Ein Hoffnungsschimmer bei der KTM AG

Peter Öttl: Die schmutzigen Tricks der Leopard-Fahrer

Von Günther Wiesinger
Liqui-Moly-Husqvarna-Teambesitzer Peter Öttl grübelt einerseits über verschenkte Siege von Sasaki und ärgert sich anderseits über die üblen Praktiken des Leopard-Honda-Teams in der WM-Endphase.

Peter Öttl ist seit 2016 der Besitzer eines Moto3-GP-Teams, das zuerst drei Jahre für seinen Sohn Phillip geführt wurde und nach 2018 (Philipp ging in die Moto2-WM zu Red Bull KTM Tech3 als Teamkollege von Marco Bezzecchi) gemeinsam mit Biaggi neu als Max Racing Team betrieben wurde. 2019 noch mit KTM, Arón Canet wurde mit drei Saisonsiegen Vizeweltmeister, seither mit Husqvarna. Und das heutige Liqui Moly Husqvarna Factory Racing Team hat jedes Jahr mindestens einen Sieg errungen. 2022 gelang in Sepang sogar der erste Doppelsieg durch John McPhee und Ayumu Sasaki, dieses Jahr triumphierte dort Rookie Collin Veijer vor Sasaki.

Doch die Titeljagd des Japaners verlief wieder im Sande, denn er führte bei sieben Grand Prix in der letzten Runde siegte aber nie, ehe er nach zehn Podestplätzen in dieser Saison in Valencia endlich den ersten Saisonsieg feierte – und die WM auf Platz 2 abschloss.

Dem Niederländer Collin Veijer wurde vorgeworfen, er habe in Sepang nicht auf die Titelchancen von Sasaki Rücksicht genommen und ihm wieder fünf wertvolle Punkte weggenommen. Doch Teambesitzer Peter Öttl lässt diese Vorwürfe nicht gelten. Er sagt, Sasaki habe den Titel schon vorher verspielt, als er in Indonesien in der Besichtigungsrunde stürzte und danach im Rennen über Platz 18 nicht hinauskam.

Im Interview mit SPEEDWEEK.com blickt Peter Öttl auf die Höhen und Tiefen der Saison 2023 zurück.

Peter, Sasaki hat in diesem Jahr bei sieben Grand Prix in der letzten Runde geführt, aber nicht gewonnen. Oft verlor er die Führung sogar in der Zielkurve. Ist das fehlende Rennintelligenz oder ein Mangel an Killerinstinkt? Oder war er mit dem Rechenschieber unterwegs?

Ayumu ist sehr auf Sicherheit gefahren. Am Saisonanfang war er unheimlich schnell und wahrscheinlich überlegen. Und statt Siege nach Hause zu fahren ist er zweimal gestürzt, dann hat er sicher seine Strategie geändert. Er hat dann entschieden: Jetzt muss ich zuerst einmal ein paarmal ankommen und sicher Punkte machen. Dieses Punktesammeln hat ihn im Endeffekt dahin gebracht, dass er beim vorletzten Rennen noch um den WM-Titel gekämpft hat. Das lässt sich nicht bestreiten.

Denn wenn ich die beiden Red Bull-KTM-Teams aus der Pierer-Gruppe oder das Aspar-GASGAS-Team nehme, so haben die weniger Punkte gemacht. So gesehen war die Strategie von Ayumu sicher nicht so falsch. Denn wir waren bis zum letzten Rennen mit Masià auf Schlagdistanz. Er hat keine Fehler gemacht und in der ersten Saisonhälfte dann sieben Podestplätze hintereinander errungen.

Klar, es waren einige Siege möglich, die er in der letzten Kurve vergeben hat. Dreimal hat Ayumu die Führung in der letzten Kurve verspielt.

Du hast dich geärgert, weil in der entschiedenen Phase der WM bei Leopard der Spanier Adrián Fernandez ins Team kam statt Suzuki, der sich jedoch zu 100 Prozent in den Dienst von Masià stellte. Du hast dich deshalb bei der Renndirektion beschwert und in Doha eine Strafe erwartet.

Ich habe den FIM-Stewards mehrmals Informationen geschickt, und zwar unterlegt mit entsprechenden Nachweisen, seien es Videos, Fotos oder sonstwas. Dabei hätte ich besser Dinge zu tun als das.

Ich schildere ein Vorkommnis in Malaysia: Im ersten freien Training sind alle rausgefahren, doch Sasaki hatte ein Problem mit dem Motorrad. Das haben die Kollegen bei Leopard aber nicht gewusst, deshalb hat Fernández eine Minute lang vor unserer Box auf Sasaki gewartet. Das hatte ich auf Video! 

Der Teamkoordinator von Leopard ist neben mir gestanden, als ich den Vorfall gefilmt habe. Er hat sich noch lustig gemacht über diese Situation. 

Adrián Fernandez wurde doch nur engagiert, weil Suzuki seinem Landsmann und Kumpel Sasaki nicht an den Karren gefahren wäre. Er war ja 2021 in deinem Team, es gab dann schon in Aragón 2022 Ärger mit ihm und seiner Crew.

Ja, das hast du im November ganz richtig geschrieben. Suzuki hatte einen Passus in seinem Vertrag, dass sie ihn austauschen können, wenn er in der WM nicht in den Top-8 ist. Das ist eh schon eine arge Vertragsklausel...  

Der Vorwand für seinen Rausschmiss war dann, dass er einem Foto mit uns zugestimmt hat, also mit seinem neuen Team für 2024. Aber dieses Foto war nicht der wahre Grund. Suzuki war für Leopard in der entscheidenden WM-Phase einfach nicht nützlich, das ist ja klar.

Das habe ich den Leopard-Leuten auch ins Gesicht gesagt. Es war ja ganz durchschaubar, warum Adrián statt Suzuki engagiert worden ist.

Adrián Fernández ist Masià nach dessen Titelgewinn in Doha vor Freude angesprungen, als sei er selbst Weltmeister geworden.

Ja, Fernández ist zuerst auf Platz 4 vorgestürmt, am Schluss ist er 17. geworden, weil er sich zu Sasaki zurückfallen hat lassen. Seine eigenen Interessen hat er nicht gewahrt. 

Die beiden Leopard-Fahrer haben Sasaki in Katar durch drei grimmige Block Passes nach hinten gedrängt. Dann bekam der Japaner Geleitschutz von Fernández. Das ist zwar nicht verboten, aber ich habe so eine Fahrweise noch nie gesehen. Das war fast kriminell.

Ich habe ja in der 80-ccm-Klasse 1989 auf eine ähnliche Art und Weise verloren. Damals sind die Derbi-Piloten Jorge Martinez und Julian Miralles bei meinem Duell gegen Herreros in Brünn ähnlich mit mir umgesprungen. Sie haben einfach immer überall sehr spät gebremst und sind dann vor mir langsam durch die Kurven gefahren, damit Herreros seinen Vorsprung auf mich vergrössern kann. 

Im Endeffekt war das damals für mich eine komplett neue Situation. Mit solchen Vorfällen bist du normal im GP-Sport nicht konfrontiert. Aber aus Sicht ihres Herstellers haben sie alles richtig gemacht. Den ich bin dann kurz vor dem Zielstrich in der drittletzten Kurve der letzten Rennrunde gestürzt. So habe ich die WM-Führung verloren, Manuel Herreros und Derbi sind Weltmeister geworden.

Aber so etwas, wie Masià in Katar gemacht hat, als er das Motorrad in der Kurve aufgerichtet und Ayumu nach außen gedrängt hat, haben meine Derbi-Gegner 1989 nicht gemacht.

Masià hat in Doha einen Block Pass gegen Sasaki gemacht, Fernández hat gegen beide Fahrer Block Passes gemacht. Der hat sich um Collin Veijer auch noch gekümmert... 

Ergebnis Moto3-Rennen, Valencia (26.11.2023):

1. Sasaki, Husqvarna, 20 Rdn in 33:03,409 min
2. Alonso, GASGAS, + 0,082 sec
3. Ortolá, KTM, + 0,128
4. Veijer, Husqvarna, + 0,266
5. Öncü, KTM, + 0,384
6. Rueda, KTM, + 3,589
7. Kelso, CFMOTO, + 4,623
8. Holgado, KTM, + 6,105
9. Muñoz, KTM, + 6,305
10. Yamanaka, GASGAS, + 6,907
11. Furusato, Honda, + 9,166
12. Farioli, KTM, + 9,663
13. Masia, Honda, + 10,446
14. Adrian Fernández, Honda, + 10,556
15. Nepa, KTM, + 11,462

Moto3-WM-Endstand nach 20 Rennen:

1. Masià, 274 Punkte. 2. Sasaki 268. 3. Alonso 245. 4. Öncü 223. 5. Holgado 220. 6. Ortolá 187. 7. Veijer 149. 8. Moreira 131. 9. Rueda 121. 10. Muñoz 113. 11. Toba 105. 12. Nepa 102. 13. Yamanaka 84. 14. Riccardo Rossi 79. 15. Artigas 77. 16. Furusato 63. 17. Kelso 61. 18 Bertelle 57. 19. Suzuki 50. 20. Fenati 35. 21. Salvador 31. 22. Adrián Fernández 25. 23. Ogden 24. 24. Farioli 19. 25. Migno 17. 26. Perez 15. 27. Fellon 6. 28. Azman 5. 29. Carraro 5. 30. Whatley 5. 31. Aji 4.

Konstrukteurs-WM:

1. KTM, 394 Punkte. 2. Honda 327. 3. Husqvarna 307. 4. GASGAS 270. 5. CFMOTO 113.

Team-WM:

1. Liqui Moly Husqvarna Intact GP, 417 Punkte. 2. Leopard Racing 349. 3. Red Bull KTM Ajo 344. 4. Valresa GASGAS Aspar Team 329. 5. Angeluss MTA Team 289. 6. Red Bull KTM Tech3, 239. 7. SIC58 Squadra Corse 184. 8. CFMOTO Racing PrüstelGP 138. 9. MTHelmets-MSi 136. 10. BOE Motorsports 128. 11. Rivacold Snipers Team 97. 12. Honda Team Asia 67. 13. CIP Green Power 54. 14. Vision Track Racing Team 29.

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