Training Brasilien: Pérez 1., Vettel/Schumacher stark
Alles ist ein wenig anders beim zweitletzten WM-Lauf der Formel-1-Saison 2022. Zunächst mal reden alle (auch wir) ständig vom Brasilien-GP, dabei heisst das Rennen offiziell eigentlich Grosser Preis von São Paulo – weil Fördergelder für das Traditionsrennen aus der Stadtkasse kommen.
Ferner rollt die Königsklasse an diesem Wochenende zum dritten Mal in diesem Jahr (nach Imola und Red Bull Ring) im Sprintformat, das bedeutet: Nur 60 Minuten freies Training, dann geht es ab 20.00 Uhr (unserer Zeit, lokal ist das 16.00 Uhr) schon in die Qualifikation.
Formel-1-Weltmeister Max Verstappen sagt: «Ich habe verschiedene Male klargemacht, dass ich kein Fan vom bin, aber nur eine Stunde Training und dann gleich die Quali, das hat schon was für sich. Da muss ein Pilot die Leistung wirklich auf den Punkt bringen können, und das finde ich eine spannende Herausforderung.»
60 Minuten freies Training begannen auf dem viertkürzesten GP-Kurs (nach Monaco, Zandvoort und Mexiko) bei freundlich-sonnigen 24 Grad und 47 Grad Asphalttemperatur.
In Interlagos ist aerodynamische Effizienz Trumpf. Und einen Kompromiss aus flach gestellten Flügeln für die schnellen Passagen und den Sektoren 1 und 3, aber im zweiten Pistenabschnitt lauern enge Kurven.
Gute Nachricht bei McLaren: Lando Norris ist nach seiner Magenverstimmung wieder fit. Ersatzmann Nyck de Vries muss also nicht einspringen.
Sofort viel Geschehen auf der Bahn, um das gedrängte Programm halbwegs durch zu bringen. Zur Erinnerung: Nach der Quali am Abend darf am Wagen nichts mehr verstellt werden.
Beim ersten Versuch einer schnellen Runde rutschte Max Verstappen am Ende der Gegengeraden kurz von der Bahn, dahinter fuhr sein Red Bull Racing-Stallgefährte Sergio Pérez seine Runde zu Ende: Bestzeit.
Die Reihenfolge veränderte sich alle paar Sekunden. Bei schmalem Rahmenprogramm (nur Porsche-Cup) liegt noch kaum Gummi auf der Bahn. Und was heute auf die Strecke kommt, wird in der kommenden Nacht von Gewittern weggewaschen.
Verstappen nahm einen neuen Anlauf und tauchte an der Spitze auf, der Niederländer noch auf harten Pirelli-Reifen. Dann setzte Valtteri Bottas im Alfa Romeo ein Ausrufezeichen. Der Finne hat hier vor einem Jahr den Sprint gewonnen.
Verstappen am Funk: «Der Wagen lenkt überhaupt nicht ein.» Das hinderte den 34-fachen GP-Sieger nicht, nach zehn Minuten wieder die Spitze zu übernehmen.
Ferrari-Fahrer Carlos Sainz hat einen neuen Verbrennungsmotor erhalten, er wird also für den Grand Prix um fünf Ränge zurück müssen, so wie Lewis Hamilton vor einem Jahr. Eine Motorstrafe darf nicht in der Startaufstellung für den Sprint abgesessen werden.
Stand nach einer Viertelstunde: Verstappen vor Bottas, Pérez, Hamilton, Sainz, Leclerc und Russell. Wo waren die Deutschen? Sebastian Vettel auf Platz 17, Mick Schumacher auf 19. Der vierfache Champion Vettel war kurz neben der Bahn, aber sein Aston Martin-Rennwagen blieb unbeschädigt.
Erste Anzeichen deuten nicht darauf hin, dass Ferrari hier den Klassenbesten Red Bull Racing zur Seite ellbögeln kann – auf der harten Reifenmischung war der Abstand eine halbe Sekunde pro Runde. Aber keiner wusste, wie viel Kraftstoff im Tank ist.
Ferrari-Ass Charles Leclerc regte sich über den gemütlich über die Bahn gondelnden Lance Stroll im Aston Martin auf. «Was zum Geier macht Stroll da?» Die Rennleitung erkannte keinen Anlass zum Handeln.
Ungewöhnliche Szene bei Vettel: Der Heppenheimer wechselte den Helm, war aber mit der Ausschäumung des Kopfschutzes nicht zufrieden und stülpte wieder Version 1 auf.
Nach einer halben Stunde liess es Pérez auf weichen Pirelli-Reifen krachen: neue Bestzeit. 1,3 Sekunden dahinter Magnussen im Haas-Renner auf mittelharten Walzen, Mich Schumacher verlor auf seinen Stallgefährten auf identischem Gummi zwei Zehntelsekunden.
Max Verstappen nun ebenfalls auf weichen Mailänder Reifen auf der Bahn – 8 Tausendstelsekunden hinter Pérez! Max am Funk: «Der Wagen lenkt noch immer schlecht ein.» Dem 25-jährigen Niederländer fehlt noch Biss auf der Vorderachse in den langsamen Kurven.
Bei Lewis Hamilton war es umgekehrt: «Ich habe den Eindruck, das Heck rutscht nur herum.»
Langsam arbeitete sich Ferrari an das führende Red Bull Racing-Duo heran, der Abstand wurde kleiner, die roten Renner auf mittelharten Pirelli, die RBR-Autos auf weichen Pirelli. Die Bahn entwickelt sich rasant, nun rückten auch die Deutschen vor – Vettel auf 11, Schumacher auf 12.
Dann Schumacher endlich auf weichen Reifen: Viertschnellster!
Lance Stroll brachte seinen Aston Martin an die Box, wegen eines Problems an der Hinterachse.
Zehn Minuten vor Schluss ging Verstappen auf gebrauchten weichen Reifen erneut auf die Strecke, auch Lewis Hamilton kreiste auf weichen Pirelli. Sebastian Vettel rückte auf Rang 4 hoch. Hamilton rutschte aber mit blockierten Rädern geradeaus. George Russell machte das besser: Drittschnellster. Den Platz verlor er kurz vor Schluss an seinen Mercedes-Stallgefährten Lewis Hamilton.
Zum Schluss wollten es die Ferrari-Fahrer auf weichen Pirelli wissen: Sainz zunächst Dritter hinter dem Red Bull Racing-Duo, dann Leclerc vier Tausendstelsekunden hinter Pérez und vier Tausendstel vor Verstappen Zweiter!
Auch die Fans der deutschen Fahrer dürfen sich freuen – Vettel Siebter, Schumacher Achter.
Erstes Training, Autódromo José Carlos Pace
01. Sergio Pérez (MEX), Red Bull Racing, 1:11,853 min
02. Charles Leclerc (MC), Ferrari, 1:11,857
03. Max Verstappen (NL), Red Bull Racing, 1:11,861
04. Carlos Sainz (E), Ferrari, 1:12,039
05. Lewis Hamilton (GB), Mercedes, 1:12,040
06. George Russell (GB), Mercedes, 1:12,055
07. Sebastian Vettel (D), Aston Martin, 1:12,157
08. Mick Schumacher (D), Haas, 1:12,314
09. Valtteri Bottas (FIN), Alfa Romeo, 1:12,466
10. Pierre Gasly (F), AlphaTauri, 1:12,467
11. Fernando Alonso (E), Alpine, 1:12,554
12. Alex Albon (T), Williams, 1:12,633
13. Esteban Ocon (F), Alpine, 1:12,705
14. Lance Stroll (CDN), Aston Martin, 1:12,759
15. Lando Norris (GB), McLaren, 1:12,955
16. Kevin Magnussen (DK), Haas, 1:12,997
17. Nicholas Latifi (CDN), Williams, 1:13,019
18. Guanyu Zhou (RC), Alfa Romeo, 1:13,115
19. Yuki Tsunoda (J), AlphaTauri, 1:13,347
20. Daniel Ricciardo (AUS), McLaren, 1:13,359