KTM: Im Werk gingen die Lichter aus

Technik-Serie: Allrad bedeutet nicht Allheil

Von Mathias Brunner
Stirling Moss mit seinem Ferguson P99 in Oulton Park 1961.

Stirling Moss mit seinem Ferguson P99 in Oulton Park 1961.

Es schien mir eine gute Idee zu sein: Wieso der Vierrad-Antrieb im GP-Sport ein Fiasko war.

Gut gemeint ist leider oft das Gegenteil von gut: Die Formel 1 gilt als Schmelztigel der hellen Köpfe, aber nicht jede Entwicklung ist bahnbrechend. Viele erwecken eher den Eindruck: Der Begriff Schnapsidee beschreibt sehr schön, wie die Inspiration zustande gekommen ist …
Das Leben ist nicht immer fair: Einige Einfälle waren ihrer Zeit voraus, andere kamen hingegen etwas zu spät, wieder andere scheiterten an Umständen, die von den Technikern nicht vorhergesagt werden konnten.
In einer kleinen Serie ohne Anspruch auf Vollständigkeit möchten wir Ihnen zwölf solcher Genie- oder anderer Streiche präsentieren. Wir sind uns dessen bewusst, dass wir dabei möglicherweise einen Kniff kritisieren, den ein anderer Formel-1-Anhänger wunderbar findet. Wenn wir also etwas provozieren, dann immer auch mit Augenzwinkern und ohne bösen Willen.
Aus der Serie «Es schien mir eine gute Idee zu sein», präsentieren wir Ihnen heute:

Allrad-Antrieb

Hin und wieder dauert es auch in der Formel 1 eine Weile, bis der Groschen fällt: Die britische Renn-Legende Stirling Moss triumphierte beim Gold-Cup von Oulton Park (England) 1961 im Ferguson P99. Das Bemerkenswerte an diesem Auto: Es wies vier angetriebene Räder auf.
Dennoch könnten wir nun nicht behaupten, dass eine Revolution in Gang gesetzt war, wie Ende der 50er Jahre mit dem Umbruch von GP-Rennern mit Frontmotor zu Heckmotor-Boliden.
Hatte es in Oulton Park nicht geregnet? War Moss nicht der beste Fahrer seiner Epoche? Ging der Sieg beim nicht zur WM zählenden Formel-1-Lauf demnach nicht vielmehr auf das Konto Stirlings?
Die Wurzeln des Ferguson gehen auf Motorrad-Star Freddie Dixon zurück. Er wollte mit einem allradgetriebenen Auto den Geschwindigkeits-Weltrekord angreifen. Leider konnte er sein Projekt nie finanzieren. Auf der Suche nach Geld traf er Harry Ferguson, einen Traktoren-Hersteller. Zusammen mit einem weiteren Rennfahrer (Tony Rolt, 1953 Le-Mans-Sieger) wurde eine Forschungsfirma gegründet, die sich unter anderem um Allradantrieb kümmerte.
Ferguson klopfte an verschiedene Türen, doch kein Hersteller war interessiert. Worauf der Unternehmer kurzerhand selber einen GP-Renner baute. Aber die Formel 1 befand sich im Wandel, das Motorenreglement wurde umgestellt, von 2,5-Liter-Aggregaten auf 1,5-Liter-Motoren. Die kleineren, leichteren Triebwerke bedeuteten freilich: Der Vorteil des Vierrad-Antriebs war durch dessen Gewicht eliminiert. Zudem besass Ferguson nie die Mittel, um ein Team in der Formel-1-WM einzusetzen.
So gingen einige Jahre ins Land, bis BRM gegen Ende der 60er Jahre wieder mit Allrad-Antrieb von Ferguson zu experimentieren begann. Inzwischen fuhr fast die ganze Formel 1 mit dem Dreiliter-V8-Motor von Cosworth.
Auch Matra, Lotus und McLaren (sowie Cosworth selber mit einem eher unattraktiven rollenden Labor) befassten sich mit Vierrad-Antrieb. Ferguson freilich blieb der einzige Sieger – denn über einen zweiten Rang eines Lotus 63 von Jochen Rindt (kurioserweise erneut im Gold-Cup) kamen die anderen nie hinaus. Zumal die Probleme die gleichen geblieben waren – zu viel Gewicht, zu schwierig im Wagen unterzubringen, zu voluminös.
Enorme Fortschritte in der Reifenentwicklung sowie die Entdeckung von Flügeln zur Verbesserung der Traktion machten dem Vierrad-Antrieb in der Formel 1 dann den Garaus. Seit 1983 untersagt das F1-Reglement Allradler.
Den Siegeszug im Motorsport mussten andere antreten – Audi bewies Jahre später mit dem Quattro Vorsprung durch Technik.
Und was wurde aus dem P99? Er ermöglichte Peter Westbury den britischen Bergtitel 1964.

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