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Verrückt: Schnellstes Formel-1-Auto nie in Monza!

Von Mathias Brunner
Monza gilt im Grand-Prix-Sport als Tempel der Geschwindigkeit. Aber der höchste je von einem Formel-1-Rennwagen erzielte Speed wurde nicht in Monza gemessen, sondern auf einem Salzsee in Amerika.

Monza feiert 100 Jahre Bestehen des fabelhaften Autodromo, die Rennstrecke im Königlichen Park von Monza gilt als Tempel der Geschwindigkeit – von den zehn schnellsten WM-Läufen der Formel-1-Historie haben neun in Monza stattgefunden.

Der Speed der modernen Grand-Prix-Renner ist eindrucksvoll: Der Ferrari von Charles Leclerc flitzte mit 350 Sachen durch die Lichtschranke bei Start und Ziel. Das ist verflixt schnell, aber kein Rekord.

2004 erreichte der Williams-BMW von Antonio Pizzonia im Monza-GP 2004 369,9 km/h. 2005 verbesserte Kimi Räikkönen diesen Wert beim Traditionsrennen im Parco di Monza – 370,1 km/h im McLaren-Mercedes. Noch schneller ging es bei den Monza-Tests mit McLaren-Fahrer Juan-Pablo Montoya: 372,6 km/h, doch dies basierte auf einer Team-Messung. Welcher Wert nun als Formel-1-Rekord zählt, war danach unter den Formel-1-Fans Anlass zu hitzigen Diskussionen und bleibt letztlich Ansichtssache.

Die Wahrheit ist: Der schnellste Formel-1-Renner von allen ist in dieser Ausführung nie in die Nähe von Monza gekommen.

Die Techniker des Rennstalls BAR-Honda waren vor sechzehn Jahren neugierig herauszufinden, ob sich mit einem mehr oder weniger normalen Formel-1-Renner die 400-km/h-Marke knacken lässt.

Es handelte sich um ein Chassis des Typs 007, mit dem Jenson Button und Takuma Sato in der GP-Saison 2005 gefahren waren. Button wurde damit in Deutschland und Belgien jeweils Dritter.

Der damalige British American Racing-Testfahrer Alan van der Merwe, später jahrelang Fahrer des Medical-Cars in der Formel 1: «Als die Marketing-Abteilung vom Projekt Bonneville 400 sprach, war unsere erste Reaktion – das ist nicht möglich. Sie meinten: ‘Wir brauchen nur mehr Motorleistung.’ Aber so einfach ist das nicht.»

«Die regulären Speed-Fahrer haben uns ausgelacht, als wir in den USA angekommen sind. Sie sind es gewohnt, mit schweren Autos und reichlich Power anzutreten, und da kamen wir daher mit diesem vergleichsweise filigranen Fahrzeug. Zunächst kamen wir nicht mal über den ersten Gang hinaus! Die Räder drehten auf dem Salz zu stark durch, und die elektronische Steuereinheit riegelte ab.»

Der heute 42-jährige Südafrikaner erzählt weiter: «Wir haben den Wagen dann umgebaut und auch mit einer Finne versehen, für mehr Stabilität bei Highspeed. Wir haben auf dem Luftwaffenstützpunkt von Lyneham in England einen Test gefahren. Mein Techniker meinte, ich solle ungefähr 280 Sachen fahren. Ich beschleunigte auf gefühlte 280, kam zurück, und meine Leute meinten, ich sei 360 gefahren! Das lag an der komplett anderen Getriebeübersetzung und am fehlenden Abtrieb.»

«Die Erfahrung in Bonneville war merkwürdig. Du bist auf dieser riesigen weissen Fläche und hast keine Anhaltspunkte. Ich meine, die Rekordbahn ist 200 Meter breit und gute 17 Kilometer lang. Du weisst nur, dass du schnell bist, weil dein Helm herumgeworfen wird und der Motor auf Hochtouren brüllt. Wir brauchten fünf Meilen, nur um auf Speed zu kommen. Um offiziell beglaubigt zu werden, verlangt der Autosport-Weltverband FIA zwei Läufe auf der gleichen Strecke – einmal hin, einmal zurück. Dies, um Vorteile wegen Rückenwinds auszugleichen. Wir erreichten zwar einmal 400,454 km/h, konnten das aber auf dem Rückweg nicht wiederholen, so dass wir auf einen Schnitt von 397,36 kamen. Ziel verpasst.»

Bei späteren Tests in der Mojawe-Wüste erreichte van der Merwe 413,205 km/h, aber dort wurde nicht in zwei Richtungen gefahren.

Letztlich steht der Formel-1-Rekord also offiziell bei 397,36 km/h.

Van der Merwe: «Wir waren bis zu 60 Leute, die zwei Jahre am Projekt ‘Bonneville 400’ gearbeitet haben. Die meisten Salzspezialisten arbeiten mit einer Handvoll Kumpels. Das war ein einmaliges Projekt, das meinen Respekt für die Rekordfahrer von Bonneville vervielfacht hat. Die meisten von uns verstehen diese Bastler nicht, die im Hinterhof 2000-PS-Autos zusammenzimmern. Ich habe erlebt, mit welcher Hingabe sie arbeiten, und ich kann verstehen, dass du rekordsüchtig wirst.»

Mit neuen Formel-1-Rekorden ist so bald nicht zu rechnen: 2017 wurde in der Formel 1 umgestellt auf fettere Reifen. Das hat den Luftwiderstand erhöht und die Spitzentempi gesenkt. 2022 kam der Schritt zu erneut schwereren Flügelautos mit Niederquerschnitt-Reifen. Die Monza-Rekorde werden Bestand behalten.


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