Deutschland: Welche Nachwuchsserien sind sinnvoll?

Von Thorsten Horn
Schönrock, Koch und Eisenkolb

Schönrock, Koch und Eisenkolb

Das Dilemma mit zu wenigen deutschen bzw. deutschsprachigen Piloten im Grand-Prix-Sport ist bekannt. Der einzig zielführende Weg ist eine starke Moto3-Kategorie. Möglichkeiten gibt es auch in Deutschland.

Mit ebenfalls reichlich Verspätung startet der neu ins Leben gerufene Northern Talent Cup derzeit mit den offiziellen Tests in Oschersleben bzw. mit den ersten Rennen am 7. und 8. September im Rahmen der IDM auf dem Sachsenring. Ein löblicher Schritt der Dorna, des ADAC und von KTM in die richtige Richtung, wenngleich ihn in diesem Jahr nur (oder immerhin) fünf deutsche, drei Schweizer und zwei österreichische Fahrer beschreiten.

Gefahren wird mit der KTM RC4R im Wert von 12.000 Euro mit Einzylinder-Viertakt-Motor mit 250 ccm und ca. 46 PS. Auch der Rahmen wird vom Cross-Bike KTM 250 SX-F verwendet und das Motorrad mit diversen Umbauten schließlich rennstreckentauglich gemacht.

Um seine Moto3-Tauglichkeit zunächst zu prüfen, sogar ein paar Kosten zu sparen oder das Jahresbudget zu reduzieren gibt es parallel dazu mit der Honda Talent Challenge eine echte Alternative.

Diese läuft im Rahmen der Classic-Serie Moto Trophy und bietet für kleines Startgeld sehr viel Streckenzeit. Zum Einsatz kommen hierbei identische Rennmaschinen des Typs Honda NSF 250R mit Einzylinder-Viertaktmotoren, die ca. 48 PS leisten. Die Einheits-Motorräder kosten 13.000 Euro. Dafür kriegt man einen Production- Racer, eine richtige Rennmaschine.

Für die Honda Talent Challenge schüttet der weltweit größte Motorrad-Hersteller einige Prämien aus. Bei den Rennen gibt es ein Tagespreisgeld von 250, 150 sowie 100 Euro für die drei Erstplatzierten. Am Jahresende erhält der Gesamtsieger einen Scheck über 3500 Euro. Die beiden Nächstplatzierten dürfen sich immerhin noch über 2500 und 1000 Euro freuen.

Dunlop spendiert bei jeder Veranstaltung für die drei Erstplatzierten jeweils einen Reifensatz im Gesamtwert von fast 500 Euro pro Event.

Zu dieser Alternative meint der Ex-Rennfahrer Frank Koch, der mit seinem Team «F. Koch Rennsport» schon einige GP- bzw. inzwischen schon wieder Ex-GP-Piloten betreut hat, sind Straßenmotorräder von der Faszination mit reinrassigen Rennmaschinen nicht zu vergleichen. Dazu führt er folgende Argumente ins Treffen: «Es ist leider auch ein Problem der Unwissenheit. Früher haben sich die Teilnehmer die Infos geholt, heutzutage muss man die Infos und Argumente zu den Leuten bringen. Leider ist das Vorwissen ziemlich gering, sodass manche Leute die Technik abschreckt. Das ist aber schlichtweg falsch. Die Moto3-Motorräder wie in der Honda Talent Challenge sind richtige Rennmotorräder, bei denen vieles durch intelligente Lösungen viel einfacher zu warten und zu reparieren ist. Wenn ich mit einem Straßenmotorrad Rennsport betreibe, muss ich zu 90 Prozent die gleiche Arbeit verrichten. Zum Beispiel Reifen wechseln, Inspektionen, Ersatzteilkontingente vorhalten, das Reisen und so weiter ist alles gleich. Solange das mit einem Moto3-Motorrad im Standard-Bereich bleibt, ist das alles gut machbar. Das KTM-Moto3-Motorrad für die NTC ist auch ein sehr gutes Motorrad, unterm Strich aber ein Cross-Motorrad für die Straße. Technisch ist es die Vorstufe zur Honda NSF 250, wie wir sie in der Honda Talent Challenge einsetzen. An beiden Motorrädern muss man arbeiten. Die Anschaffungskosten sind ungefähr gleich, die Moto3-KTM ist vielleicht etwas langlebiger und einen Tick preiswerter in der Revision. Data-Recording wird auch gern als Kostenfaktor genannt, doch ich sage, dass man damit sogar Geld spart, weil man schneller ans Ziel kommt.»

Soweit so gut. Die nächste Frage ist aber: Was macht ein Talent nach dem NTC? Wenn man nicht in den Red Bull Rookies-Cup kommt, bleibt der ETC – der European Talent Cup. Dazu muss man wieder etwas kaufen. Oder man geht direkt auf die Honda, dann kann man sich zunächst in der deutschen Honda Talent Challenge versuchen und beweisen, um später mit dem gleichen Motorrad in den ETC gehen. Der einzige Unterschied ist, dass in Spanien ein anderer Auspuff erlaubt ist.

Übrigens: Seit Philipp Öttl 2013 ist kein deutscher Fahrer mehr neu und dauerhaft in die Moto3-WM gekommen!

Dass Frank Koch weiß, wovon er spricht, belegen die Tatsachen, dass er im Auftrag von Aki Ajo und dessen «Ajo Motorsport Junior Project» schon Peetu Paavilainen und später Patrik Pulkkinen im Moriwaki-Cup betreut hat. Danach wurde er mit Philipp Freitag 2017 und 2018 jeweils Gesamtdritter in der Moto3-Standard-Klasse im Northern Europe Cup. Er betreute später, als Maximilian Kofler die Junioren-WM fuhr, dessen Bruder Andreas.

Dass der NEC 2019 vom ADAC abgesagt, wurde, bedauert Frank Koch sehr. «Angeblich aus Teilnehmermangel. Das war auch für mich unverständlich, schließlich waren damals neben uns die Teams Intact, Kiefer und Freudenberg sowie viele Privatfahrer dabei. Aber der ADAC Junior Cup hatte damals Probleme mit der Teilnehmerzahl, sodass man wohl zunächst diesen auffüllen wollte. Damals konnte ich nur den Kopf schütteln. Natürlich war in Deutschland nicht das Potenzial für zwei Serien vorhanden, aber der ADAC Junior Cup war wohl heilig. Der war sicher eine gute Geschichte und finanziell auch etwas billiger und lukrativer, doch aus dieser Klasse wird kein gescheiter Rennfahrer kommen», urteilt Koch unverblümt.

Und weiter: «Die 390er-KTM ist natürlich sehr straßenlastig. Für kleine Rennfahrer war es natürlich noch schwerer, damit klarzukommen.»

Die aktuelle Situation im deutschen Rennsport schätzt er so ein: «Eigentlich haben wir das Potenzial. Es gibt genügend Fahrer, aber alle jammern, dass es angeblich keine Meisterschaft und keine Konkurrenz gibt. Wenn alle in den Serien fahren würden, die es gibt, gäbe es einen echten Wettbewerb, der jedem verdeutlicht, ob er Talent hat und ob es sich für ihn lohnen könnte, weiterzumachen. Es wäre sehr wichtig, in Deutschland wieder eine nationale Moto3-Meisterschaft zu haben. Bei der NTC unterschreibe ich einen Vertrag, immer am Start zu stehen. Das ist bei der Moto Trophy und der Honda Talent Challenge viel lockerer. Zusammen mit der Young Rider Trophy für 300-ccm-Fahrer habe ich immer Konkurrenz. Wenn ich ambitioniert bin, fahre ich natürlich alle Rennen, wenn nicht, nur ausgewählte.»

Wie sieht Koch den viel zitierten Standortvorteil in südlichen Ländern? «Wenn ein Spanier auf die Welt kommt, kann er auch nichts, genauso wie ein Deutscher. Aber die Spanier haben einen Fahrerüberschuss und wir einen Mangel. Dadurch kommen dort wirklich nur die besten hoch, bei uns leider nur die, die einen langen Atem, genügend Geld oder ein überdurchschnittliches Talent haben.»

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