Buhmann Latifi: Zum Abschied Punkte – das Netz feiert
Nicholas Latifi
Die Streicheleinheiten werden Nicholas Latifi gutgetan haben. Auch wenn vielleicht eine Prise Häme dabei war, so enthielten die Kommentare im Netz auch Liebe, eine besondere Form der Zuneigung. Denn viele Fans haben den Kanadier nach fast drei Jahren Formel 1 auf etwas verquere Art und Weise in ihr Herz geschlossen, auch wenn er das lieber anders erreicht hätte.
Stattdessen wird Latifi für seine Pleiten und Pannen im Netz «gefeiert», als «GOATIFI», ein Mix aus Greatest of all Time (GOAT) und Latifi, und dabei ein wenig hochgenommen. Als er beim 18. Saisonrennen im Chaos von Suzuka sensationell in die Punkte fuhr, kannte die humorvolle Mischung aus Sarkasmus und Verbundenheit kaum Grenzen.
Es war im 57. Rennen in der Formel 1 seine dritte (!) Fahrt in die Top Ten. «Die größte Erkenntnis aus dem ganzen Chaos? Latifi hat ZWEI PUNKTE GEHOLT», twitterte zum Beispiel Journalist Matt Gallagher. Neun Zähler sind es nun in seiner gesamten Karriere in der Motorsport-Königsklasse. «Pandabar» schlug vor, dass Latifi das Chaos nutzen solle, sich zum Sieger zu erklären.
Dabei hatte das Rennwochenende wie so viele begonnen – mit einer peinlichen Panne. Er lenkte im Training bei der letzten Schikane zu früh ein und stand plötzlich vor einer Mauer. «Ich bin mir nicht sicher, was gerade passiert ist», funkte er: «Das Auto... sehr seltsam. Aber ich bin okay.» Eine kleine Ausrede, er hatte sich schlicht verfahren.
Latifi macht es wie Vettel
Doch im Rennen schlug die Stunde des Außenseiters. Latifi setzte im Regen-Chaos von Suzuka auf die gleiche Taktik wie Sebastian Vettel. Nach dem Restart kamen beide als erste Fahrer in die Box und wechselten von Regenreifen auf Intermediates – sowohl für Vettel als auch für ihn ein taktischer Volltreffer. Beide wurden nach vorne gespült, Vettel wurde Sechster, Latifi Neunter. «Bereits nach acht Runden waren die Vorderreifen komplett weg. Also musste ich durchhalten und bin natürlich froh, dass ich diese Punkte geholt habe», sagte Latifi.
Denn es war seine Entscheidung, auf Risiko zu setzen. «Ja, es war die richtige Entscheidung», sagte Latifi. «Es war der richtige Reifen, das war für mich eine Selbstverständlichkeit», so der Williams-Pilot, der aber auch einräumt: «Wenn man hinten fährt, hat man auch weniger zu verlieren.»
Eine Menge Genugtuung
Er konnte nicht nur wegen des vorletzten Startplatzes „All in“ gehen, er hat nach seinem angekündigten Williams-Aus nach der Saison sowieso nichts mehr zu verlieren. Für ihn war deshalb ohne Frage auch eine Menge Genugtuung dabei.
«Ja, das war gut. Es ist schön, die ersten Punkte der Saison zu holen. Das ist sicherlich positiv und gibt einem einen schönen moralischen Schub», sagte der Kanadier, der nach dem kontroversen WM-Finale 2021 in Abu Dhabi wegen seines Crashs Morddrohungen erhielt, eine völlig verkorkste Saison erlebt, weil ihm Hass und Häme lange sehr nahe gingen. Der 27-Jährige verlor sein Selbstvertrauen, seine Linie, seinen Rhythmus – und am Ende auch sein Formel-1-Cockpit bei Williams.
«Wir sprechen die ganze Saison und haben auch die Ziele festgesetzt, wo die Performance wann sein muss und er hat auch gesehen, dass er die Performance nicht so bringt, wie wir sie gemeinsam besprochen haben», hatte Teamchef Jost Capito Anfang Oktober das Aus erklärt, das am Ende keine Überraschung mehr war.
Latifi weiß, dass ihn die beiden Punkte auch nicht mehr gerettet hätten. «Es geht immer um die Konstanz über das Jahr hinweg, nicht um ein gutes Ergebnis hier und da», sagte Latifi. «Es ist natürlich schön, diese Punkte zu holen. Schön für das Team. Aber darüber hinaus...»
Darüber hinaus wird er die Formel 1 wohl komplett verlassen, seine Zukunft ist im Moment unklar. Klar ist dafür: Die Fans werden ihn vermissen.