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Singapur-GP: Finden FIA und Pirelli wieder Sünder?

Von Mathias Brunner
Arbeit an den Pirelli-Reifen in der Nacht von Singapur

Arbeit an den Pirelli-Reifen in der Nacht von Singapur

​SPEEDWEEKipedia: Leser fragen, wir finden die Antwort. Heute: Vor Monza wurden an den Silberpfeil fragwürdige Reifendrücke festgestellt. Was passiert, wenn sich das in Singapur wiederholt?

In loser Reihenfolge gehen wir in Form von «SPEEDWEEKipedia» auf Fragen unserer Leser ein. Dieses Mal will Maria Mayer aus Düsseldorf wissen: «Vor dem Monza-GP wurden doch an den Silberpfeilen fragwürdige Reifendrücke festgestellt. Eine Weile musste Hamilton sogar um seinen Sieg zittern. Die Frage ist nie beantwortet worden, was die Strafe gewesen wäre, hätten die Rennkommissare auf „schuldig“ geurteilt. Wisst Ihr da mehr?»

Grundsätzlich hat Pirelli auch hier in Singapur hohe Werte empfohlen – vor einem Jahr lag in Singapur die Vorgabe bei 16 PSI, nun bei 18 (Vorderachse) und 17 (Hinterachse). Beim Radsturz wurde das Limit im Jahre 2014 bei –4,5 Grad (Vorderachse) angesiedelt und bei –3 Grad (Hinterachse). Für 2015 jedoch ist das verringert worden auf –3,75 (vorne) und –2,5 (hinten).

Die Pirelli-Vorgaben fürs Aufheizen der Reifen sind gleich geblieben: Ein Slick wird minimal eine Stunde, optimal zwei Stunden und maximal drei Stunden in die Decken gesteckt, bei einer Minimaltemperatur von 60 Grad und einer Maximaltemperatur von 110 Grad.

In der neuen technischen Direktive der FIA, welche hier in Singapur allen Teams geschickt worden ist, steht Folgendes:
«Wir sind von Pirelli darüber informiert worden, dass ihre Reifen nur dann sicher benutzt werden können, wenn ihre Vorgaben strikte befolgt werden. Während sämtlicher Trainings, im Qualifying und auch im Rennen gilt als Messzeitpunkt der Moment, wenn ein Reifen ans Auto montiert wird. Vor dem Rennstart kann eine Messung jederzeit nach dem Signal “Fünf Minuten bis zum Start” erfolgen. Die Messung muss einen Wert auf oder über dem vorgegebenen Wert zeigen.»

Das entspricht einer Änderung der ersten Version. Da hiess es: nach dem Fünfminutensignal könne der Druck von den Teams noch nachkorrigiert werden.

Was die Heizdecken angeht, so sind Messungen an Lauffläche und Seitenwand des Reifens vorgesehen, die obigen Temperaturen müssen eingehalten werden. Das Einhalten des Radsturzes wird nicht kontrolliert.

Was nun also, wenn hier ein Sünder gefunden wird?

Dann wird das über Formel-1-Technikpolizist Jo Bauer den vier Rennkommissaren Garry Connelly (Australien), Vincenzo Spano (Venezuela), Martin Donnelly (Grossbritannien) und Nish Shetty (Singapur) gemeldet, die sich mit dem Fall befassen müssen.

Grundsätzlich obliegt das Strafmass jedes Vergehens den Rennkommissaren. Sie haben verschiedene Möglichkeiten – Geldstrafe, Zeitstrafe, Ausschluss. In Monza hatte Mercedes eine Zeitstrafe befürchtet, worauf Lewis Hamilton an der Spitze die Order erhielt, Tempo aufzunehmen. Der Brite gewann mit etwas mehr als 25 Sekunden Vorsprung auf Sebastian Vettel gewann.

Aber sind technische Direktiven gleichwertig wie Regeln? Die FIA sagt ja: «Technische Direktiven werden als bindend erachtet.»

Frühere Fälle haben gezeigt: Direktiven von Charlie Whiting, dem Sicherheitsdelegierten der Formel 1, werden als gleichwertig wie eine Regel eingestuft.

Ein Team würde es sich zwei Mal überlegen, nach einer (wie immer gearteten) Strafe der Rennkommissare in Singapur vors Berufungsgericht in Paris zu ziehen, denn die Historie zeigt – nur in ganz wenigen Fällen hat die FIA ein Urteil gedreht.

Mercedes hätte nach dem Italien-GP in Paris Erfolg gehabt, weil die Reifendruckhandhabung in Monza einfach nicht genau genug war. Das haben die Mailänder zusammen mit der FIA vor dem Singapur-GP korrigiert.

Daher ist nicht damit zu rechnen, dass sich ein Team vor dem Nacht-GP mit der Hand in der Keksdose erwischen lässt.

Monza: Wieso Mercedes straffrei ausging

Die Unterstellung im Fahrerlager von Monza lautete: zu niedriger Reifendruck an den Hinterrädern der Silberpfeile von Sieger Lewis Hamilton und Nico Rosberg (der kurz vor Schluss ausgefallen ist), das legten viele Gegner als Wettbewerbsvorteil und Regelverletzung aus, welche streng geahnet werden müsse. Etwa in Form einer Zeitstrafe oder eines Ausschlusses.

Beim linken Hinterrad vom Wagen von Lewis Hamilton lag der Druck um 0,3 PSI unter dem von Pirelli ausgegebenen Richtwert von 19,5 PSI für die Hinterräder, bei Rosberg sogar um 1,1 PSI.

Aber Lars Österlind (Schweden), Tim Mayer und Danny Sullivan (USA) sowie der Italiener Paolo Longoni waren schliesslich anderer Meinung: «Wir sehen keinen Anlass zu einer Strafe für Mercedes. Wir erkennen aber Diskussionsbedarf zwischen Reifenhersteller Pirelli, der FIA und den Teams, was die neuen Richtlinien im Umgang mit den Reifen und die Umsetzung der Empfehlungen betrifft.»

«Wir haben den Technischen Delegierten der Formel 1, Vertreter von Mercedes sowie von Pirelli angehört. Darauf basierend stellen wir fest: die Reifendrücke der betreffenden Walzen lag im empfohlenen Rahmen, als die Räder auf die Rennwagen montiert wurden.»

«Es wurde festgestellt, dass bei der Messung die Heizdecken von ihrer Stromquelle abgehängt waren und die Reifen markant weniger warm waren, als es die maximale Heizdeckentemperatur erlauben würde. Die Temperaturen unterschieden sich markant von Reifen an anderen Wagen.»

«Die Rennkommissare stellen jedoch fest, dass Mercedes die gegenwärtigen Empfehlungen im Umgang mit den Reifen eingehalten hat, um einen sicheren Gebrauch der Reifen zu garantieren.»

Anders gesagt: die Reifen waren gemäss den Vorgaben von Pirelli aufgepumpt, der Druck verringerte sich danach jedoch, als die Heizdecken abgekoppelt wurden.

Mercedes-Motorsportchef Toto Wolff: «Wir wussten, dass wir genau bei den vorgeschriebenen Minimalwerten lagen, als die Räder auf die Autos kamen. Wir haben keinen Fehler gemacht, wir haben auch keinen unfairen Vorteil gewonnen.»

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