Lando Norris jagt Nico Hülkenberg: Ärgerlicher Rekord

Von Mathias Brunner
McLaren-Fahrer Lando Norris ist drauf und dran, einen jener Rekorde brechen, die kein Grand-Prix-Fahrer haben will. Und davon gibt es in der Königsklasse eine ganze Menge, wie unsere Beispiele zeigen.

Nach dem Grossen Preis von Italien hat alles von der tollen Siegesfahrt von Max Verstappen gesprochen und vom feinen Debüt des Niederländers Nyck de Vries – Neunter im Williams. So gut wie unbemerkt rückt McLaren-Fahrer Lando Norris einem Formel-1-Rekord näher. Und der Engländer ist davon wenig angetan.

Norris, als Siebter ins Ziel gekommen, steht nun bei 394 WM-Punkten und hat damit den Genfer Romain Grosjean überholt – in der Wertung jener GP-Fahrer mit den meisten Punkten, die keinen Grand Prix gewinnen konnte!

Grosjean schaffte es in der Formel 1 zehn Mal auf Siegerpodest (zwei Mal als Zweiter, acht Mal als Dritter), Norris bislang sechs Mal (ein Mal als Zweiter, fünf Mal als Dritter).

Da nur bei einem durchgeknallten Rennverlauf 2022 noch mit einem Norris-Sieg zu rechnen ist und weil es aus heutiger Sicht kein Anzeichen gibt, wieso McLaren 2023 auf einmal regelmässig um Siege mitreden soll: Im nächsten Jahr könnte der Rekord von Nico Hülkenberg fallen. Der Deutsche hat 521 Punkte erobert, ohne je zu gewinnen. Schlimmer noch ¬– der Emmericher konnte bei 181 Einsätzen nie aufs Siegerpodest treten (auch ein Rekord).

Das ist nicht die einzigen Bestmarken, die kein Formel-1-Fahrer haben will. Wir stellen daher vor: weitere Grand-Prix-Fahrer mit skurrilen Rekorden.

Andrea de Cesaris (Italien)
214 Formel-1-WM-Läufe fuhr der Römer von Kanada 1980 bis Jerez 1994. Zu einem Sieg hat es nie gereicht. Am Speed lag es nicht. Von dem hatte «de Crasheris» schon fast zu viel. Den wenig schmeichelhaften Spitznamen verdiente sich Andrea mit sehr vielen Unfällen in der ersten Hälfte seiner Karriere, aber in der zweiten entwickelte er sich zu einem überaus zuverlässigen Piloten. Er war auch ein Wandergeselle: 1980 Alfa Romeo, 1981 McLaren, 1982 und 1983 wieder bei Alfa, 1984/85 in Diensten von Ligier, 1986 Minardi, 1987 Brabham, 1988 Rial, 1989/90 BMS-Dallara, 1991 Jordan, 1992/93 Tyrrell, 1994 nochmals Jordan, dann schliesslich Sauber. Kein Pilot ist für mehr GP-Rennställe gefahren (jedenfalls fällt mir keiner ein). Andrea de Cesaris kam Anfang Oktober 2014 in seiner Heimatstadt Rom bei einem Motorradunfall ums Leben.

Chris Amon (Neuseeland)
Der liebe Gott hatte Chris Amon reichlich Talent in die Wiege gelegt. Der stille Neuseeländer gewann mit allem, was vier Räder hatte: Le Mans, Sportwagen-WM, Formel 2, Tasman Series, Formel 5000, Tourenwagen – ausser in der Formel-1-WM. Kein Pilot hat mehr Runden geführt, ohne je einen Weltmeisterschaftslauf zu gewinnen. Bei nicht zur WM zählenden Rennen gewann Chris sehr wohl – wie in Silverstone 1970 mit March oder in Argentinien 1971 mit Matra. Amon, der am 3. August 2016 dem Krebs erlag, führte 183 Runden im Rahmen der Formel-1-WM. Erfolglos. Es ging immer etwas schief. Mal zerrte er in Monza statt einer Abreissfolie gleich das komplette Visier vom Helm und sah im Fahrtwind dann nichts mehr. Mal handelte er sich einen Platten ein, einmal mehr überlegen führend. Mal streikte der Motor, dann das Getriebe. Legendär der Spruch seines damaligen Gegners Mario Andretti: «Chris hat so viel Pech – wäre er ein Bestatter, würden die Leute aufhören zu sterben.»

Luca Badoer (Italien)
Von Südafrika 1993 bis Belgien 2009 bestritt der langjährige Ferrari-Testfahrer Luca Badoer insgesamt 51 WM-Läufe. Raten Sie mal, wie viele Punkte er dabei sammeln konnte. Genau – keinen. Wir möchten daran erinnern, dass Luca in einer Ära begann, in welcher noch nicht die ersten Zehn mit Punkten belohnt wurden. Besonders schmerzhaft: Am Nürburgring 1999 streikte das Getriebe seines Minardi, da lag Luca auf dem sensationellen vierten Rang! Der Italiener brach weinend neben seinem Wagen zusammen. 2009 sass er in Valencia und Belgien im Ferrari neben Kimi Räikkönen, als Ersatzmann für den verletzten Felipe Massa. Und doch konnte nicht nicht punkten. Es sollte wohl einfach nicht sein.

Chanoch Nissany (Israel)
Chanoch Nissany tauchte aus dem Nichts auf, um im Freitagtraining zum Ungarn-GP 2005 einen Minardi zu lenken. Trainingsschnellster damals: Alexander Wurz im McLaren, mit 1:21,411 min. Zweitletzter: Nicholas Kiesa im Jordan, mit 1:28,230 min. Nissany kam, ohne den Wagen zuvor auch nur einen Meter bewegt zu haben, so fair müssen wir schon sein, auf 1:34,319 min. Natürlich waren Hohn und Spott gross, vor allem nach einem Ausflug ins Kiesbett. Was die meisten jedoch vergassen: Nissany gab sein Freitagdebüt nach exakt drei Jahren im Motorsport und im reifen Alter von 41!

Claudio Langes (Italien)
Einige halten ihn für den schlechtesten Formel-1-Fahrer, aber das wagen wir zu bezweifeln. Dennoch ist die Statistik gnadenlos – 14 Qualifikationsversuche mit EuroBrun, von USA bis Spanien 1990, kein einziges Mal am Start. Autsch.

Miguel Ángel Guerra (Argentinien)
Zusammen mit dem Italiener Marco Apicella (GP Italien in Monza 1993, Kollision in der ersten Kurve) hält Guerra den wenig rühmlichen Rekord der kürzesten GP-Karriere. Guerra trat mit Osella 1981 vier Mal zu einem GP-Wochenende an, aber in Long Beach, Brasilien sowie Argentinien konnte er sich nicht fürs Rennen qualifizieren. In Imola klappte das endlich, aber dann kam der junge Südamerikaner kaum einen halben Kilometer weit: Kollision mit dem March des Chilenen Eliseo Salazar, der Osella von Guerra prallte in eine Mauer und wurde an der Vorderachse so eingedrückt, dass sich Miguel Ángel einen doppelten Knöchelbruch zuzog. «Leider habe ich nie wieder eine Chance in der Formel 1 erhalten», sagte der Argentinier später. «In meinem Land brach eine Finanzkrise aus, und es war nicht mehr möglich, frische Sponsoren für den GP-Sport zu finden.»

Al Pease (Kanada)
Sie haben Chanoch Nissany noch präsent, ja? Mit der Zielflagge des freien Trainings war der Spuk um den Isreali zum Glück beendet. Da kam der Kanadier Al Pease schon etwas weiter. Der Lokalheld war zum Mosport-GP 1969 mit einer Quali-Zeit angetreten, die 11,1 Sekunden hinter der Pole-Runde von Jacky Ickx lag. Ein Grund für die jämmerliche Darbietung war sein Fahrzeug – ein vier Jahre alter Eagle mit asthmatischem Climax-Motor.

In der ersten Runde rumpelte Pease schon mal mit dem privat eingesetzten Brabham des Tessiners Silvio Moser zusammen, nach vier Runden wurde Al das erste Mal überrundet. Einige der etwas schnelleren Herren atmeten jeweils auf, sobald sie am 47-Jährigen vorbei waren. Denn Pease machte sein Auto jeweils ziemlich breit.

Nach 22 (von 90) Runden hatte die Rennleitung ein Einsehen und holte Pease von der Bahn. Bis heute ist er der einzige Formel-1-Fahrer, der in einem Rennen wegen zu langsamer Fahrt disqualifiziert werden musste. Als Pease in seiner 22. Runde war, lag der Leader bereits in der 45. …

Es war der dritte und letzte Versuch von Pease, bei seinem Heimrennen in die Wertung zu kommen: 1967 wurde er mit 43 Runden Rückstand nicht gewertet, wegen zahlreicher technischer Gebrechen war er öfter an der Box als auf der Piste. Nach einem Dreher sprang der Wagen nicht mehr an, weil die Batterie stromlos war. Pease stiefelte zur Box zurück, holte eine neue, baute sie ein und fuhr wacker weiter. 1968 konnte er wegen eines Motorproblems das Rennen nicht aufnehmen. Das besagen die Ergebnislisten. In Wahrheit hatte er sein Triebwerk auseinandergenommen, um alle Teile nochmals zu prüfen. Leider ging ihm dann beim Zusammensetzen die Zeit aus.

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