diese Entwicklungen werden Neu-Konstruktionen sein, seit März arbeiten 120 Spezialisten daran: Verbrennungsmotor, Turbolader, Generator für die kinetische Energie, Batterie, Steuer-Einheit. Markus Duesmann erlaubt sich einen kleinen Seitenhieb Richtung Mercedes, deren Motorenwerk in England steht: «Bei Audi entsteht der erste Formel-1-Motor in Deutschland seit zehn Jahren.» Schrittweise wird die Belegschaft im Sport-Kompetenzzentrum Neuburg auf 300 Fachkräfte ausgebaut.

Dazu kommt der Aufbau der Infrastruktur in Neuburg. Mit neuen Prüfständen von drei Typen: Verbrennungsmotor, Motor und Getriebe, komplettes Fahrzeug.

Insgesamt sprechen wir hier von einer Investition von mindestens einer halben Milliarde Euro – noch bevor Audi überhaupt einen Grand Prix bestritten hat

Markus Duesmann: «Wir geben keine Zahlen zum finanziellen Aufwand bekannt. Ich kann nur sagen – wir operieren im Rahmen des Budgetdeckels, und dann gibt es noch die Investitionen, die langfristig sind.»

Audi-Entwicklungschef Oliver Hoffmann glaubt: «Das neue Reglement erlaubt es uns, von Anfang an auf Augenhöhe mit den bisherigen Herstellern zu arbeiten.»

Markus Duesmann relativiert: «Es wäre natürlich schön, von Anfang an siegfähig zu sein. Aber ich habe das Gefühl, dass dies nicht ganz realistisch ist. Der Plan sieht vor, in den ersten drei Jahren konkurrenzfähig zu werden.»

Audi steht vor einer grossen Aufgabe: Die langjährigen Motorenhersteller wie Ferrari, Mercedes und Renault sind eingespielte Mannschaften mit gewaltigem Formel-1-Fachwissen. Das Beispiel BMW mit Sauber hat gezeigt, wie schwierig es ist, an die Spitze zu kommen.

Die Seilschaft aus Deutschland und der Schweiz trat von 2006 bis 2009 bei 70 WM-Läufen an, dann zog der BMW-Vorstand dem Formel-1-Programm den Stecker. Siegbilanz: nur ein Volltreffer, mit Robert Kubica 2008 in Montreal.

Ein vorzeitiges Ende des Bündnisses wie zwischen BMW und Sauber ist bei Audi nicht zu erwarten, wie Markus Duesmann beteuert: «Wir sehen unser Engagement in der Formel 1 als ein sehr langfristiges Projekt.»

Ausgerechnet vom Erzrivalen Mercedes-Benz kommt eine leise Warnung. Mercedes-Teamchef hat zum Thema Neueinsteiger in der Königsklasse gesagt: «Niemand kann erwarten, dass er zum ersten Mal an der Champions League teilnimmt, direkt ins Finale kommt und dann gleich mit der grossen Trophäe nach Hause geht.»


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