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Timo Glock: Force India statt Marussia?

Kolumne von Peter Hesseler
Glock kann jetzt neue Wage gehen

Glock kann jetzt neue Wage gehen

Nach der Trennung von Marussia ist Timo Glock wieder auf dem Markt – aber nicht nur für die DTM.

Wundern darf sich niemand über diese Entwicklung. Vorne geben die Teams Geld aus, bis der Arzt kommt. Hinten sterben die Rennställe, wenn auch langsam. Das muss verhindert werden, notfalls mit Bezahlfahrern. Das ist legitim, aber nicht immer schön …

Mit Timo Glock gibt das Marussia-Team jenen Fahrer ab, der in den vergangenen drei Jahren intern und auf der Strecke, ganz gleich wer Teamkollege war, die Richtung und das Tempo vorgab.

Marussia muss Glock ziehen lassen und damit die Erfahrung von 91 Grands Prix. Timo holte seit 2008 51 WM-Punkte, schaffte sogar drei Podestplätze. Er schlug 2009 ein Cockpit bei Renault (heute: Lotus) neben Kubica für 2010 aus, weil er fürchtete, neben dem Polen nur die zweite Geige spielen zu dürfen. Und er entschied sich für das Dasein bei einem Neuling, für einen Langzeitvertrag mit ordentlichem Einkommen. Er hatte noch einen Vertrag bis 2014. Jetzt wird er, das wäre in der Branche kein Novum, wohl abgefunden, vielleicht mit dem Sponsorengeld seines Nachfolgers.

Denn anstelle von Glock, der eine rein sportliche Besetzung gewesen ist, dockt bei Marussia ein Fahrer mit Finanzen an, vermutlich Luiz Razia aus Brasilien, ehemaliger Testfahrer von Team Lotus (seit 2012: Caterham) und Gesamt-Zweiter der GP2 2012. Luiz Razia wird eine Sponsorenunterstützung aus Brasilien nachgesagt, mit der er das Marussia-Team glatt kaufen könnte. Er leugnet seine Mitgift auch gar nicht, nur in der Höhe dementiert er. Beim WM-Finale wurden 30 Millionen Dollar kolportiert.

Es geht also ums Geld bei diesem Fahrerwechsel. «Wie überraschend», funkte uns ein Formel-1-Spitzenfahrer an, der ebenfalls auf Eis liegt, weil er keine Unterstützung gewährleisten kann.

Es ist in diesen Zeiten kein Wunder, dass Glock gegen Geld ausgewechselt wird. Das Wunder ist vielmehr, dass das erst jetzt passiert.

Razia arbeitete seit mehr als einem Jahr am Formel-1-Einkauf. Als ihm Marussia unlängst Max Chilton für 2013 vorzog, zeigte er sich enttäuscht. Aber Marussia machte ihm weiter Hoffnungen, obwohl man nun zwei Fahrer unter Vertrag hatte.

Warum, wissen wir jetzt. Denn Marussia hatte nicht nur zwei Fahrer, sondern auch über 60 Millionen Dollar Schulden. Wir haben Timo Ende 2012 mehrmals nach diesem Horror-Kontostand befragt. Und ob er sich keine Sorgen darüber mache. Stets lautete seine Antwort: «Nein, bei uns laufen alle Vorbereitungen ganz normal.»

Normal bedeutet in der modernen Formel 1 eben auch, das Überleben über den sportlichen Erfolg zu stellen. Obwohl man argumentieren könnte, dass langfristig nur Erfolg das Überleben garantiert. Aber wenn man nicht fährt, kann man das nicht beweisen.

Das war schon bei Williams so, als Pastor Maldonado 2011 dort anlandete, mit 40 Millionen Dollar – jährlich! – im Gepäck. Weichensteller war der venezolanische Staatspräsident Hugo Chavez höchstpersönlich, der die Petro-Dollars des Staatskonzerns PDVSA (Mineralöl) überweisen liess.

Ob das jetzt für Williams gut war oder nicht, darüber streiten sich bis heute die Geister. Vermutlich würde es Williams ohne PDVSA-Tantiemen nicht mehr geben. Und sicher stünde das Team sportlich besser da, wenn es in den letzten beiden Jahren einen Fahrer im Cockpit gehabt hätte, der weiss, wie man Rennen zu Ende fährt. Maldonado hat das Team als Bezahlfahrer ähnlich viel Punkte gekostet, wie er ihm einbrachte. Aber immerhin: Williams ist noch da. Und Maldonado hat in Barcelona immerhin ein Rennen gewonnen, was seine Kritiker gerne vergessen.

Glock ist dann erstmal weg. Seine freundschaftliche Trennung von Marussia, die Tatsache also, dass er keinen Krach schlägt, spricht für einen sanften Fall. Naheliegender Schluss: Timo wird ausbezahlt. Und er hat darüber hinaus auch noch die Chance für einen Neustart. Den hätte sich der 30-jährige Hesse mit einem Verbleib bei Marussia bis zum anberaumten Vertragsende 2014 verbaut. Danach wäre sein Karrierefeuer nach dann fünf punktelosen Jahren am Tabellenende nicht mehr zu entfachen gewesen. Jetzt ist das anders. Glocks Zwischenspiel ist vorbei. Sein guter Ruf ist absolut intakt. Damit wird er sofort für Teams interessant, die Ambitionen und im Cockpit Defizite haben. Zwei davon haben ihre Fahrer für 2013 noch nicht benannt: Force India und Caterham.

Besonders für Caterham müsste Glock eine extrem reizvolle Variante darstellen, denn oft genug hat der Marussia-Fahrer die Caterham-Piloten in den vergangenen Jahren entzaubert, obwohl er das schlechtere Material hatte. Caterham weiss genau, dass Glock bares Geld wert ist, selbst wenn er keins mitbringt.

Caterham hat sich als Zehnter sportlich und finanziell gerettet und könnte mit dem besten Gegner vergangener Jahre angreifen. Dann wäre Glock ironischerweise abermals Teamkollege von Charles Pic, der bereits im Winter von Marussia zu Caterham gewechselt ist. Caterham weiss, dass auf diesem Pic nicht unbedingt eine Erfolgsstory aufgebaut werden kann. Pic ist Glock klar unterlegen, nur nicht in Fragen der finanziellen Mitgift.

Force India hat hinsichtlich seiner Cockpits bisher immer unter sportlichen Gesichtspunkten entschieden. Glock wäre sportlich zumindest nicht die schlechtere Wahl als Adrian Sutil. Und mit dem Vorteil ausgestattet, die aktuelle technische Entwicklung begleitet und die Saison 2012 bestritten zu haben. Glock steht im Saft, würde für die Saison 2013 keine Fragezeichen aufwerfen. Sutil bräuchte wohl einige GP-Wochenenden, bevor er auf dem alten Stand wäre, sofern er den Zuschlag bekäme.

Aber Force India doktert schon so lange am zweiten Cockpit herum, dass sich der Verdacht aufdrängt, dass das Team viel grössere Probleme hat als die Fahrerpaarung für 2013.

Natürlich stehen Timo auch andere Serien offen, aber seine Ankündigung, schon bald eine neue Lösung zu präsentieren, deutet eher auf eine Fortsetzung seiner Formel-1-Karriere hin. Und das hätte er sich redlich verdient.

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