KTM: Im Werk gingen die Lichter aus

Wie Stefan Bradl zu Yamaha kam – und was schief lief

Von Günther Wiesinger
Heute weiß Stefan Bradl: Er hätte für 2015 bei LCR Honda bleiben sollen

Heute weiß Stefan Bradl: Er hätte für 2015 bei LCR Honda bleiben sollen

Stefan Bradl erlebte im Sommer 2014 eine aufregende MotoGP-Transferphase. Schon vor der Saison erklärten ihm die Japaner von HRC, man erwarte konstant Podestplätze von ihm.

Stefan Bradl sollte für 2015 und 2016 Dani Pedrosa im Repsol-Honda-Team ablösen, man sprach bei HRC von einer Wachablöse.

Bradl hörte dann bald, dass HRC mit Fahrern wie Miller, Viñales, Aleix Espargaró, Johnny Rea und anderen für die Saison 2015 verhandelte.

LCR-Honda-Teambesitzer Lucio Cecchinello wollte Bradl zwar behalten, aber da das HRC-Budget künftig nicht mehr für Bradl, sondern für Miller vorgesehen war, schien bei LCR keine Zukunft für Bradl zu sein.

Cecchinello sagte schon Mitte Juni beim Barcelona-GP: «Stefan, schau dich um, ich möchte, dass du auch 2015 in einem Top-Team fährst.»

Doch bei Teams wie Pramac Ducati bestand zuerst kein Interesse, weil die Truppe mit Iannone und Petrucci besetzt war.

Beim Sachsenring-GP ließ LCR-Chef Cecchinello durchblicken: «Stefan, die Chance, dass ich 2015 ein Team mit zwei Fahrern finanzieren kann, liegt bei 70 Prozent.» Und er fügte an: «CWM-Chef Anthony Constantinou ändert seine Meinung dreimal am Tag.»

Der zwielichtige und neureiche Finanzjongleur war in Assen 2015 bei LCR erstmals als «One Event Sponsor» aufgetreten, Cecchinello wollte ihn für 2015 als Hauptsponsor für Miller und Bradl gewinnen. Dazu musste der Brite 6,5 Millionen Euro lockermachen.

Dieser Deal stand auf höchst wackligen Beinen, deshalb sah sich Bradl weiter nach anderen Möglichkeiten um.

Forward-Yamaha glänzte 2015 in Assen mit Platz 4 dank Aleix Espargaró, Teamchef Giovanni Cuzari und Yamaha zeigten sofort großes Interesse an Bradl.

Forward Racing drängte auf eine Zusage, Bradl stand unter Zeitdruck, da bei Forward auch mit Iannone, Dovizioso, Redding, Laverty und so weiter verhandelt wurde. Auch ein Verbleib von Aleix Espargaró stand bis Ende Juli zur Diskussion.

Bradl einigte sich mit Forward, denn die Situation bei LCR war ungewiss. Der zweite Platz war finanziell nicht abgesichert und Lucio Cecchinello konnte keine Werksmaschine zusagen, denn Honda überlegte, ob man sie nicht besser Jack Miller zuschanzen sollte.

Bradl fühlte sich diskriminiert, denn er kämpfte im Juli 2014 noch um den sechsten WM-Rang und sollte sich hinter Rookie und Moto3-Aufsteiger Jack Miller mit einer Open-Honda ins zweite Glied stellen?

Von LCR und Honda kam im Frühjahr und Sommer 2014 nie ein Angebot, erst in den letzten Juli-Tagen zeichnete sich eine Zusage von CWM ab. Zu diesem Zeitpunkt hatte sich Bradl innerlich schon von Honda verabschiedet.

Übrigens: Noch vor dem ersten Grand Prix 2015 wurden 13 Mitarbeiter von CWM in London verhaftet. CWM zahlte nur 4 der zugesagten 6,5 Millionen, das Firmengeflecht brach zusammen, ab Brünn 2015 wurden bei LCR alle Spuren von CWM getilgt. Constantinou wurde bereits nach dem Katar-GP im Paddock zur «unerwünschten Person» erklärt, er bekam quasi Hausverbot.

LCR und HRC mussten für 2015 Cal Crutchlow aus dem Ducati-Vertrag loseisen, während Bradl plötzlich auch Angebote von Pramac und Aprilia bekam. Von Pramac, weil nach Crutchlows Abgang der Italiener Iannone von Pramac ins Werksteam transferiert wurde, von Aprilia, weil dort Marco Melandri nicht MotoGP fahren wollte.

Aber Aprilia-Renndirektor Romano Albesiano erklärte damals ehrlich: «Stefan, unser Motorrad wird 2015 nicht gut genug für dich sein.»

Stefan, wenn du die Zeit zurückdrehen könntest bis Juli 2014 und die Wochen danach: Was würdest du anders machen? Ich erinnere mich an zwei Aussagen: Du wolltest einmal eine Yamaha fahren, weil du vermutet hast, dass sie besser zu deinem Fahrstil passt. Und du hast erwähnt, dass du vom mysteriösen Griechen Constantinou kein schmutziges Geld nehmen willst.

Es sind einige Aspekte, die damals zusammengetroffen sind. Ja, ich habe auch gemeint, dass mir eine Teamveränderung nach drei Jahren vielleicht einmal gut tut.

Drei Jahre bei LCR, das war für mich eine lange Zeit. Aber im Nachhinein würde ich natürlich sagen: Mir ist es doch wurst, ob das Geld von einem Griechen oder von sonst wem kommt, das würde mich heute nicht mehr interessieren.

Ich wäre dann natürlich noch ein Jahr bei LCR weitergefahren.

Wie ich von Honda 2014 behandelt worden bin, war natürlich auch nicht die feinste Art.

Ich war zu dieser Zeit schon ein bisschen enttäuscht, weil es monatelang keine Kommunikation von Seiten HRC mit mir gab, obwohl ich bei HRC unter Vertrag war.

Man hätte ja zumindest sagen können: Wir suchen einen Platz im Aspar-Honda-Team für dich? Aber LCR und Honda wurden erst mit einem Angebot vorstellig, als die Verhandlungen mit Forward schon sehr weit fortgeschritten waren.

Ich habe in dieser ungewissen Zeit natürlich versucht, eine Alternative zu LCR zu finden, und das war Forward. Ich habe damals sehr viel überlegt, es wurde sehr viel verhandelt und telefoniert, es gab regen E-Mail- und SMS-Verkehr.

Im Nachhinein weiß ich, es war im Endeffekt ein Fehler, dass ich den Schritt zu Forward gemacht habe.

Aber das Motorrad war zu diesem Zeitpunkt sehr konkurrenzfähig, Aleix Espargaró hat gute Ergebnisse auf diesem Motorrad erzielt. Und ich dachte, mein Fahrstil kommt der Yamaha eventuell entgegen, ruhig, flüssig, sauber. Die Honda war eher so ein Márquez-Fahrzeug, es war eine brachiale Fahrweise gefragt.

Ich habe auch gehofft, dass wir Daten vom Yamaha-Werksteam bekommen, damit wir uns etwas abschauen können. Und mit Dirk Debus und Tex Geissler hatte Forward zwei deutsche Elektroniker für mich, das sah alles reizvoll und vielversprechend aus. Ich konnte mir sogar die Technik-Crew selber zusammenstellen.

Der erste Ärger begann schon beim ersten Test in Valencia, als du plötzlich Kayaba-Federelemente statt Öhlins fahren solltest, obwohl Öhlins-Material vertraglich vereinbart war.

Ja, das war aber rasch wieder erledigt. Nach ungefähr zehn Runden...

Man hatte den Eindruck, Yamaha hatte 2014 viel Interesse am Gewinn der Open-Class durch Forward und Aleix Espargaró, weil Marc Márquez die Factory-WM dominierte. 2015 kämpfte dann Valentino Rossi vom ersten Rennen an um den MotoGP-WM-Titel gegen Márquez, also wurde die Open-Class für Yamaha zur Nebensache.

Ja, wir haben bei Forward jedenfalls technisch nicht die erhofften Fortschritte erzielt. Es wurde bei Forward viel versprochen, was dann nicht eingetroffen ist. Es hat lange gedauert, bis ich wenigstens ein brauchbares Ersatz-Motorrad in der Box hatte. Das Budget war knapp...

(Wird fortgesetzt)

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