Waldsterben: Es war alles nur Panikmache

Kolumne von Günther Wiesinger
Gedeiht: Alte Waldgerade in Hockenheim

Gedeiht: Alte Waldgerade in Hockenheim

Der Wald stirbt nicht, er breitet sich sogar aus. Aber an den Schweizer Tempolimits wird nicht gerüttelt.

Saurer Regen, Borkenkäfer und Waldsterben – das waren die heissen Themen in den 80er-Jahren, lange vor der Eurokrise, dem Rettungsschirm und Griechenland. Von einer Panikstimmung im Forst, berichteten die Medien.

In der Schweiz wurde das Waldsterben 1985 rigoros bekämpft; die weitsichtigen Schweizer Politiker haben damals entschlossen reagiert und per 1. Januar 1985 aus ökologischen Gründen Tempo 120 (statt 130) auf den Autobahnen und Tempo 80 statt 100 auf Kantonsstrassen eingeführt.

Dank dieser weitsichtigen Massnahme hat der todgeweihte Schweizer Wald überlebt.

Noch besser: Er vermehrt sich sogar – sogar in ganz Europa. Obwohl dort höhere Tempolimits gelten… In der Schweiz wurde zwischen 1995 bis 2006 ein Waldwachstum von 59.000 Hektar auf 1,28 Millionen Hektar verzeichnet. Das entspricht der zweifachen Fläche des Kantons Schaffhausen. Im Kanton Wallis wird ein jährlicher Zuwachs von 1000 Hektar Wald gemeldet. Das kommt einem täglichen Zuwachs von drei Fussballfeldern gleich. Er breitet sich in erster Linie auf nicht genützten Alpflächen aus.

Während um das angebliche Waldsterben einst ein Riesengeschrei gemacht wurde, wird die hemmungslose Ausbreitung des Baumbestandes nicht nur in der Schweiz von den Medien totgeschwiegen. Und in aller Stille werden jetzt öffentliche Gelder dazu verwendet, im Wallis hektarweise Wälder abzuholzen, um neuen Lebensraum für Tiere und Pflanzen zu schaffen. Die Bauern erhalten für diese Arbeit sogar Direktzahlungen vom Staat.

Das läuft alles still und heimlich ab. Sonst könnte jemand auf die kühne Idee kommen, die aktuellen Tempolimits zu thematisieren und zu fragen, ob sie nicht auf die Nachbarländer (meist 130 km/h/100 km/h) abgestimmt werden könnten. Und es könnte ja sogar jemand die Frage stellen, warum motorsportliche Rundstreckenrennen in der Schweiz immer noch verboten sind. Der Motorsport hat voraussichtlich noch keinen einzigen Baum auf dem Gewissen, denn rund um den Hockenheimring, den Nürburgring, den Sachsenring oder das Automotodrom in Brünn gedeihen die herrlichsten Bäume.

Aber an dieses Thema wagt sich gewiss kein Politiker ran. Wer will schon für welke Tannen oder Fichten geradestehen und für den Motorsport eine Lanze brechen?

Heute ist längst klar: Die Waldsterben-Hysterie war reine Panikmache und hatte mit dem Autoverkehr wenig zu tun. Und die 10 km/h weniger auf der Autobahn lassen die Bäume ziemlich kalt. Denn der Wald litt damals in erster Linie in Gegenden, wo Umweltschutz ein Fremdwort war, zum Beispiel hinter dem Eisernen Vorhang.

Unterschiedliche Autobahngeschwindigkeiten retten den Wald nicht. Ich werde das Gefühl nicht los, ein herkömmlicher Baum kriegt gar nicht mit, ob sich irgendein Hyundai mit 112 oder 132 km/h vorbeiquält.

Wer in der Schweiz lebt, wird hinsichtlich Waldqualität in grenznahen Gebieten auf Schweizer Boden keinen eklatanten Unterschied erkennen, obwohl immer wieder Autoabgase bei der illegalen Einreise aus Deutschland in die Schweiz ertappt werden. Sie sickern rücksichtslos aus Ländern mit höheren Autobahnlimits ein und scheren sich nicht um Schengen oder Landesgrenzen. Und im Schweizer Landesinnern sehen die Bäume nicht anders aus als in Italien oder Frankreich oder Österreich, obwohl dort auf den Autobahnen ein bisschen stärker aufs Gaspedeal getreten wird.

Die Bevölkerung in Deutschland war 1981 durch beängstigende Artikel in «Stern» und «SPIEGEL» zum Thema Waldsterben wachgerüttelt worden. 1983 erreichte das Thema auch die Schweiz.

Heute redet kein Mensch mehr über den Wald. Er hat nicht nur überlebt, er breitet sich gewaltig aus. Katalysatoren, bleifreier Sprit und verbrauchsärmere Motoren und viele andere Umweltschutzmassnahmen haben sicher mehr dazu beigetragen als 10 km/h Spitzengeschwindigkeit weniger auf den Schweizer Autobahnen.

Wir sind alle keine Klimaforscher, aber wir verfolgen die Diskussionen über die globale Erwärmung und den Klimawandel. Skepsis ist angebracht. Die Wissenschaftler widersprechen sich. Ich weiss nur eines: Mir waren der Februar 2012 und der April eindeutig zu kalt.

Und obwohl ich für dieses Ressort nicht zuständig bin: Solange in Frankreich 58 Atomkraftwerke in Betrieb sind, bleibt mir der Atomausstieg in der Schweiz und in Deutschland ein bisschen unbegreiflich.

Alles nur Etikettenschwindel – wie beim Waldsterben?

Als Österreicher bin ich ein bisschen stolz. Denn wir haben uns von der Atomenergie zeitlebens ferngehalten. Na ja, ein Atomkraftwerk haben wir schon gebaut, in Zwentendorf/Niederösterreich. Am 4. April 1972 wurde mit dem Bau begonnen. Es hat damals den Schnäppchenpreis von 1 Milliarde Euro gekostet. Aber dann kam es zu Diskussionen über die Sicherheit von Atomkraftwerken. Bundeskanzler Bruno Kreisky wollte seine Chancen für die Nationalratswahl nicht aufs Spiel setzen, er liess sicherheitshalber eine Volksbefragung durchführen.

Mit 50,47 Prozent votierte eine hauchdünne Mehrheit gegen die Inbetriebnahme von Zwentendorf. Jetzt haben wir halt als einziges Land der Welt ein 1:1-Modell eines Atomkraftwerks an der Donau stehen.

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