Ein Hoffnungsschimmer bei der KTM AG

Achtung, Lebensgefahr: Ein Renn-Chassis aus Sperrholz

Von Mathias Brunner
In der Historie der Königsklasse gilt generell: Es gibt nichts, was es nicht gibt. Der Formel-1-Sport war immer Brutstätte ungewöhnlicher Lösungsansätze. Aber ein Chassis aus Sperrholz? Das war schon irre.

Das Leben ist nicht immer fair: Einige Einfälle von Formel-1-Technikern waren ihrer Zeit voraus und scheiterten an mangelnder Finanzierung oder daran, dass die Materialforschung noch in den Kinderschuhen steckte. Andere Einfälle müssen wir leider in die Kategorie Schnapsideen einstufen. Denn jetzt mal Hand aufs Herz: Wie viel Vertrauen hätten Sie als Rennfahrer in ein Chassis aus – Sperrholz?

Nein, wir haben noch nicht den 1. April, und so absurd es klingen mag: Dieses Holzchassis gab es wirklich. Hinter dem Projekt Protos stand Frank Costin. Der Engländer besass in der Vollgasbranche einen makellosen Namen: Auf ihn gehen die windschlüpfigen Renner des Vanwall-GP-Rennstalls oder der Lotus Eleven zurück, um nur zwei Beispiele zu nennen.

Für 1967 nutzte Costin seine Ausbildung als Aeronautik-Ingenieur und entwarf den hübschen Protos – einen flügellosen Formel-2-Renner mit gleich zwei Merkwürdigkeiten: Einer aerodynamisch günstigen Kunststoffkuppel, mit welcher Brian Hart und Kurt Ahrens beim Formel-1-WM-Lauf 1967 auf dem Nürburgring verblüfften (damals waren auch Formel-2-Renner zum Grossen Preis von Deutschland zugelassen).

Die zweite Innovation war weniger offensichtlich, denn sie steckte unter der Verkleidung: Ein Rahmen aus verklebtem Sperrholz, extrem leicht und verblüffend verwindungssteif. Hart brachte seinen Renner ins Ziel (allerdings mit drei Runden Rückstand auf Sieger Denny Hulme, daher nicht gewertet), Ahrens schied wegen eines Kühldefekts aus.

Eine Fehlkonstruktion war das Auto nicht, was die Konkurrenzfähigkeit angeht: Der spätere Rennmotoren-Hersteller Brian Hart wurde 1967 damit in Hockenheim Zweiter. Aber der Protos war sehr defektanfällig, ganz zu schweigen vom mangelnden Schutz für den Fahrer.

Wie sicher ein solches Auto war, wenn es brenzlig wird, zeigte der Unfall von Pedro Rodríguez beim Formel-2-Rennen in Enna. Der Mexikaner kam auf Sizilien im Duell mit Jean-Pierre Beltoise von der Bahn ab, Augenzeugen zufolge waren der Motor und das Lenkrad die grössten Teile, die dabei übrigblieben, die restlichen Trümmer hatten weitgehend die Ausmasse von Zahnstochern.

Der Mexikaner wurde aus dem Wagen geworfen, samt seines Sitzes! Mit einer gebrochenen Ferse kam er verhältnismässig glimpflich davon. Jahre später tauchte das Lenkrad aus dem Renner bei einer Auktion auf. Die Verformung zu einer Art Bretzel zeigt, welche Kräfte beim Crash freigeworden waren.

1968 kehrte Protos mit Chassis 02 und 03 auf die Pisten zurück (01 war ja in Enna zerlegt worden), Vic Elford wurde im Eifelrennen Siebter, Pedro schied aus. Es war unseres Wissens der letzte Einsatz des Protos in Europa, für 43 lange Jahre.

Beim Goodwood Festival of Speed war dann Ende Juni 2011 wieder ein Protos zu bestaunen: Dieses Auto gehört dem US-Amerikaner Brian Blain. Wo das zweite hingekommen ist, entzieht sich unserer Kenntnis.

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