Frauen und Formel 1: Es bleibt weiter kompliziert

Von Andreas Reiners
Jamie Chadwick

Jamie Chadwick

Es ist sehr lange her, dass zuletzt eine Frau in der Startaufstellung eines Formel-1-Rennens stand. Schafft es Jamie Chadwick? SPEEDWEEK.com mit einem Überblick.

Als das letzte Mal eine Frau in der Startaufstellung eines Formel-1-Rennens stand, war Helmut Schmidt Bundeskanzler. Deutscher Fußball-Meister wurde Borussia Mönchengladbach, und in den Charts dominierten Songs von ABBA, Boney M. und Frank Farian.

Lella Lombardi war es, die am 15. August 1976 auf dem Österreichring als bis heute letzte Frau ein Formel-1-Rennen in Angriff nahm. Fast 47Jahre ist das her – eine Ewigkeit.

Die weibliche Bilanz seitdem ist ernüchternd. 1992 versuchte Giovanna Amati, sich für einen GP zu qualifizieren – vergeblich. Susie Wolff nahm als letzte Frau an einem Training in der Königsklasse teil, 2015 war das und ist somit auch schon rund acht Jahre her. Seitdem sind diverse Pilotinnen zwar von Rennställen in das Team aufgenommen worden und befinden sich damit mehr oder weniger im Dunstkreis der Königsklasse, Chancen im Regelbetrieb der Formel 1 bekamen sie aber bis heute keine.

Schafft es Jamie Chadwick? Die dreimalige W-Serie-Meisterin gehört auch 2023 zur Fahrerakademie von Williams. Seit 2019 ist sie Teil des Nachwuchsaufgebots des Rennstalls. Ein «personalisiertes Simulatorprogramm» gehört ebenso zu ihren Aufgaben wie der Start in der Indy-NXT-Serie.

«Meine Beziehung zu Williams fortzusetzen, ist fantastisch», sagt Chadwick. «Die Möglichkeit zu haben, in das Team einzutauchen und den Formel-1-Traum am Leben zu erhalten, ist sehr wichtig. Ich freue mich darauf zu sehen, was wir gemeinsam erreichen können.» Eine Chance in der Formel 1 ist aber weiterhin weit weg.

Frauen in der Startaufstellung der Formel 1 - es bleibt also kompliziert. Und das hat Tradition. SPEEDWEEK.com mit einem Überblick.

Maria Teresa de Filippis:

Sie war eine echte Revoluzzerin, die erste Frau, die in die Männerdomäne einbrach. 1958 stieg sie in Monaco ein, verpasste mit einem Maserati 250F aber die Qualifikation zum Rennen um fünf Sekunden.

Beim Rennen in Belgien fuhr die Italienerin vom 19. auf den zehnten Platz. Daneben fuhr sie in Portugal und Italien, schaffte es aufgrund von technischen Problemen nicht ins Ziel.

Legendär ist der ihr verwehrte Start in Frankreich. Heute unvorstellbar: Der Organisator des Frankreich-GP ließ sie nicht starten. «Er sagte, der einzige Helm, den eine Frau tragen sollte, ist der beim Friseur», erzählte sie einmal.

Bei den drei Einsätzen im Maserati blieb es, denn 1959 scheiterte sie beim Monaco-Lauf in einem geliehenen Formel-2-Porsche nicht über den 21. Platz hinaus - ihre schnellste Rundenzeit wurde in der allerletzten Runde gestrichen. Es sollte 15 Jahre dauern, bis es wieder eine Frau in die Formel 1 schaffte.

Lella Lombardi:

Die erfolgreichste Frau. Feierte ihr Debüt 1974, scheiterte aber zunächst in der Quali.

1975 und 1976 fuhr sie für March, Williams und RAM insgesamt zwölf Rennen. Und holte als bislang einzige Frau etwas Zählbares: Im Abbruchsrennen von Spanien 1975 fuhr sie als Sechste einen halben WM-Punkt ein.

Trauriger Fakt: Der Große Preis von Österreich am 15. August 1976 war ihr letztes Rennen und es ist zugleich das bis heute letzte Rennen, an dem eine Frau teilnahm. Nur noch drei weitere Frauen waren nah dran. Was aber auch bedeutet: Sie schrammten an einer Teilnahme vorbei.

Desiré Wilson:

Was gerne untergeht: Sie gewann mit einem Formel-1-Rennwagen sogar ein Rennen. Die Südafrikanerin feierte am 7. April 1980 in einem Wolf-Ford einen Start-Ziel-Sieg in Brands Hatch. 

Ihr Pech: Das Rennen absolvierte sie zwar in einem Formel-1-Auto, allerdings «nur» in der britischen Formel-1-Meisterschaft. Für die WM war sie drei Monate später gemeldet, schaffte in ihrem Williams-Cosworth aber die Quali nicht.

Divina Galica:

Die Britin versuchte sich im vergleichsweise stolzen 28 Jahren im Rennsport, dreimal nahm sie Anlauf, um sich 1976 und 1978 für ein Formel-1-Rennen zu qualifizieren. Sie scheiterte jedoch.

Schnell unterwegs war sie trotzdem, denn erfolgreicher war ihre Karriere im Wintersport: Ende der 1960er und 1970er Jahre war sie die erfolgreichste Skirennläuferin Großbritanniens, nahm dreimal an Olympischen Winterspielen teil.

Giovanna Amati:

Sie war 1992 die letzte Frau in der Formel 1. Schön war es nicht für sie, wie sie vor einigen Jahren verriet. Unflätige Kommentare, Macho-Gehabe und erschwerte Bedingungen: Sie hatte keine einzige Testfahrt absolviert und der Sitz war nicht auf sie angepasst.

Die Folge: Sie verpasste die Quali. Die Medien überschlugen sich mit Häme. «Da war keine Rede davon, dass ich für das schlechteste Team fuhr mit einem völlig unterlegenen Motor und einem Auto, dass einfach nicht fuhr. Das war schon sehr frustrierend und erniedrigend», sagte sie.

Die männlichen Kollegen? Haben sie komplett ignoriert. Der einzige, der zu ihr kam, war Ayrton Senna. «Alle anderen hatten nur was zu meckern. Gegipfelt hat das alles in Jean Alesi, der gesagt hat, ‚ah, die Formel 1 ist nicht mehr die Formel 1, wenn jetzt auch schon Frauen da fahren.‘ Als ich mich dann auch nicht qualifizieren konnte, war's das. ‚Klar, eine Frau. Wir haben es ja schon immer gesagt‘ und dergleichen.»

Insgesamt dreimal scheiterte sie in der «Gurke» in der Qualifikation, dann war das Abenteuer Formel 1 beendet.

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