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Reinhold Roth: «Jointie» feiert den 60. Geburtstag

Kolumne von Günther Wiesinger
Die Fans vergessen ihn nicht: Reinhold Roth

Die Fans vergessen ihn nicht: Reinhold Roth

Der 250-ccm-Vizeweltmeister von 1987 und 1989 ist seit fast 23 Jahren ein Pflegefall und wird heute 60 Jahre alt.

Durch die Erfolge des grossen Toni Mang erlebte der deutsche Motorradrennsport in den 1980er Jahren eine Blütezeit. Im Soge des schnellen Bayern wurden die Medien auf den Zweiradsport aufmerksam, immer mehr Teams entstanden, und plötzlich war Deutschland nach Jahren der Bedeutungslosigkeit wieder ein Faktor im GP-Sport.

In dieser Ära entwickelten sich Asse wie Martin Wimmer, Reinhold Roth, Helmut Bradl und Manfred Herweh zu GP-Siegern, es stiegen Zigarettenfirmen wie Marlboro, HB und Rothmans mit riesigen Budgets als Geldgeber der deutschen Stars ein, dazu Helm- und Bekleidungsfirmen von Dainese über Boeri bis zu Römer, Schwabenleder und Uvex.

1987 wetteiferten Toni Mang und der Allgäuer Reinhold Roth vom ersten bis zum letzten 250-ccm-WM-Lauf um den Titel. Roth galt als grosser Kämpfer, in Hockenheim eroberte er damals am Tag nach einem Sturz und Schlüsselbeinbruch den grandiosen dritten Platz. In Le Mans feierte der 250-ccm-Europameister von 1982 seinen ersten GP-Sieg. Er hatte sich nach unzähligen schweren und komplizierten Knochenbrüchen immer wieder an die Spitze gekämpft und als Underdog die Herzen der Fans im Sturm erobert.

Vor der Saison 1987 war das Undenkbare in die Tat umgesetzt geworden: Der legendäre Tuner und Chefmechaniker Sepp Schlögl, Jugendfreund von Toni Mang und Wegbegleiter des Seriensiegers und 42-fachen GP-Siegers bei seinen ersten vier WM-Titelgewinnen, trennte sich vom Champion. Er liess sich von deutschen HB-Honda-Werksteam anheuern, das von Dieter Stappert geleitet wurde – und mit Reinhold Roth um den Titel kämpfen wollte. HB-Teamkollege von Roth wurde der aufstrebende Helmut Bradl, der 1991 Vizeweltmeister wurde und bereits 1990 drauf und dran war, Roth im HB-Team den Rang abzulaufen.

Doch dann kam der verhängnisvolle 17. Juni 1990, der GP von Jugoslawien in Rijeka. Damals standen die Grands Prix noch unter der dilettantischen Führung der ehrenamtlichen FIM-Funktionäre wie Max Deubel, ein professionelles Rennmanagement und sinnvolle Vorschriften für die ärztliche Versorgung fehlten. Es existierte nicht einmal ein Medical Code. Der Medinzinische Ausschuss der FIM war damals eine Ansammlung von Ahnungslosen und verfügte über keinerlei Rechte, wie Dr. Robert Kreutz damals anprangerte.

In Rijeka kam es 1990 schon beim 125er-Rennen in der ersten Kurve zu einem Massensturz mit 19 Teilnehmern, weil die FIM sämtliche Warnungen bezüglich einer blödsinnigen Strohballenmauer ignoriert hatte. Vor dem Neustart wurden fünf zusätzliche Trainingsrunden bewilligt, das war der erste folgenschwere und reglementswidrige Fehler an diesem Tag. Später wurde das 250er-Rennen trotz des einsetzenden Regens nicht abgebrochen, obwohl längst volle Punkte vergeben werden konnten.

Reinhold Roth büsste diese Veranwortungslosigkeit der völlig überforderten FIM-Jury mit seiner Gesundheit. Er krachte in einem Fünf-Mann-Pulk bei Tempo 180 km/h gegen Darren Milner, der wegen der nassen Fahrbahn aufgeben wollte und sich auf dem Weg zur Box befand. Auf der Ideallinie, wohlgemerkt. Er hatte bei einem Grand Prix eigentlich nichts verloren. Welche Fähigkeiten den hoffnungslosen Nachzügler für einen WM-Lauf qualifizierten, weiss bis heute niemand. Die Grading-Listen der FIM galten damals als Buch mit sieben Siegeln.

Jedenfalls krachte Reinhold Roth, dem durch Vorderleute wie Mang und Wimmer die Sicht verstellt war, mit 180 km/h ins Heck der Milner-Yamaha. Bei diesem wuchtigen Anprall wurde sein Rückgrat teilweise in die Schädelbasis gestaucht. Da im Rettungsauto ein Sauerstoffgerät fehlte und auch sonst keine medizinischen Hilfsmittel gegen schwere Verletzungen vorhanden waren, blieb Roth vor dem Eintreffen in der Clinica Mobile fünf Minuten ohne Sauerstoff. Er hatte ein Schädel-Hirn-Trauma erlitten und lag danach mehr als sechs Wochen im Koma, sein Gehirn wurde dauerhaft beschädigt.

«Jointie» (so wurde er wegen seines einst starken Zigarettenkonsums genannt) ist seither linksseitig gelähmt und ist ein Pflegefall. Er kann sich nicht verständlich machen und wird in Amtzell im behindertengerechten Haus von seiner Frau Elfriede, deren Schwestern und Sohn Matthias liebevoll betreut. Elfriede und Matthias führen gemeinsam eine Modeboutique.

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