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Willkommen in Japan, Teil 2

Kolumne von Mathias Brunner
Beim Kaffee ist hier Tommy Lee Jones der Boss

Beim Kaffee ist hier Tommy Lee Jones der Boss

Von Chinesen geweckt, von Grillen bezirpt, vom schwarzen Gürtel aufgehalten – ein Morgengruss aus Suzuka.

Wie schläft es sich, wenn man tags zuvor um die halbe Welt geflogen ist und sich in einer fremden Zeitzone wiederfindet?

Eigentlich ganz gut – bis man unerwartet von einem auf 06.00 Uhr gestellten Zimmerwecker aus süssen Träumen gerissen wird. Wundern hätte uns das nicht müssen: der Wecker stammt aus China (siehe «Willkommen in Japan» vom 3. Oktober).

Mein Vorbewohner muss Frühaufsteher gewesen sein. Rasche Bestandsaufnahme: Schlafen wir jetzt nochmals ein, dann weckt das Handy genau dann, wenn wir uns in einer Tiefschlafphase befinden. Also gleich aufstehen.

Jeder Tag beginnt gut, wenn vom Hotelzimmer-Fenster aus in der Ferne das Riesenrad von Suzuka zu erkennen ist. Und wenn die Sonne vom Himmel lacht. Duschen und Anziehen sind eins. Dann der übliche Fussmarsch vom Hotel zum Bahnhof des Kaffs Shiroko.

Die heutige Welt ist sehr kompliziert, also lohnt es sich, den einfachen Dingen Aufmerksamkeit zu schenken und sich daran zu erfreuen: Vögel zwitschern, Libellen flirren, Grillen zirpen (und da ist dann Schluss mit japanischer Zurückhaltung), Mädchen kichern.

Mädchen kichern?

Genau: wir hätten noch erwähnen sollen, dass morgens an der Shiroko-Station ungefähr tausend Schulkinder unterwegs sind.

Es bleibt noch Zeit für eine der segensreichsten aller japanischen Erfindungen: Kaffee aus dem Automaten in Dosen – warm! Und der schmeckt auch noch hervorragend. Ein Rosinenbrötchen dazu, und das Frühstück im Freien ist zwar nicht perfekt, aber alles ist besser als das Buffet im Hotel. Dort liegt jeweils als Rührei getarnter Fischkleister bereit, ergänzt von Speck, der nach Karton schmeckt und einem Kaffee, für den George Clooney gewiss keine Werbung machen würde. Dazu läuft ab Band seit Jahren die gleiche Musik: ein geigenlastiges Werk, offenbar von einem schwer depressiven Komponisten. Das ist noch schwerer verdaulich als der Fischkleister.

Der Medien-Bus sollte um 07.30 Uhr abfahren. Nach einem Klischee gelten die Schweizer ja als pünktlich. Die Weltmeister im Pünktlich-Sein sind jedoch die Japaner. Unser Bus fährt exakt um 07.29 Uhr an. Wir werden weissbehandschuht und schwarzbemützt begrüsst, dabei behält der Fahrer seine Digital-Uhr im Auge, und punkt 07.30 Uhr setzt sich der Bus in Bewegung. Auf die Sekunde.

Am Stau kann der gute Mann dann auch nichts ändern. Wir tun, was wir in solchen Fällen immer tun: lesen (gegenwärtig die Autobiographie des US-amerikanischen Stuntman Hal Needham, sehr zu empfehlen).

An der Rennstrecke die erste kleine Überraschung: das elektronische Drehkreuz ins Allerheiligste (das Fahrerlager) ist unwillig, auch nur einen Pass zu akzeptieren. Ich schätze, es hatte noch keinen Kaffee. Die Pirelli-Truppe ist auch schon da. Die Mitarbeiter klettern über die Schranke, wir auch.

Nächste Überraschung: das Medien-Zentrum ist geschlossen. Das ist etwas unpraktisch, wenn wir einen Bericht aus Japan absetzen wollen. Die japanische Torwächterin steht auf ihrem Posten wie der Fels von Gibraltar. Wir mustern sie kurz. Sie trägt einen schwarzen Gürtel, da sollte man vorsichtig sein …

Wir bitten in der Schweizer Formel-1-Botschaft um Asyl (Übersetzung: beim Sauber-Team). Wie immer werden wir mit offenen Türen empfangen. Ein Espresso und ein Laptop-Aufklappen später tippen wir im weissen Verschlag unseren Bericht. Das hat schon einen Hauch von Nostalgie: früher war jedes Pressezentrum nicht halb so bequem wie der Sauber-Gästebereich. Da gab es Verschläge, in welchen ein interessantes akustisches Phänomen zu beobachten war: IM Medienverhau war die Geräuschkulisse von 26 Autos lauter als DRAUSSEN. Es war die Ära der ersten Laptops (ich sage nur: Tandy 200), gemessen an den heutigen Geräten mit der Rechenleistung eines Zählrahmens, es war die Ära der Akustik-Koppler und der zusammebrechenden Leitungen (was jeweils das Zusammenbrechen des entsprechenden Berichterstatters nach sich zog).

Vor den Fenster zieht bei bunter Menschenstrom vorbei: die ganzen Teammitglieder kommen zur Arbeit. Die meisten Gespräche drehen sich um drei Schwerpunkte.

Erstens: Wo habt ihr gestern gegessen?

Zweitens: Ist euer Zimmer auch so klein?

Drittens: Wer gewinnt am Sonntag?

Die ersten beiden Fragen sind leicht zu beantworten, die dritte nicht. Wir stecken im letzten Saisondrittel, und selbst wenn die WM-Führung von Fernando Alonso komfortabel ist, so liegt für Vettel und Hamilton noch alles drin.

Draussen begrüsst der japanischen Pistensprecher lautstark die Gäste: heute ist Tag der offenen Tür, zu Tausenden sind die Fans schon auf den Socken am «Suzuka Circuit». In den Gesichern steht glühende Vorfreude: allein diese Erwartung zu sehen, lohnt das Aufstehen.

Und heute Abend, wenn ein sehr langer Tag zur Neige gehen wird?

Die Faustregel zur Bekämpfung von Jetlag lautet: So schnell als möglich in den Rhythmus des jeweiligen Landes kommen. Eine andere Faustregel: die zweite Nacht ist schwieriger als die erste (ich weiss auch nicht, wieso).

Von daher wird heute Abend wohl gelten – bitte noch ein Asahi …

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