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Legende Williams: Bettler, Weltmeister, Kellerkinder

Von Mathias Brunner
​Williams – nach Ferrari und McLaren der drittälteste Formel-1-Rennstall – präsentiert sich am 6. Februar. Das Traditions-Team hat im Lauf der Jahre alle Höhen und Tiefen der Königsklasse erlebt.

Ohne die scheinbar grenzenlose Energie von Frank Williams wäre dieser Rennstall nie entstanden. Alles begann mit Francis Owen Garbett Williams, als Sohn eines Offiziers der Royal Air Force und einer Lehrerin im englischen South Shields geboren. Als die Ehe seiner Eltern zerbrach, kümmerten sich in erster Linie seine Tante und sein Onkel um ihn, den grössten Teil seiner Kindheit und Jugend verbrachte er jedoch im Internat St. Joseph's College in Dumfries in Schottland.

Seine Liebe zum Motorsport wurde geboren, als er in den 1950er Jahren bei einem Freund in einem Jaguar XK150 mitfuhr. Wer hätte damals in den kühnsten Träumen daran gedacht, dass daraus der dritterfolgreichste Formel-1-Rennstall werden würde?

Nach einem kurzen Ausflug als Rennfahrer, ein Hobby, das er durch Arbeit als fliegender Händler finanzierte, gründete Frank Williams 1966 seinen ersten Rennstall «Frank Williams Racing Cars», für den in den nächsten Jahren unter anderen Piers Courage und Tony Trimmer in der Formel 2 und der Formel 3 antraten.

Jahrelang war es kein ungewöhnliches Bild, dass Williams in Europas Fahrerlagern um Geld oder Benzin bettelte, um von Rennen irgendwie wieder nach Hause zu kommen.

Williams finanzielle Lage war bisweilen so angespannt, dass er Telefonate bezüglich seines Rennstalls von einer öffentlichen Zelle aus führen musste, weil sein Telefon wegen unbezahlter Rechnungen wieder einmal gesperrt worden war.

Trotz chronischer Geldprobleme strampelte sich Williams bis in die Formel 1 hoch. Eine Zusammenarbeit mit dem italienischen Sportwagenhersteller De Tomaso endete tragisch – der von Dallara gebaute Renner von Frank Williams’ engem Freund Piers Courage ging in Zandvoort 1970 in Flammen auf, der Erbe der Bierdynastie hatte keine Überlebenschance.

1972 baute Williams das erste eigene Formel-1-Auto, den Politoys FX3, Henri Pescarolo zerstörte den bei einem Unfall schon im ersten Rennen.

Der unbeugsame, mehrsprachige Engländer sah sich immer nach Sponsoren um und klopfte auch bei Marlboro und Iso Rivolta, einer italienischen Automarke, an. Beide versprachen Unterstützung, hielten ihre Zusagen auf langfristige Abkommen aber nicht. Williams tat sich 1976 mit dem Öl-Magnaten Walter Wolf zusammen. Aber dort merkte Frank bald, dass er nicht mehr Herr im Hause war.

Draht zum Mittleren Osten

Ein Jahr später verliess Williams gemeinsam mit seinem Angestellten Patrick Head das Team, die beiden Freunde gründeten gemeinsam «Williams Grand Prix Engineering». Sie setzten mit Patrick Nève einen March-Renner ein, eine Zusammenarbeit mit saudi-arabischen Sponsoren begann. Das veränderte alles.

Mansour Ojjeh, Kopf der Investmentfirma TAG (Techniques d’Avant Garde), stolperte als Gast der saudischen Königsfamilie über den Motorsport – die hatte ihm zum Monaco-GP 1978 eingeladen. Die saudi-arabische Familie unterstützte damals den Rennstall von Frank Williams. TAG stieg ein Jahr später bei Williams ein.

Mit Clay Regazzoni wurde in Silverstone 1979 der erste Grand Prix gewonnen, ein Meilenstein, es folgten die WM-Titel 1980 mit Alan Jones und 1982 mit Keke Rosberg.

Frank Williams war in der Formel 1 vom Bettler zum Weltmeister geworden: Heute steht sein Team bei neun Konstrukteurs-Pokalen, sieben Fahrer-WM-Titeln (Alan Jones 1980, Keke Rosberg 1982, Nelson Piquet 1987, Nigel Mansell 1992, Alain Prost 1993, Damon Hill 1996 und Jacques Villeneuve 1997), bei 114 Siegen, 128-Pole-Positions und 133 besten Rennrunden. Nur Ferrari und McLaren sind erfolgreicher gewesen, Mercedes-Benz annähernd so gut.

Schwarze Stunden

Am 6. März 1986 veränderte sich Frank Williams' Leben von einer Minute auf die andere. Er war auf dem Weg von der Rennstrecke Paul Ricard zum Flughafen in Nizza, als er die Kontrolle über seinen Ford Sierra verlor, sich überschlug und zwischen Sitz und platt gedrücktem Dach eingeklemmt wurde. Dabei brach er sich zwischen dem 4. und 5. Rückenwirbel das Rückgrat und war fortan auf den Rollstuhl angewiesen, ausgerechnet Williams, den Fitnessfanatiker, der zum Ausgleich meilenweit joggte.

Am 1. Mai 1994 schlug für Frank Williams und sein Team die schwärzeste Stunde, als Ayrton Senna in Imola in seinem Auto tödlich verunglückte. Im Anschluss wurde Williams von der italienischen Staatsanwaltschaft wegen Totschlags angeklagt, eine völlig unnütze Hexenjagd, Williams wurde nach einem jahrelangen Verfahren aber freigesprochen. Alle Williams-Renner tragen seitdem einen Aufkleber mit dem Senna-S auf den Frontflügeln.

Im September 2016 zog sich Sir Frank eine Lungenentzündung zu, nachdem er sich einem Eingriff am Rücken unterzogen hatte. Aufgrund seines generellen Zustandes erholte er sich langsamer als ein normaler Patient.

Die Zeit ging auch an Frank Williams nicht spurlos vorbei. Viele Details über sein Hollywood-reifes Leben waren nicht mehr abrufbar, sein brillanter Verstand verblasste.

Frank Williams hat sich von seinem Schicksal nie unterkriegen lassen. Wie sein früherer Pilot Clay Regazzoni hat er gezeigt: Man kann auch im Rollstuhl aufrecht durchs Leben ziehen. Am 28. November stark der grosse Frank Williams.

Der Absturz

Die neunfachen Sieger des Konstrukteur-Pokals profitierten zu Beginn der Turbohybrid-Ära vom Bonus durch den bärenstarken Mercedes-Motor: 2014 und 2015 wurde der Rennstall jeweils WM-Dritter, dann begann der Absturz – nach den Rängen 5 in den Jahren 2016 und 2017 wurde Williams zwei Mal Letzter, 2019 konnte in 21 Rennen eben mal ein kümmerlicher Punkt eingefahren werden. 2020 war der Tiefpunkt erreicht: Erstmals in der Team-Historie konnte kein einziger Punkt eingefahren werden.

Williams geniesst als Traditions-Team grossen Respekt. Niemand will Williams am Boden sehen. Williams kam mir in den letzten Jahren vor, als würde ein alternder Boxer im Ring stehen, ein früherer Weltmeister, jetzt aber mit grauem Haar und müdem Blick. Kein echter Sportfan möchte, dass ein solcher Mann vermöbelt wird.

Im August 2020 wurde bestätigt – Firmengründer Frank Williams und seine Tocher Claire Williams verkaufen das Team, an die US-amerikanische Investment-Firma Dorilton Capital.

Für Ralf Schumacher war das wie ein Stich ins Herz. Der Deutsche ist von 1999 bis 2004 für das Traditions-Team gefahren und hat dort sechs Grand-Prix-Siege erobert. 2001 und 2002 ist er mit Williams WM-Vierter geworden. Der heutige Sky-GP-Experte kam um ein brutales Urteil nicht herum: «So wie es aussieht, waren weder Frank Williams noch seine Tochter in der Lage, das Team in modernem Stil zu führen.»

Nach einem Zwischenhoch 2021 (achter Platz im Konstrukteurs-Pokal) fiel Williams 2022 auf den letzten Platz zurück.

Williams kämpft weiter um den Anschluss ans Mittelfeld, 2023 mit dem langjährigen Red Bull-Piloten Alex Albon und mit dem GP-Debütanten Logan Sargeant.

Formel 1 2023

Präsentationen
06. Februar: Williams im Internet
07. Februar: Alfa Romeo in Zürich
11. Februar: AlphaTauri in New York
13. Februar: McLaren in Woking
13. Februar: Aston Martin in Silverstone
14. Februar: Ferrari in Maranello
15. Februar: Mercedes in Silverstone
16. Februar: Alpine in London

Wintertests
23. bis 25. Februar: Bahrain International Circuit

Formel-1-WM-Kalender
05.03. Bahrain-GP, Bahrain International Circuit, Sakhir
19.03. Saudi-Arabien-GP, Jeddah Corniche Circuit, Dschidda
02.04. Australien-GP, Albert Park Circuit, Melbourne
30.04. Aserbaidschan-GP, Baku City Circuit, Baku *
07.05. Miami-GP, Miami International Autodrome, Miami
21.05. Emilia Romagna-GP, Autodromo Enzo e Dino Ferrari, Imola
28.05. Monaco-GP, Circuit de Monaco, Monte Carlo
04.06. Spanien-GP, Circuit de Barcelona-Catalunya, Montmeló
18.06. Kanada-GP, Circuit Gilles Villeneuve, Montreal
02.07. Österreich-GP, Red Bull Ring, Spielberg *
09.07. Grossbritannien-GP, Silverstone Circuit, Silverstone
23.07. Ungarn-GP, Hungaroring, Budapest
30.07. Belgien-GP, Circuit de Spa-Francorchamps, Spa *
27.08. Niederlande-GP, Circuit Zandvoort, Zandvoort
03.09. Italien-GP, Autodromo Nazionale di Monza, Monza
17.09. Singapur-GP, Marina Bay Street Circuit, Singapur
24.09. Japan-GP, Suzuka International Racing Course, Suzuka
08.10. Katar-GP, Losail International Circuit, Doha *
22.10. Austin-GP, Circuit of the Americas, Austin *
29.10. Mexiko-GP, Autódromo Hermann Rodríguez, Mexiko-Stadt
05.11. Brasilien-GP, Autódromo José Carlos Pace, Interlagos *
18.11. Las Vegas-GP, Las Vegas Street Circuit, Las Vegas
26.11. Abu Dhabi-GP, Yas Marina Circuit, Yas Island

* Sprint-Format

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