Ein Hoffnungsschimmer bei der KTM AG

Jarno Janssen (NTS): Corona verhindert Fortschritte

Von Günther Wiesinger
Das niederländische NTS RW Racing Team und sein japanischer Chassis-Hersteller NTS wurden von Covid doppelt stark betroffen. Teamchef Jarno Janssen verrät die bemerkenswerten Hintergründe.

Das niederländische RW Racing Team hat vor der Moto2-Saison 2018 einen Drei-Jahres-Vertrag mit der japanischen Engineering-Firma NTS abgeschlossen. Diese Vereinbarung mit dem Chassis-Hersteller wurde in der letzten Saison um ein weiteres Jahr verlängert. Das Team NTS RW Racing (Jahresbudget ca. 2 Millionen Euro) setzt jetzt in der vierten Saison exklusiv als einziger Rennstall NTS-Motorräder in der Moto2-WM ein. Während 2020 das Fahrerduo Bo Bendsneyder und Jesko Raffin unter Vertrag war, treten die Niederländer jetzt mit dem 17-jährigen belgischen Rookie Barry Baltus und dem malaysischen Routinier Hafizh Syhrin an.

In der Konstrukteurs-WM 2018 kassierte NTS nur acht WM-Punkte ein, das ergab Rang 6. Bei den ersten drei Grand Prix 2019 war bei jedem Rennen mindestens eine NTS in den Top-15 zu finden. Am Jahresende stand NTS in der Marken-WM mit elf Punkten an fünfter Position (damals war KTM noch dabei). 2020 rückten die Japaner auf Rang 4 vor – mit immerhin 22 Punkten. In der aktuellen Saison ist NTS in der Marken-WM auf Platz 4 (hinter Kalex, Boscoscuro und MV Agusta) zu finden – mit zehn Punkten. Bestes Saisonergebnis: Platz 7 durch Syahrin in Mugello.

SPEEDWEEK.com hat sich mit NTS RW-Teammanager Jarno Janssen über die Probleme des kleines Herstellers und die heftigen Auswirkungen der Corona-Pandemie unterhalten. Er beklagt die Reiseverbote für die japanischen Techniker und macht sich Sorgen um sein Budget. «Unser Teambesitzer, der ehemalige Transport-Unternehmer Roelof Waninge, ist wegen Covid vor zwei Wochen beim Sachsenring-GP erstmals seit dem WM-Finale Valencia 2019 in einem GP-Paddock gewesen», gibt Janssen zu bedenken. «Wir müssen aufpassen, dass solche Enthusiasten in so schwierigen Zeiten nicht die Leidenschaft für ihre Teams verlieren.»

NTS schaffte den Durchbruch nicht

Den erhofften Durchbruch hat NTS bisher nicht geschafft. Jarno Janssen will die Ergebnisse nicht schönreden. Er hat aber einleuchtende Erklärungen für die Schwierigkeiten des japanischen Chassis-Produzenten, der erstmals 2014 und 2015 in die Moto2-WM kam, damals mit dem Moto2-Teambesitzer Luca Montiron und dessen Japan Italy Racing Team (JiR). Als Fahrer fungierten die Japaner Koyama und Nagashima.

Was kaum jemand weiß: NTS ist nicht gerade ein kleiner Bastelschuppen. Der Japaner Masahiro Namatame agiert als Representative Director und CEO der NTS Co. Ltd. Er ist der Eigenümer von NTS; seine rechte Hand ist Jin Sasaki. Er arbeitete zuvor unter anderem jahrelang als Sales- und Race-Manager bei Moriwaki.

NTS wurde 1970 gegründet und gilt als Precise Metal Process Proto-Typing Specialist, und zwar in der Luftfahrt, im High-End-Motorsport (Autos und Motorräder), in der Medizin und Schifffahrtsindustrie.

Die Teilnahme an der Moto2-WM betrachten Namatame und Jin Sasaki als sportliche Herausforderung.

«Mit den Endergebnissen bin ich im Moment nicht zufrieden», räumte Jarno Jansssen heute im Gespräch mit SPEEDWEEK.com ein. «Das lässt sich nicht bestreiten. Wir erleben manchmal Lichtblicke, wir erleben aber auch Rückschläge. Die gesamte Situation mit der Pandemie hat uns in den letzten eineinhalb Jahren klar einem Strich durch die Rechnung gemacht. Sie hat uns überhaupt nicht geholfen… Da wir mit NTS einen japanischen Partner haben, sind wir vor den Reisebeschränkungen besonders hart betroffen. Die Verantwortlichen von NTS in Japan können seit vielen Monaten nicht nach Europa reisen. Wir hatten seit fast eineinhalb Jahren nie einen Techniker aus Japan an der Rennstrecke. Jim Sasaki war letztes Jahr nur bei einem Grand Prix – das war im September in Misano. Seither durfte er nicht mehr ausreisen. Alle Meetings mit NTS finden über Zoom statt. Aber wir müssen jetzt einen neuen Vertrag aushandeln. Der aktuelle Deal läuft Ende 2021 aus. Ich wäre jetzt in der Sommerpause im Juli gern nach Japan geflogen. Aber ich müsste nach der Ankunft zwei Wochen in Quarantäne und bei der Rückkehr wieder. Und der Japan-GP ist abgesagt worden…»

«Diese Situation ist mühsam für alle Beteiligten, für unser Team und Partner NTS», seufzt Ex-GP-Fahrer Jarno Janssen. «Die Mitarbeiter von NTS können nicht bei uns sein. Das ist ein klarer Nachteil.»

«Design Freeze» als Nachteil für NTS

Außerdem wurde wegen der Pandemie die Entwicklung für 2021 weitgehend eingefroren. Für 2021 galt das «Design Freeze» für Aerodynamik, Rahmen, Schwinge und Tank. Für das NTS-Team bedeutete diese Vorschrift laut Jarno Janssen: «Wir fahren mit den identischen Motorräder wie am 8. März 2020 beim Saisonstart in Doha/Katar.»

«Als diese Restruktionen vor einem Jahr beschlossen wurden, um die Kosten in der Krise für die Teams gering zu halten, war leicht zu verstehen, dass ein Hersteller wie Kalex, der 22 Bikes in der Weltmeisterschaft einsetzt, weniger betroffen sein würde als ein Kleinhersteller wie NTS mit zwei Moto2-Bikes in der WM», sagt Janssen. «Klar, auch Kalex war betroffen, weil sie ebenfalls entwickeln wollen und müssen. Das ist eine lebenswichtige Grundlage für jede ehrgeizige Engineering Company. Sie leben ja üblicherweise auch vom Verkauf von Updates und Upgrades. Deshalb trifft es Kalex wirtschaftlich genauso schlimm wie NTS. Aber für das Endergebnis auf der Rennstrecke macht dieses ‚design freeze’ keinen großen Unterschied.»

Denn Kalex baute vor der Krise die besten Bikes, und daran hat sich durch den Entwicklungsstopp natürlich nichts geändert.

Immerhin beschloss die Grand Prix Commissioon im Mai für MV Agusta und NTS ein paar Zugeständnisse. NTS darf nun den für 2020 geplanten Kotflügel sowie das Verkleidungs-Design einsetzen, MV Agusta zusätzlich zu diesen zwei Elementen auch das 2020er-Design der Sitzbank und Schwinge.

Außerdem genehmigte die Gand Prix Commission den einstimmigen Wunsch aller Moto2-Hersteller, tritz des ursprünglich für 2021 festgelegten Protokolls in diesem Jahr doch zwei private Testtage, allerdings nur mit Testfahrern, abhalten zu dürfen.

Dazu werden ab 2022 aus Kostengründen eine Reihe von Teilen zu den sogenannten «performance parts» gezählt, die damit homologiert werden müssen und wofür 2022 nur ein Upgrade erlaubt ist: Rahmen, Schwinge, Hauptverkleidung und Kotflügel.

Für Hersteller, die in den zwei vorangegangenen Saisons keinen Podestplatz erreicht haben, gibt es hier allerdings Konzessionen: Sie dürfen einmal während der Saison entweder Kotflügel und Verkleidung oder Rahmen und Schwinge verändern.

Ebenfalls beschlossen: Das Testverbot für Moto2-Chassis-Hersteller mit Testfahrern («non contracted riders») läuft in dieser Saison aus.

«Es gab beim Jerez-GP ein Meeting zwischen Dorna, IRTA und den Moto2-Herstellern. Danach haben wir bei NTS ein paar ‘concessions‘ für dieses Jahr bekommen», hält Janssen fest. «Das ist einerseits erfreulich. Aber es ist eine Tatsache, dass nicht jede neue Komponente auch einen Vorteil bewirkt. Da wir wenig testen dürfen und außerdem ein sehr limitiertes Testbudget haben, ist es sehr, sehr schwer, während der Saison noch eine zielführende Weiterentwicklung betreiben zu können. Man wird also kaum unverzüglich einen Fortschritt bei den Rundenzeiten bewirken können.»

Moto2-Ergebnis, Assen, 27. Juni:

1. Raúl Fernández, Red Bull KTM Ajo, 24 Runden in 39:01,832 min
2. Remy Gardner, Red Bull KTM Ajo, + 1,066 sec
3. Augusto Fernandez, Elf Marc VDS Racing, + 1,265
4. Sam Lowes, Elf Marc VDS Racing, + 1,879
5. Marco Bezzecchi, Sky Racing VR46, + 8,329
6. Ai Ogura, Idemitsu Honda Asia, + 10,96
7. Jorge Navarro, +Ego Speed Up, + 13,993
8. Xavi Vierge, Petronas Sprinta Racing, + 16,052
9. Marcel Schrötter, Liqui Moly Intact GP, + 16,094
10. Celestino Vietti, Sky Racing VR46, + 17,585
11. Somkiat Chantra, Idemitsu Honda Asia, + 18,286
12. Albert Arenas, Aspar Team Moto2, + 18,812
13. Stefano Manzi, Flexbox HP40, + 19,273
14. Thomas Lüthi, Pertamina Mandalika Sag, + 19,649
15. Bo Bendsneyder, Pertamina Mandalika Sag, + 22,162

Moto2-WM-Stand (nach 9 von 19 Rennen):

1. Gardner 184 Punkte. 2. Raúl Fernández 153. 3. Bezzecchi 128. 4. Sam Lowes 99. 5. Di Giannantonio 73. 6. Schrötter 66. 7. Canet 55. 8. Augusto Fernández 50. 9. Vierge 50. 10. Roberts 50. 11. Ogura 49. 12. Navarro 42. 13. Bendsneyder 39. 14. Arbolino 30. 15. Beaubier 26. 16. Vietti 22. 17. Arenas 22. 18. Manzi 20. 19. Chantra 16. 20. Ramirez 16. 21. Dixon 11. 22. Garzo 11. 23. Bulega 10. 24. Syahrin 8. 25. Corsi 7. 26. Dalla Porta 6. 27. Lopez 4. 28. Aldeguer 4. 29. Lüthi 4. 30. Baldassarri 3. 31. Baltus 2.

Stand Marken-WM nach 9 von 19 Rennen:

1. Kalex 225 Punkte. 2. Boscoscuro 81. 3. MV Agusta 10. 4. NTS 10.

Stand Team-WM nach 9 von 19 Rennen:

1. Red Bull KTM Ajo 337 Punkte. 2. Sky Racing Team VR46 150. 3. Elf Marc VDS Racing Team 149. 4. Liqui Moly Intact GP 96. 5. Federal Oil Gresini Moto2 83. 6. Aspar Team 77. 7. Idemitsu Honda Team Asia 65. 5. Petronas Sprinta Racing 61. 9. Italtrans Racing Team 56. 10. Ego Speed Up 46. 11. Pertamina Mandalika SAG Team 43. 12. American Racing 42. 13. Flexbox HP40 35. 14. MV Agusta Forward Racing 10. 15. NTS RW Racing GP 10.

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