F1, CR7: Wie Saudi-Arabien mit Sport Politik macht
Die Formel 1 fährt in Saudi-Arabien
Der Wechsel von Cristiano Ronaldo hat Ende vergangenen Jahres für große Schalgzeilen gesorgt. Der 37-Jährige setzt seine illustre Karriere bei Al-Nassr fort, er kassiert angeblich 200 Millionen Euro pro Jahr. Ein finanzieller Coup für ihn, ein strategischer und politischer für Saudi-Arabien.
Denn der Deal ist auch «Bestandteil einer in Saudi-Arabien schon länger gepflegten Strategie, sich den Sport zunutze zu machen für eine grundsätzliche Weiterentwicklung des eigenen Staatswesens», sagt Sportpolitik-Experte Jürgen Mittag SPEEDWEEK.com: «Es ist ein Baustein in dem Entwicklungsplan 'Vision 2030', in dem Sport eine ganze zentrale Rolle spielt.»
Denn bis dahin möchte sich der Golfstaat dank diverser milliardenschwerer Großprojekte, zu dem auch der Sport gehört, ein neues Image verpassen, ein auf Hochglanz poliertes. Geld spielt dabei nur eine untergeordnete Rolle.
Diverse milliardenschwere Großprojekte
Und mit Stars wie Ronaldo, einem Klub wie Newcastle United, Events wie der Formel 1 oder den asiatischen Winterspielen 2029 will man von den Missständen im eigenen Land ablenken.
Die Menschenrechtsorganisation Amnesty International kritisierte die Verpflichtung Ronaldos scharf, denn sie füge sich in ein breiteres Muster von Sportswashing in Saudi-Arabien ein, so Dana Ahmed, die Nahost-Expertin von Amnesty International. «Es ist sehr wahrscheinlich, dass die saudischen Behörden Ronaldos Anwesenheit im Land als Mittel zur Ablenkung von der erschreckenden Menschenrechtsbilanz des Landes nutzen werden.»
Das macht Saudi-Arabien mit allen Sportevents, auch mit der Formel 1. Aus rein finanzieller Sicht kann die Königsklasse kaum «Nein» sagen. Saudi-Arabien greift tatsächlich tief in die Tasche, insgesamt soll der Deal über zehn Jahre 900 Millionen Dollar wert sein.
Saudi-Arabien hat erst vor ein paar Jahren und damit vergleichsweise spät begonnen, den Sport zu nutzen, um «die Stärke und die Kraft des eigenen Regimes und Potenzials zum Ausdruck zu bringen», erklärt Mittag. Dabei findet zwischen den Golfstaaten Saudi-Arabien, den Vereinigten Arabischen Emiraten und Katar ein regelrechter Sportswashing-Wettbewerb statt. Alle drei sind nicht umsonst Gastegber eines Formel-1-Rennens.
Für viel Geld, versteht sich.
Auch Katar betreibt Sportswashing
Viele Fans dürften das Thema noch kennen, denn Fußball-WM-Gastgeber Katar wurde ebenfalls vorgeworfen, den fragwürdigen Umgang mit Menschenrechten oder Diskriminierung mit Sportswashing zu kaschieren.
Im direkten Vergleich mit Katar ist Saudi-Arabien aber noch einmal «eine ganz andere Hausnummer, denn es hat eine viel kritischer zu bewertende Dimension als in Katar», sagt Mittag und weiter: «Es ist eines der Länder der Welt, in dem die meisten Menschenrechtsverletzungen begangen werden. Das Land ist viel restriktiver und nach westlichen Maßstäben weitaus problematischer zu sehen, denn die Missstände sind drastischer und die Veränderungen weitaus geringer als in anderen Golfstaaten». Saudi-Arabien sei in der Hinsicht ein Problemfall mit sehr langen Veränderungsperspektiven, betonte der Experte von der Deutschen Sporthochschule in Köln.
Harsche Kritik von Amnesty International
Weltweites Aufsehen erregte zum Beispiel der Mord an dem Journalisten Jamal Khashoggi 2018. Im vergangenen Jahr wurden an einem Tag 81 Menschen hingerichtet, «viele von ihnen in grob unfairen Prozessen», kritisiert Menschenrechtlerin Ahmed. «Die Behörden gehen auch weiterhin hart gegen die Meinungs- und Versammlungsfreiheit vor und verurteilen Menschenrechtsverteidiger, Frauenrechtler und andere politische Aktivisten zu hohen Haftstrafen». Viele Veränderungen sind daher eher oberflächlich und nicht nachhaltig.
Fest steht: Ronaldo und auch die Formel 1 werden nicht die letzten sportpolitischen Coups gewesen sein. «Wir werden die arabischen Länder als sportpolitische Akteure noch stärker ins Blickfeld nehmen müssen und damit auch veränderte Akzente in sportpolitischer Dimension. Dem Sport kommt eine immer größere Bedeutung zu», sagt Mittag.
Saudi-Arabien werde sich dabei als Akteur noch stärker präsentieren und positionieren: «Das macht deutlich, dass das Land Ernst macht und eine langfristige Strategie verfolgt.» Leider nicht in Menschenrechtsfragen.