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Fernando Alonso: Am Ende eine Enttäuschung

Von Peter Hesseler
In Valencia zaubert Alonso sich zum Sieg

In Valencia zaubert Alonso sich zum Sieg

Weltmeister-Serie Teil 3: Alonso fuhr wie entfesselt, Ferrari arbeitete brillant, nur beim Autobau nicht. Folge: Zweite Plätze.

Fernando Alonso ist zum dritten Mal nach 2007 und 2010 in einem WM-Finale gescheitert. Sportlich hat der Spanier alles dafür getan, Ruhm und Ehre auf sich zu häufen. Am Stil mangelte es zuweilen, jedenfalls abseits der Piste. Und jetzt, mit 31 Jahren, läuft ihm die Zeit weg.

Der Ferrari-Pilot wurde landauf, landab zum Fahrer des Jahres gekürt. Für die gewaltige Leistung, die er 2012 erbracht hat. «Er ist ein grossartiger Rennfahrer», lobt Weltmeister Sebastian Vettel. Niemand würde daran zweifeln.

«Mit einem Auto bis zum letzten Meter um die Weltmeisterschaft zu kämpfen, das am Anfang der Saison eineinhalb Sekunden pro Runde zu langsam war, darauf können wir stolz sein,» sagt der 31-Jährige aus Oviedo. Damit ist sein Saisonfazit auf den Punkt gebracht. Er präzisiert: «Keine taktischen Fehler, keine verpatzten Boxenstopps, keine Standfestigkeitsprobleme, keine Fahrfehler, wir können uns nichts vorwerfen.»

Das könnte man so sagen.

Trotzdem musste sich Ferrari, musste sich auch Alonso nach Saisonende Kritik anhören. Denn die Scuderia versuchte Tage nach der letzten Zieldurchfahrt an der Niederlage zu deuteln. Beide behaupten das Gegenteil, doch wie anders sollte man es deuten, dass eine Anfrage der Scuderia nach der Rechtmässigkeit des Ergebnisses des Finals von Brasilien – und damit von Vettels Titelgewinn – beim Weltverband in Paris einging? Der zu Folge sollte der Red-Bull-Racing-Pilot auf dem Weg zu seinem sechsten Platz in Interlagos verbotenerweise unter gelben Flaggen überholt haben. Es war ein halbherziger Versuch, nicht mal ein offizieller Protest. Dafür hat die Beweislage nicht ausgereicht.

Die ganze Welt zeigte mit dem Finger auf den Hinterhalt von Maranello. Was hat Ferrari da bloss geritten? Vielleicht Verzweiflung, denn die Scuderia übt sich nunmehr seit 14 Jahren in entscheidenden Rennen im Versieben von Grosschancen. 1997 versagt Schumacher in Jerez kläglich, blamiert sich und sein Team durch sein versuchtes Foul an Jacques Villeneuve bis auf die Knochen. 1998 würgt Schumi in Suzuka sein Auto ab. «BILD» vermeldet mit Blick auf die frühe Startzeit in Fernost genial: «Deutschland stand auf, Schumi blieb liegen.»

1999 scheitert Eddie Irvine an Häkkinen und sich selbst.

2000 biegt Schumi das Ding in Suzuka endlich zugunsten der Roten, 21 Jahre nach Jody Scheckters letztem Fahrertitelgewinn für die Scuderia. 2003 würgt sich Schumi in Suzuka zum Titel. 2006 scheitert er in Interlagos, mit Anstand. 2007 fliegt Kimi Räikkönen im Endspurt der Titel zu – um Haaresbreite. 2008 macht Felipe Massa alles richtig und verliert dennoch gegen Lewis Hamilton. 2010 ist Alonso in Abu Dhabi der Titel eigentlich nicht mehr zu nehmen, Und doch greift Vettel ihn ab. Jetzt das nächste Drama, auch wenn Alonso am Ende nur noch eine Aussenseiterchance hatte. 

Das könnte zum Trauma werden.

Der Spanier sagte Tage nach dem Verlust, dass es richtig von seinem Team gewesen sei, nochmals offiziell beim Weltverband nachzuhaken. Es spricht für ihn, dass er sich in dem Moment, als alle Welt sich auf die Roten als schlechte Verlierer stürzte, vor seine Mannschaft stellte.

Aber die Haltung passte auch auffallend zu Alonsos Reaktion nach der Zieldurchfahrt. Keine Gratulation an den Gegner im offiziellen Communiqué des Teams, keine beim Interview auf dem Siegerpodest, keine bei den unmittelbat folgenden Fernseh-Interviews, keine bei der anschliessenden Presserunde.

Wir wissen nicht, ob Alonso Vettel noch am Rennplatz begegnete und ihm vielleicht im Dunkel einer Garage im Vorbeigehen seine Anerkennung zugeraunzt hat. Aber wir wissen: Drei perfekte Chancen zum Einlochen, zum Abrunden seiner wahrlich eindrucksvollen  Saisonleistung, hat er ausgelassen.

Stattdessen hat er sich dazu erst drei Wochen danach aufgerafft, als er äusserte: «Vettel ist ein verdienter Weltmeister.» Und es hatte den Eindruck, als sollte hier ein Fehler korrigiert werden. Aber immerhin: besser spät als nie!

Gleichzeitig beschied Vettel: «Zum Sport gehört auch, dass man lernt, mit Niederlagen umzugehen.» Das ist nicht Alonsos Spezialität. Vielleicht hatte auch er persönlich schon genug davon.

Mit erstaunlicher Emotionalität reagierte der Spanier 2007 bei McLaren – als Neuzugang und zweimaliger Weltmeister – auf die Herausforderung, seinen Platz gegen Neuling Lewis Hamilton verteidigen zu müssen. Er verstrickte sich in ein Privat-Duell, aus dem er bei sachlicher Gestaltung relativ leicht als Sieger und Titelträger hervor gegangen wäre. Am Ende fehlte ihm ein Punkt.

2010 scheitert er im Finale gegen Vettel, weil er nach missratener Strategieführung der Denker an seinem Kommandostand hinter Vitaly Petrov im Renault versauert – und nur WM-Zweiter wird. Er beschimpfte den Russen, der nichts anderes getan hatte als geschickt und fair seine Position zu verteidigen, derart, dass Petrov als Neuling klarstellen muss, es fehle dem Asturier wohl etwas an der Kinderstube. Und Beifall dafür einheimst.

Alonso war immer ein Sonderling im Fahrerlager. Und er ist es bis heute geblieben. Er findet die klarsten Sätze, wenn es um den  Sport geht. Aber entspannter Umgang mit Mitmenschen – ein Small-Talk hier, eine Kaffee dort – ist seine Sache nicht. Manche werfen ihm vor, dass er nicht einen Freund im Grand-Prix-Zirkus habe. Frank Williams bemerkte dieser Tage, dass Alonso seit seinem F1-Debüt 2001 erst ein Mal geschafft habe, ihn zu grüssen. Und das, als man sich auf einem Hotelflur begegnete und der Fahrer keine Ausweichmöglichkeit mehr hatte.

Freunde braucht Alonso offenbar nicht, Verbündete schon. Das bestätigen Kenner des Teams. «Alonso arbeitet zwar wie verrückt, aber Schumacher war den Menschen im Team näher», sagt der italienische Journalist Giorgio Terruzzi. «Michael hat Freundschaften aufgebaut. Er stand hinter dem Team, weil er sich dazu zählte. Alonso steht dahinter, weil er es braucht.» Italiener merken sowas.

Alonsos Manager Luis García-Abad hält dem Star von früh bis spät den Rücken frei. Wie sein Chef so ist auch dessen Erfüllungsgehilfe eher von der spröden Art.  In der Regel sind es in der Formel 1 die Manager, die reden. Doch das, was von Alonso und aus dessen Umfeld abgesondert wird, ist vornehmlich schriftlicher Natur. Es erreicht uns via Twitter. Damit hat der frühere Renault-Pilot 2011 begonnen, um Missverständnissen um seine Person vorzubeugen. Wenn frühere andere vermeldeten: «Alonso heiratet», war der Bräutigam wochenlang  sauer. Jetzt hat er es selbst in die Hand genommen, seine Fans mit Info-Häppchen zu füttern. Das ist sein gutes Recht, und besonders in Zeiten nötig, da er für Ferrari fährt. Denn im roten Bereich kann die emotionale Drehzahl schon nach dem kleinsten Misston durch die Decke schiessen. Und dann hat man jede Menge Arbeit – neben der sowieso anfallenden. Doch dazu kommen wir noch…

«Durch das Twittern habe ich mir schon viel mehr Ruhe verschafft», sagt der Zwitscherer, der sich zur Jahresmitte mit einer neuen Weggefährtin zeigt: Dasha Kapustina (22), ein ansehnliches russisches Modell, aber an Übergewicht leidet sie nicht gerade…

Durchschlagend dazu beigetragen, dass der Kämpfer aus der äussersten Ecke Nordspaniens im Fahrerlager etwas in die gesellschaftliche Mitte rückt, hat die Dame nicht. Alonso eignet sich offenbar schlecht für Honeymoon- und Turteleinlagen. Er ist schliesslich auf Mission, der dritte WM-Titel sein erklärtes Ziel, «weil ich damit ebenso viele Titel hätte wie Ayrton Senna. Das ist mein Massstab. Ihn habe ich bewundert.»

Ja, wer nicht?

Fahrerisch hat sich Alonso seinem Idol 2012 durchaus genähert. Er hat in Sepang, Valencia und Hockenheim seine Siege Nummer 28, 29 und 30 eingefahren,  eine bestechende Saison absolviert. Es war seine «wahrscheinlich beste», sagt er selbst. «Sicher seine beste», sagt auch Teamchef Stefano Domenicali.

Dass sie nicht noch besser wurde, lag an der Zeit davor. Ferrari war der Winter misslungen. Der F2012 – zu Jahresbeginn als hässliche Ente gebrandmarkt – war wieder einmal zu brav geraten. Und dies, obwohl die Designabteilung eine aggressive Herangehensweise angekündigt hatte.

Nicht von ungefähr hat Alonso vor einigen Tagen bekräftigt: «Wir müssen die Grauzonen des Reglements konsequenter ausloten.» Das war ein dezenter Hinweis darauf, dass Red Bull Racing mit radikaleren technischen Lösungen aufwartete. Vor allem hinsichtlich der Auspuffführung.

Red Bull Racing war in der abgelaufenen Saison Stammgast in der Untersuchungs-Garage der FIA-Wächter, die Ferraris grossem Rivalen mehrfach wegen technisch grenzwertiger Lösungen auf die Finger klopfte. Ferrari war dort nie zu sehen. Kein Wunder: Die Italiener bauten nur nach, was andere vorführten. Das ist immer nur die zweitbeste Lösung, wie Alonsos Abschneiden im Endklassement belegt. Platz 2. Und Ferraris in der Konstrukteurwertung, ebenfalls Platz 2.

Ferraris Konkurrenten hatten von Beginn an mehr Hirnschmalz auf die nützliche Verwendung der Auspuffgase verwendet als die Ingenieure der Scuderia. Die kämpften überdies die gesamte Saison über mit dem Nachteil, dass der hauseigene Windkanal (von 1998) in Maranello nicht mehr auf dem letzten Stand ist. «Die Daten sind oft zu unpräzise», räumte Teamchef Domenicali ein. «Wir haben bei der Aerodynamik einen Rückstand.»

Dieser Rückstand ist zum Zustand geworden. Und das kann nicht nur in Maranello begründet liegen. Denn Ferrari nutzt seit mehr als zwei Jahren auch die modernere Strömungsanlage von Toyota in Köln. Zu alledem sind die Simulationswerkzeuge, die in Zeiten von Testverbot (während der laufenden Saison,  2008 eingeführt, inzwischen eine Ausnahme pro Jahr gestattet) immer wichtiger geworden.

Ferrari hat angekündigt, auf beiden Gebieten – Aero und Simulation – nachzulegen. Und ist spät dran mit diesem Bestreben. Die Umsetzung ist ein Prozess von Jahren. Das bedeutet: Die Defizite, die die Fabrik in Maranello 2012 aufwies, können 2013 unmöglich wettgemacht oder minimiert sein. Denn die Hardware zu beschaffen, ist das eine. Das dafür nötige Personal zu rekrutieren das nächste. Und alles gemeinsam so zum Laufen zu bringen, dass es Zeitvorteile im Wettbewerb nach sich zieht, wieder eine ganze andere Angelegenheit.

Alonso weiss das alles. Er hat sich bis 2016 an die rote Fraktion gebunden.

Der Druck ist also enorm, denn Fahrer und Team gehen die gemeinsamen Jahre aus. Die Formel 1 ist ein schnelllebiges Geschäft. Schon hat der Präsident der Scuderia ein Auge auf Sebastian Vettel geworfen. «Ihn will ich haben», erklärt er rundheraus. Aber erst, wenn Alonso seine Mission beendet hat.

Die wird nicht einfacher. Nicht für Alonso, nicht für die Scuderia. Ferrari befindet sich von den Ressourcen her in der Position, die Gegner im Entwicklungswettlauf am Berg überholen zu müssen. Und zwar in Zeiten, in denen die Teams gleich zwei Fahrzeuge konzipieren müssen: das für 2013 und jenes für 2014, wenn das neue Motoren-Regelwerk greift (1,6 Liter Turbo statt 2,4 Liter V8).

Trotzdem hat Präsident Luca di Montezemolo bereits gnadenlos die nächste Zielsetzung ausgerufen. Und sie klingt merkwürdig vertraut: «Wir müssen nächstes Mal von Beginn an ein schnelles Auto haben, mit dem wir auch um Siege kämpfen können.» Der Avocato wird ungeduldig, denn der letzte Titelgewinn seiner geliebten Scuderia liegt vier Jahre zurück (2008, Konstrukteurswertung), der bislang letzte Gewinn der Fahrerwertung fünf Jahre (Räikkönen, 2007).

Alonso tut indes, was er auch schon in früheren Wintern getan hat: Radfahren. Meist 90 Kilometer pro Tag, manchmal auch 250. Wenigstens der Fahrer soll 2013 wieder spitze sein.


Lesen Sie am 2.Weihnachtstag Teil 4 der Weltmeister-Serie: Alonsos Traum-Saison. Und ihr trauriges Ende.

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