Dieter Braun über die holprigen Anfänge von Toni Mang

Von Günther Wiesinger
Letztes Wochenende bei den Sachsenring Classic: Dieter Braun, Toni Mang und Sepp Schlögl mit der Eigenbau-SMZ 250

Letztes Wochenende bei den Sachsenring Classic: Dieter Braun, Toni Mang und Sepp Schlögl mit der Eigenbau-SMZ 250

GP-Karrieren begannen in den 1970er-Jahren behäbiger als heute. Der fünffache Weltmeister Toni Mang war mit 22 Jahren noch als Mechaniker tätig. Sein Förderer Dieter Braun plaudert aus dem Nähkästchen.

Ex-Weltmeister Dieter Braun (79) musste seine Karriere nach 14 GP-Siegen udn zwei WM-Titelgewinnen wegen eines schweren Unfalls nach dem Salzburgring-GP 1977 beenden. Toni Mang trat nachher in seine Fußstapfen und gewann fünf Weltmeistertitel. Doch 1971 war der Bayer im Dieter Braun Racing Team in anderer Funktion tätig – als Mechaniker neben Tuner, Konstrukteur und Allround-Genie Sepp Schlögl.

Dieter Braun, Weltmeister 1970 (auf Suzuki 125) und 1973 (auf Yamaha 250), beschäftigte das Mechaniker-Duo Schlögl und Mang in der Saison 1971 für den bescheidenen Gesamtbetrag von 800 Mark im Monat.

Nach der Saison 1971 trieb Mang seine eigene Rennfahrerkarriere wieder verstärkt voran. «Er hat sich dann selber ein Motorrad gekauft. Dazu hat er immer eine Rennmaschine von mir verwenden dürfen, ich habe ja immer Motorräder für mindestens drei Klassen gehabt», erinnert sich Braun. «Wenn ich an einem Wochenende in zwei Klassen gefahren bin, hat er meistens eine 250er oder 350er von mir benutzen dürfen.»

Während heute die Talente mit 16 Jahren schon Weltmeister werden oder zumindest GP-Siege erringen, begannen die Motorrad-Karrieren in den 1970er-Jahren noch etwas behäbiger.

Toni Mang war also mit 22 Jahren noch als GP-Mechaniker beschäftigt. Erst fünf Jahre später gewann er auf dem Nürburgring bei sehr schwierigen äußeren Bedingungen mit der Morbidelli 125 seinen ersten WM-Lauf – mit fast 27 Jahren.

Als Braun dann im August 1976 auf dem Nürburgring und im Mai 1977 in Salzburg zweimal schwer verunglückte, kam Toni Mang später an dessen Stelle in den Genuss der begehrten und schnellen Werks-Kawasaki für die Klassen 250 und 350 ccm, die an den deutschen Importeur gingen.

Diese exklusiven und von Sepp Schlögl vorbildlich getunten Bikes verliehen Mang in der WM 1978 Flügel. Unmittelbar nach Brauns Verletzung in Salzburg stand beim deutschen Kawa-Importeur sogar der deutsche 250-ccm-Meister Hans Schweiger aus dem Allgäu als Anwärter für die beiden Werks-Kawasaki (KR 250 und KR 350) zur Debatte, der bis dahin keine internationalen Erfolge aufzuweisen hatte.

Und das unbestrittene Fahrgenie Dieter Braun kam im besten Rennfahreralter von 34 Jahren um die Chance, in den WM-Klassen 250 und 350 ccm endlich einmal mit echten Werksmaschinen aufzutreten. 

Toni Mang: Haare schneiden und Koffer packen

Im Braun Racing-Team erledigte Mang 1971 noch vielfältige Aufgaben. «Der Toni hat mir manchmal auch die Haare gewaschen und mir einen neuen Haarschnitt verpasst», erinnert sich Dieter Braun. «Er hat auch den Wohnwagen immer sauber gemacht.»

Der spätere Weltmeister aus Inning am Ammersee führte sogar einen Ehekonflikt zwischen Marlies und Dieter Braun herbei. «Bei irgendeinem Rennen hat der Toni meinen Koffer für die Heimreise gepackt, und da er vorher beim Bund war, hat er das so sauber und gewissenhaft erledigt, dass es meiner Frau Marlies verdächtig vorkam. So etwas war sie von mir überhaupt nicht gewöhnt. Sie hat geglaubt, ich hätte eine andere Frau dabei gehabt und hat mir deswegen eine Szene gemacht. Der Toni hatte Schuld an diesem Ehezwist…»

Toni Mang brachte 1971 und danach seine internationale Rennfahrer-Karriere in Schwung. Das konkurrenzfähige und siegfähige Material von Dieter Braun (mit Schlögl-Tuning) erwies sich als extrem nützlich.

Außerdem profitierte Mang stark vom Einfluss und von der Überzeugungskraft des redegewandten deutschen Landsmanns. «Ich habe Toni besonders bei den Veranstaltern von internationalen Rennen im Ausland, wo man gutes Startgeld bekam, immer als das große neue deutsche Talent angepriesen», blickt Dieter Braun zurück.

Deshalb erbarmten sich viele Veranstalter in den Niederlanden, wo damals viele gut besuchte Straßenrennen stattfanden, des jungen Toni Mang, dessen Performance aber nicht immer den von Braun geweckten Erwartungen entsprach.

«Einmal bin ich am Sonntagfrüh bei so einem Inter-Rennen ins Teamzelt gekommen und habe starken Alkoholgeruch wahrgenommen. Sepp und Toni hatten anscheinend ein bisschen über den Durst getrunken. Im Rennen ist der Toni dann sozusagen in der ersten Kurve in den Straßengraben gefahren, wo er seinen Rausch ausschlafen konnte. Und ich musste dem Veranstalter dann erklären, warum diese Talentprobe misslungen war», lautet die bildhafte und womöglich märchenhaft überhöhte Schilderung von Dieter Braun.

«Ja, so ähnlich war es», ergänzt der 79-jährige Schwabe heute lachend. «Ich habe dann eingegriffen und zu Toni gesagt: ‚So machen wir das ab heute nimmer.‘ Ich habe ihm klar gemacht, wenn das noch einmal vorkommt, werde ich mich nicht mehr für ihn einsetzen. Denn ich habe bei diesen internationalen Rennen immer die Bedingung gemacht, dass sie meinen Mechaniker Toni Mang auch starten lassen und ihm ein Startgeldangebot machen. Ich bin unbetrunken und pünktlich ins Bett gegangen, und der Toni, der sich eigentlich beweisen hätte müssen, hat dort tief ins Glas geschaut.»

Aber nicht nur die Zurechtweisungen von Weltmeister Dieter Braun brachten Toni Mang schließlich auf den richtigen Pfad. «Toni hat dann mit der Apothekerin aus Inning eine resolute Lebensgefährtin gekriegt», erinnert sich Braun. «Wir haben sie alle ‚General‘ genannt. Sie hat diese Eskapaden abgestellt und viel bewirkt. Sie hat dem Toni die Morbidelli 125 gekauft, mit der er die ersten GP-Erfolge errungen und 1976 auf dem Nürburgring den 125er-WM-Lauf gewonnen hat, wenn auch durch besondere Umstände. Aber bei so widrigen Verhältnissen musste man zuerst einmal durchkommen...»

Toni Mang betrieb damals seinen eigenen Rennstall, den er vielsagend «Immerfeicht Racing Team» nannte.

Lehrmeister Dieter Braun störte sich nicht besonders an diesen illustren und politisch nicht sonderlich korrekten Teamnamen.

Dem Schwaben war nämlich nicht bewusst, dass «feicht» das bayerische Synonym für «feucht» war.

Die Karriere von Dieter Braun

• 1967 – Deutscher 350-ccm-Meister auf Aermacchi
• 1968 – Deutscher 125-ccm-Meister auf MZ
• 1969 – Deutscher 125-ccm-Meister auf MZ
• 1969 – 125-ccm-Vize-Weltmeister auf Suzuki
• 1970 – 125-ccm-Weltmeister auf Suzuki
• 1973 – Deutscher 250-ccm-Meister auf Yamaha
• 1973 – 250-ccm-Weltmeister auf Yamaha
• 1974 – Deutscher 350-ccm-Meister auf Yamaha
• 1974 – Vizeweltmeister 250 ccm und 350 ccm auf Yamaha
• 1975 – 250-ccm-WM-Dritter auf Yamaha
• 14 Grand Prix-Siege
• 1 Tourist Trophy-Sieg auf der Insel Man

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