Charles Leclerc (Ferrari): «Dagegen bin ich machtlos»
Charles Leclerc
Das riecht nach Resignation. Ferrari-Ass Charles Leclerc liegt schon 98 Punkte hinter WM-Leader Max Verstappen. Der 24-jährige Monegasse sagt im Fahrerlager des Zandvoort Circuit: «Ich weiss nicht, wie gross mein Rückstand ist. Ich habe aufgehört, Punkte zu zählen. Ich weiss nur – es ist eine Menge.»
Der fünffache GP-Sieger weiter: «Ich nehme ein Rennen ums andere, und wenn zum Schluss der Saison eine Überraschung möglich wird, dann nehme ich das gerne an. Aber wir müssen schon realistisch sein – aus heutiger Sicht wird das sehr, sehr schwierig.»
«Schwierig bedeutet jedoch nicht unmöglich. Ich werde voll auf dem Gas bleiben, denn es geht noch um viel, auch im Kampf bei den Konstrukteuren.»
Red Bull Racing führt dort überlegen mit 475 Punkten, Ferrari liegt mit 357 Zählern noch 41 Punkte vor Mercedes (316).
Welche Ironie: Ausgerechnet ein Abreissvisier von Max Verstappen verhedderte sich im Bremsbelüftungs-Einlass von Leclercs Rennwagen in Belgien, und Charles musste früher an die Box kommen als geplant.
Leclerc fordert die Regelhüter des Autosport-Weltverbands FIA auf, sich das genauer anzusehen: «Vielleicht sollten wir für die Abreissvisiere eine gescheitere Lösung finden. Ein Fahrzeug verlor Öl, ich konnte nichts mehr sehen, und natürlich ging das den anderen Piloten auch so. Die erste Gelegenheit zum Abreissen eines solchen Visiers ist die erste lange Gerade, also flatterten diese Kunststofffolien dort nur so durch die Luft, dagegen bin ich machtlos. Natürlich werfe ich Max nichts vor, das ist ja ein Problem, das alle Fahrer haben.»
Vor sechs Jahren war das schon einmal ein Thema, da verbot die FIA den Piloten, die Abreissvisiere einfach über Bord zu werfen.
Der Hintergrund war damals der gleiche wie heute: Die Folien verfangen sich in Einlässen von Bremsen und Motoren, die Folge sind potenziell Bremsversagen und Motorschaden.
Wir haben uns damals mit dem Deutschen Peter Bürger unterhalten, der sich um die Formel-1-Helme des japanischen Herstellers Arai kümmert. Bürger sagte: «Es ist ganz selten möglich, ohne Abreissvisiere zu fahren. Wir haben erwogen, uns eine technische Lösung aus dem Motocross auszuleihen. Da haben wir eine Art Film, der sich über das Visier verschiebt, mit zwei kleinen Spulen an der Seite. Man kann das mit einer Fotozelle verbinden: Wenn der Fahrer mit der Hand darüber wischt, dann zieht nach einem Signal des Bewegungsmelders das System den Film eine Visierbreite weiter, und der Pilot hat wieder freie Sicht. Wir hatten diese Lösung im Windkanal und haben gemerkt – das funktioniert in der Formel 1 nicht. Der Wind drang unter die Folie ein und hob ihn hoch. Die beiden Spulen an der Seite sind zudem eine aerodynamische Katastrophe. Auch die Sicherheit ist kompromittiert.»
Die Mitglieder der Pilotenvereinigung GPDA machten 2016 dem damaligen Formel-1-Sicherheitsdelegierten Charlie Whiting klar, dass es ohne die Visiere nicht gehe. Die FIA besteht aber auf der Umsetzung der neuen Regel. Experimente mit besonderen Beschichtungen der Visiere, die schmutzabweisend wirken sollen, ergaben keine befriedigenden Ergebnisse.
Die einzige Lösung: Die Folien irgendwo im Cockpit unterbringen. Aber das erwies sich auch nicht als praktisch, so dass Charlie Whiting zur Einsicht kam – das Risiko, dass ein Fahrer die Kontrolle über sein Auto verliert, weil er im Cockpit mit einem Visier kämpft, die ist grösser als die Aussicht, dass ein davongeflattertes Visier einen Schaden erzeugt.