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Willkommen in Shanghai!

Kolumne von Mathias Brunner
Und jeder davon hupt …

Und jeder davon hupt …

Von Dominas, Bombenlegern, Formel-1-Stars und chinesischen Taxifahrern im Hawaii-Hemd.

Was ist eigentlich aus der Romantik des Fliegens geworden?

Einst fieberten wir fernen Ländern entgegen, Fliegen war etwas Exotisches, verbunden mit neuen Eindrücken, die Piloten kümmerten sich noch höchstpersönlich um die Gäste an Bord und wurden in ihren schnieken Uniformen von den weiblichen Passagieren angehimmelt, und so mancher Fluggast freute sich verstohlen auf einen flüchtigen Flirt mit einer Stewardess.

Heute beginnt eine Flugreise am Boden – mit unhöflichem Sicherheitspersonal, das einem die Vorfreude auf jede Reise gleich mal verhagelt.

«Aufmachen!» herrscht mich eine Domina in Uniform am Flughafen Zürich-Kloten an und knallt mir meinen Pilotenkoffer auf den Metall-Tresen. «Kein Problem», erwidere ich höflich und schicke mich an, den Gordischen Knoten aus Büchern, Computer-Zubehör, SPEEDWEEK-Layouts, noch mehr Büchern, Stecker für China und Bahrain, Agenda, Telefonverzeichnis, Laptop und einigen Büchern zu entwirren.

Weit komme ich damit nicht, vielleicht eineinhalb Sekunden.

«Stopp!» höre ich. «Sie rühren das nicht an!»

Ich trete sicherheitshalber einen Meter zurück, man kann nie wissen.

«Ich mache das selber», meint Domina und schickt sich an, obigen Inhalt auszuräumen. Einen Teil davon kippt sie lieblos in eine Kunststoff-Wanne, der Koffer mit dem Rest klickt zu, Wanne und Koffer werden nochmals durchleuchtet und die Bilder von einigen Fachkräften diskutiert.

Dann knallt sie mir alles wieder auf den Metall-Tresen, knurrt «isgut», dreht sich um und diskutiert mit ihrem Kollegen, was sie an Ostern so alles unternommen hat. Ich höre das nur gemurmelt, nehme aber an, es hat etwas mit dem Quälen von Menschen zu tun.

Ist es nicht erstaunlich? Beim Auspacken darf ich nichts anrühren, aber mein pack-technisches Gesamtkunstwerk wieder zu erstellen, das obliegt dann durchaus mir.

Zeitsprung: In Gesellschaft der Formel-1-Piloten Fernando Alonso (etwas weiter vorne im Flieger als unsereins), Paul Di Resta und Bruno Senna ist SPEEDWEEK von Emirates sicher in Shanghai abgesetzt worden. (Sie dürfen an dieser Stelle raten: Der Medien-Delegierte welches Rennstalls fliegt Erste Klasse um die Welt? Kleiner Tipp: Die Autos dieses Rennstalls sind rot …)

Wir warten bei der Einwanderung.

Noch vor wenigen Jahren lautete die Übersetzung von «Immigration in Shanghai» ungefähr «chinesische Tropfen-Folter» – das Verhör des Einwanderungs-Beamten war kein Zuckerschlecken und schloss Fragen ein wie «In welchen Ländern waren Sie in den letzten zehn Jahren?» oder «Welches war die Militär-Karriere ihres Grossvaters väterlicherseits?» Heute klappt das in einer Atmosphäre von Effizienz und Zuvorkommenheit und sogar die Schuhnummer meiner Oma ist nicht mehr von Relevanz.

Ausser man hat beim Einreiseformular einen Punkt nicht gesetzt oder ein i-Tüpfelchen schräg gekritzelt. Da kennen die Chinesen nichts. Jedenfalls muss der Reisende unmittelbar vor mir, dem Aussehen nach ein Inder, wieder zurück an jene Tische stiefeln, wo die gelbweissen Formulare aufliegen. Leider lässt er dabei seinen Aktenkoffer stehen.

Das Geschrei ist gross.

Drei Beamte stürzen daher – einer wirft sich auf den Koffer, einer wirft sich schützend vor den Einwanderungs-Beamten, was nicht notwendig gewesen wäre, weil der in seinem Kabäuschen verschwunden ist, und einer wirft sich auf den armen Inder, der nicht weiss, wie ihm geschieht. Einiges Adrenalin und Wortgeplänkel später stellt sich heraus: Der Inder ist kein Bombenleger, sondern nur ein Jetlag-geplagter Mann, der seinen Koffer stehen liess.

Nächste Mission: Dem Taxifahrer klarmachen, wohin ich will.

Das ist in Shanghai nicht so einfach, denn die meisten Taxifahrer sprechen mehrere chinesische Dialekte, Englisch jedoch gehört nicht zum Sprachschatz und schon gar kein Wort wie Malliott-Hotel.

Dabei trägt der Fahrer ein Hawaii-Hemd, und am Lenkrad prangt ein Kleber – «USA, proud and free». Was das mit China zu tun hat, weiss niemand, ausser vielleicht, dass die Chinesen auf ihr Land stolz sind und viele von ihnen vielleicht glauben, frei zu sein.

Jedenfalls muss der Taxi-Einweiser dem Taxi-Fahrer erklären, wohin der Fahrgast will. Was dann folgt, ist das übliche Abenteuer namens Strassenverkehr in Shanghai: Willkommen in der Welthauptstadt des Hupens (einen Titel, den Shanghai abwechselnd mit Neu-Delhi gewinnt), des überraschenden Spurwechsels und einiger gewöhnungsbedürftiger Manöver wie etwa dem gepflegten Rückwärtsfahren auf Autobahnbrücken-Zubringern, dem fleissigen Spucken aus dem Fenster oder dem lautstarken Zusammenstauchen anderer Verkehrsteilnehmer, darunter (auf der Autobahn, wohlgemerkt) Mofas mit Schweinehälften auf dem Gepäckträger oder bedrohlich schwankende Fahrräder.

Aber irgendwann steht unser Taxi wirklich vor einem Hotel, dem richtigen obendrein. Wir steigen aus, widerstehen dem starken Drang, den Boden zu küssen, und werden an der Rezeption lächelnd empfangen: «Willkommen in Shanghai.»

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