Malaysia-GP-Nachsatz: Auftritt der Heuchler

Kolumne von Mathias Brunner
Jody Scheckter vor Gilles Villeneuve in Monza 1979

Jody Scheckter vor Gilles Villeneuve in Monza 1979

Nach der Teamorder bei Red Bull Racing und Mercedes – jeder ist sich selbst der Intelligenteste.

Wir bleiben dabei: Der Skandal von Malaysia ist eine Sammlung von Grautönen. Sebastian Vettel ist nicht nur das Schwarze Schaf, Mark Webber ist nicht nur das Unschuldslamm. Lewis Hamilton wird nicht so bald einen Oscar gewinnen, und Nico Rosberg ist kein Warmduscher.

Die Aussagen der beteiligten Rennfahrer sind das eine. Die Kommentare einiger neben der Rennbahn müssen erst recht zu denken geben.

Aber der Reihe nach.

Natürlich regte sich Mark Webber in Malaysia über einen entgangenen Sieg auf. Wir sprechen hier übrigens vom gleichen Mark Webber, der im Sommer 2011 in Silverstone Stallorder für unnötig befand und einen gewissen Sebastian Vettel angriff. (Lesen Sie es ruhig mal im damaligen Rennbericht nach.)

Es zeugt von Charakterstärke, sich nach einem Fehler hinzustellen und den zuzugeben. Die Reaktionen vieler Leser zeigen jedoch auch: Vettel scheint zwei Gesichter zu haben – der weltoffene Vernunfts-Mensch auf der einen, der scheuklappige, von Ehrgeiz zerfressene Racer auf der anderen, ein wenig wie Dr. Jekyll und Mr. Hyde.

Wie schlecht Vettel mit Niederlagen umgehen kann, haben wir wiederholt gesehen.

Wenn ein Rennfahrer den Sieg wittert und rot sieht, so ist dies ein Problem. Ein ganz anderes sollte beinahe noch mehr zu denken geben: Wer hat im Weltmeister-Team eigentlich das Sagen? Ist das Wohl des Einzelnen über das Wohl des Rennstalls zu stellen?

Red-Bull-Chefberater Dr. Helmut Marko sagt, mit der Aussprache und dem Handschlag der beiden Hauptdarsteller sei das Thema intern erledigt.

Die Zeit wird zeigen, ob diese Ansicht korrekt ist.

Man darf auch ruhig darüber diskutieren, welches Durchsetzungsvermögen Christian Horner als Teamchef bei Red Bull Racing hat. Der Steuermann eines Weltmeister-Rennstalls muss mit solcher Kritik leben können.

Aber wenn ausgerechnet der frühere Benetton- und Renault-Teamchef Flavio Briatore die Teamführung von RBR und Horner kritisiert, erlauben wir uns ein Lächeln.

Wurde nicht auch bei Benetton und Renault fast alles dem Starfahrer untergeordnet? (Michael Schumacher bei Benetton, Fernando Alonso bei Renault.) Hatte damals wirklich einer in den Rennen den Eindruck, die Entscheidungen treffe der Teamchef?

Und wenn derzeit mehr über die Stallorder von Red Bull Racing als über jene von Mercedes-Benz diskutiert wird, so sollte das für die Silberpfeile kein Trost sein.

Hat das Zurückpfeifen von Rosberg nicht ein wenig den Anstrich, man wolle alles dafür tun, dass der neue Liebling Hamilton sich im Team auch ja glücklich fühlt?

Traut man Hamilton und Rosberg kein Duell zu, ohne dass sich die zwei von der Bahn kegeln? (Die Frage gilt übrigens auch für die Bullen-Reiter.)

Andere Wortmeldungen waren absehbar: Sir Jackie Stewart hat ja bekanntlich schon immer die wahre Grösse Vettels in Frage gestellt. Da war Malaysia natürlich ein Steilpass für weitere Kritik aus Schottland.

Und ex-GP-Sieger John Watson findet, RBR müsse Vettel für ein Rennen sperren, um ihn wieder auf den Pfad der Tugend zurück zu bringen. Spricht da der Frust eines früheren Piloten, der selber immer als Nummer 2 galt?

Wenn wir uns darüber einig sind, dass Stallorder im Motorsport nicht zu verbannen ist, bedeutet dies gleichzeitig, dass entsprechende stets böses Blut erzeugen?

Nicht unbedingt.

Einige Leser haben uns völlig richtig darauf hingewiesen: Ronnie Peterson (Lotus) und Gilles Villeneuve (Ferrari) ordneten sich in den Jahren 1978 und 1979 ihren Stallgefährten Mario Andretti und Jody Scheckter unter. Obschon der Schwede und der Kanadier bei zahlreichen Gelegenheiten hätten schneller fahren können.

Stallorder kann also tatsächlich funktionieren.

Doch dazu ist bei der Teamführung eine sichere Hand und bei den Fahrern starker Charakter gefragt.

Wir sind nicht sicher, ob das auf alle Darsteller der Formel-1-WM 2013 zutrifft.

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