KTM: Im Werk gingen die Lichter aus

Willkommen in Japan!

Kolumne von Mathias Brunner
Wo genau bin ich?

Wo genau bin ich?

Von der Entdeckung der Langsamkeit, brummenden Eisschränken und zeigefreudigen Kulinarikern.

Zerknittert wie eine ausgelesene Zeitung, die Augenlider aus Blei, ein Kopf wie Watte, so stehen wir Europäer vor der Einwanderungs-Beamtin in Nagoya. In der Menge zu sehen: Nico Rosberg, Pedro de la Rosa, viel Personal von Ferrari und Sauber, Williams-Günstling Valtteri Bottas. Keiner von ihnen sieht frischer aus.

Die Beamtin fragt: «Business?»

Ich antworte: «Ich fahre weiter nach Suzuka, um vom Formel-1-Lauf zu berichten.»

«Hm?»

«Formel 1, äh, Autorennen.»

«Hm?»

«Grands Prix eben, Formula One, Suzuka, Kamui Kobayashi.»

Endlich geht im Land der aufgehenden Sonne in diesem Gesicht auch die Sonne auf.

«Oooooooh, Kobayashi-san, hai!» Womit mein Pass abgestempelt wird, als ginge es um die Weltmeisterschaft im Pass-Abstempeln.

Unser Fahrer nimmt auch an einer Weltmeisterschaft teil: Der WM im Langsam-Fahren. Alles überholt uns: Geschäftsmänner in schicken BMW, Hausfrauen in schnittigen Toyota, grimmig dreinschauende Lastwagenfahrer in klapprigen Vehikeln, Omas auf Fahrrädern. (Also gut, bei den Omas habe ich etwas geschwindelt.)

Zum Segen der modernen Kommunikation gehört die Erfindung des iPhones. Ich suche ein App namens iTranslate, wähle «Von Englisch zu Japanisch» und gebe «faster» ein. Es erscheinen einige putzige Schriftzeichen und eine ziemlich niedliche Stimme sagt etwas, das ich nicht verstehe, aber der Fahrer schon. Er beginnt zu lachen, sagt «hai-hai» und gibt tatsächlich endlich mehr Gas. Ungefähr 1,2 km/h mehr.

Zum «Suzuka Circuit» zu kommen, ist immer eine Schau: Der Lunapark gleich neben der Rennstrecke ist einmalig, die Berg- und Talbahn selber erhält auf der Bewertungs-Skala der GP-Fahrer von 1 (zum Gähnen) bis 10 (Spitzenklasse) ungefähr eine 11.

Im Fahrerlager das übliche Gewusel: Catering-Spezialisten räumen ihre Kabäuschen ein, die Mechaniker sind bienenfleissig, Offizielle suchen nach Beschäftigung. Noch vor zwei Tagen haben hier Ausläufer eines Taifuns gewütet. Nun haben wir mit viel Sonne und 26 Grad wahrlich Postkartenwetter. Aber das kann, so nahe am Meer, schnell ändern.

Was mir an Japan immer wieder gefällt, ist die Höflichkeit der Menschen. Asiaten sind nicht Asiaten. Wer sich im Frühling über die Ellbogen-Mentalität der Chinesen ärgert, freut sich schon auf den Herbst in Suzuka.

Die Korrektheit der Japaner kann skurrile Ausmasse annehmen. Einst assen wir in einem Restaurant, wo natürlich keiner der englischen Sprache mächtig war. Das ist okay. Wir sind hier die Gäste. Also zeigten wir diskret auf die Teller einiger japanischer Restaurant-Besucher, die natürlich schnell raus hatten, was hier passiert. Als winkten sie uns zu ihren Tischen und präsentieren bereitwillig alle Gerichte. Einige zeigten auf ein Gericht und machten dazu «hmmmmmmm», andere zeigte auf anderes und verzogen ein klein wenig das Gesicht. Basierend auf diesen Informationen gaben wir unsere Bestellung auf. Das Essen war hervorragend. Also liessen wir am Ende etwas mehr als die eigentliche Zeche auf dem Tisch zurück.

Wieviele Länder der Welt kennen sie, in welchen Ihnen das Personal auf die Strasse nachrennt, um ihnen den Restbetrag unter tausend Bücklingen zurückzugeben?

Da kann man schon über kleine Nachteile hinwegsehen. Etwa über die Zimmergrösse für «Blunnel-san» in unserem Geschäfts-Hotel: Ich habe jeweils die Wahl – entweder Koffer komplett öffnen oder das Bett benutzen. Beides zusammen geht nicht. Das Bett selber ist steinhart (das ist okay), mit einem Kissen aus Reis (das ist auch okay), dafür gucken meine Beine ungefähr unterhalb des Knies ins Freie. Oder ich schlafe wie ein Croissant.

Den Unterhaltungswert japanischer TV-Shows erschliesst sich Ausländern nur schwer, dafür hat unsereines viel Arbeit und (falls denn doch mal Feierabend ist) reichlich Bücher dabei.

Inzwischen weiss ich auswendig, wo der Stecker des sonor vor sich hin brummenden Kühlschranks steckt. Seinem grossen Bruder gleich unterm Fenster namens Hotel-Entlüftung wird da etwas schwieriger beizukommen sein …

Schlafen werde ich heute Abend trotzdem – die Zeitverschiebung und ein Asahi werden’s schon richten.

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