KTM: Im Werk gingen die Lichter aus

Claudio Domenicali: «Kein Plan für Ducati-Verkauf»

Von Günther Wiesinger
Ducati gilt als Image-starke Perle im Volkswagen-Konzern. Deshalb sei kein Verkauf geplant, versichert Ducati-CEO Domenicali. Aber KTM-Chef Pierer signaliert Interesse.

Stefan Pierer (62) ist Gründer der Beteiligungsgesellschaft Cross Industries, der späteren KTM Industries, und Vorstandsvorsitzender der KTM AG. Pierer hat am 31. Januar 2013 von BMW die Marke Husqvarna gekauft und verkündete im Dezember im SPEEDWEEK.com-Interview sein Interesse an Mitbewerber Ducati. Die Ducati Motor Holding wurde 2012 zu 100 Prozent von der Volkswagen AG gekauft – als Kaufpreis wurden 872 Millionen Euro kolportiert.

Auf die Frage, ob KTM weiter konsequent am Konzept festhalten werde, keine Motorräder mit mehr als zwei Zylindern zu bauen, obwohl jetzt sogar Ducati erstmals ein V4-Motorrad anbietet, antwortete Stefan Pierer: «Um zum Beispiel einen Dreizylinder anbieten zu können, müsste Triumph zu unserer Gruppe kommen, was ich ausschließe, so sehr sich mein indischer Partner Bajaj darum bemüht. Der Vierzylinder ist neu ein Ducati-Thema, wobei Ducati schon unter Druck kommt.»

«Ich habe eine emotionale Beziehung zu Ducati», versicherte der KTM-Vorstandsvorsitzende. «Ducati ist Ducati, daran gibt es nichts zu rütteln. Die einzige Marke, die noch zu uns passen würde, ist Ducati. Alles andere kannst du vergessen. MV Agusta ist zu klein.»

Aber die VW-Gruppe hat 2011 rund 840 Millionen Euro für Ducati bezahlt. Lässt sich so ein Betrag jemals erwirtschaften?

Pierer: «Vielleicht hat Audi durch die Dieselaffäre und die E-Mobilität bald andere Prioritäten als ein Motorradwerk zu betreiben. Ducati ist der Ferrari des Motorradgeschäfts. So eine Marke in unserer Gruppe zu haben, wäre natürlich interessant. Es ist keine Frage des Preises, sondern es geht um das Thema: Wann realisiert jeder, in welcher Situation er sich befindet. Es kommen neue Herausforderungen bei der Homologation auf uns zu – wir haben zum Beispiel Euro 5. Im Jahr 2024 kommt das Thema Lärm. Es geht auch im die demografische Entwicklung in Europa. Man muss heute mit dem Motorradgeschäft nach Asien gehen, nach Indien. Wenn du dort nicht erfolgreich bist, bist du irgendwann weg. Es geht bei Ducati nicht um den Kaufpreis, sondern um die Frage: ‚Wie kann ich gemeinsam stärker werden?‘ Kommt Zeit kommt Rad…»

Ducati verkauft aktuell ca. 55.000 Motorräder. Im Jahr 2017 wurden immer wieder neue potenzielle Käufer für Ducati an die Öffentlichkeit gebracht, denn der VW-Konzern musste damals die Kosten senken (Rückzug von Audi aus der Sportwagen-Szene und vom 24h Le Mans, Rückzug von VW aus der Rallye-WM) und brauchte Geld, um das Dieselgate zu finanzieren. VW-Konzernchef Matthias Müller wollte Ducati verkaufen, um die Strafzahlungen für die Diesel-Affäre begleichen zu können.

Damals wurden Harley Davidson, Benetton, Eicher Motors, Bajaj und Polaris als Kaufinteressente genannt, dazu war noch von Investorengruppen außerhalb der Fahrzeugbranche die Rede.
2019 ist erstmals der Slogan «Audi Sport»„ auf den MotoGP-Maschinen von Ducati zu sehen. Sollen damit auch die Gerüchte, VW will Ducati verkaufen, zum Schweigen gebracht werden? «Diese Frage müsste man unserem Eigentümer stellen», sagt Claudio Domenicali, CEO der Ducati Motor Holding. «Ich kann nur wiederholen, was öffentlich bereits mitgeteilt wurde. Es besteht im Augenblick in Deutschland kein Plan, Ducati zu verkaufen. Aber ich kann hier keine endgültige Antwort geben. Man müsste sich bei unserem obersten Chef Dr. Diess erkundigen oder bei Audi-Chef Bram Schot. Klar, es gibt viele Gerüchte, aber es existiert kein Plan für den Verkauf. Es gibt auch einige Menschen, die Ducati kaufen möchten und unsere Firma als Ferrari des Zweiradgeschäfts bezeichnen. Darauf sind wir stolz. Denn die Bewertungen von Ducati, die in den letzten Jahren verkündet wurden, sind doppelt so hoch wie die Summe, die Audi für unsere Firma bezahlt hat. Das bedeutet, wir haben in den letzten fünf Jahren gute Arbeit geleistet. Insgesamt ist das eine erfreuliche Situation.»

Heute wird Audi vom «manager-magazin» als Sanierungsfall bezeichnet. Es werden zwar 1,5 Mio Auto verkauft, aber der Audi Q8 kommt zehn Jahre zu spät, die Batterie-getriebenen e-tron-Modelle werden zwar heftig beworben, sind aber noch nicht serienreif. Die Elektro-Mobilität und die Hybrid-Technologie wurde jahrelang verschlafen. Die Audi-Vorstände mussten serienweise gehen, von Hackenberg über Dürrheimer bis zu CEO Stadler, der sogar ins Gefängnis wanderte. Inzwischen wurde der Niederländer Bram Schot (57) zum neuen CEO ad interim bestimmt. Er zeichnet ein düsteres Bild der Audi-Situation. Er gilt als Notlösung, Audi wollte eigentlich Markus Duesmann von BMW loseisen, aber er bekam keine Freigabe.

Fakt ist: Audi hat den Slogan «Vorsprung durch Technik» schon länger nicht mehr mit technischen Pionierleistungen untermauert. Gegenüber den Rivalen Mercedes-Benz und BMW, die man eigentlich überholen wollte, ist Audi deutlich zurückgefallen.
Eigentümer von Ducati ist die Volkswagen AG. Der Motorradhersteller wurde aber als sportliche Marke in die Audi Group eingegliedert – wie Lamborghini und Italdesign.
Inzwischen ist es stumm geworden um die Verkaufspläne bezüglich des italienischen Motorradherstellers. «Ducati ist als Motorrad-Premium-Marke eine Perle in der VW-Gruppe, und da der Umsatz nur 0,3 Prozent des Gesamtumsatzes der VW-Gruppe ausmacht, würde ein Verkauf die finanzielle Situation kaum ändern», sagt ein Insider. «Ducati passt gut zum Marken-Image.»

Bei Audi war in Zusammenhang mit Ducati immer von einem «Juwel» die Rede, der ehemalige Vorstandsvorsitzende Ferdinand Piech wollte 2012 unbedingt eine Motorradmarke im Konzern haben. Er hatte seine Einkaufstour schon auf die Marken Porsche, Scania und MAN ausgedehnt und 20 Prozent von Suzuki erworben. Im Kaufpreis waren übrigens auch 200 Millionen Schulden enthalten.

Was reizte VW und Audi an Ducati? Technisch seien an Ducati vor allem zwei Dinge interessant, hieß es in Konzernkreisen. Einerseits das spezielle Brennkammerverfahren mit der desmodromischen Ventilsteuerung, das unter Umständen auch für Autos oder alternative Mobilitätskonzepte verwendbar sei, zum anderen die Leichtbaukompetenz der Italiener.

Stückzahlen und Umsätze sind bei Ducati zuletzt regelmäßig gestiegen, nachdem schon vor der Wirtschaftskrise 2008 rote Zahlen geschrieben worden waren. «Seit 2007 haben wir nur rot auf unseren Verkleidungen gesehen», sagte Gabriele Del Torchio, damals CEO der Ducati Motor Holding, vor sieben Jahren. «Der Rekord-Umsatz von 2011 wurde Ende 2012 um 20 Prozent mit 44.000 registrierten Motorrädern übertroffen. Unser Marktanteil wuchs von 2,4 Prozent 2006 auf 5,2 Prozent 2012.»

In überschaubaren Portionen hat Ducati die Stückzahl von 42.000 (2011) auf 55.871 erhöht, der Umsatz wuchs in dieser Phase von 450 auf 736 Millionen Euro. Der Gewinn liegt bei 50 Millionen Euro im Jahr.

Die Ducati-Verkaufszahlen

2017: 55,871 Motorräder (Umsatz 736 Mio Euro)
2016: 55.451 Motorräder (Umsatz 731 Mio Euro)
2014: 45.117 Motorräder (Umsatz 457 Mio Euro)
2013: 44.287 Motorräder (Umsatz 450 Mio Euro)
2012: 44.000 Motorräder (Umsatz 560 Mio Euro)
2011: 42.000 Motorräder (Umsatz 480 Mio Euro)

«Audi tritt jetzt 2019 mit der Marke ‘Audi Sport‘ erstmals auf unseren MotoGP-Maschinen in Erscheinung. Das ist ein wichtiges Zeichen für die Verstärkung der Zusammenarbeit zwischen Ducati und unserem Eigentümer», sagt Claudio Domenicali, CEO der Ducati Motor Holding. «Wir sind seit 2012 Teil der Audi Group. Im Laufe der Jahre haben wir die Synergien verbessert, in allen Bereichen, auch was die Technik betrifft. Jetzt ist Audi auf unseren Rennmotorrädern zu sehen. Damit gibt Audi ein klares Signal, dass sie die Kooperation verstärken und einen Nutzen daraus ziehen wollen, uns in der Gruppe zu haben. Denn wir haben zum Beispiel Erfahrung mit Technologien von High-Performance-Motoren. Aber auch wir können vom Know-how bei Audi profitieren. Durch die verstärkte Zusammenarbeit wird Ducati als Firma stärker. Natürlich sind wir in der Gruppe ein kleines Unternehmen. Unser Ergebnis wird also die wirtschaftlichen Resultate der Gruppe nicht verändern. Die gesamte VW-Gruppe setzt mehr als 230 Milliarden Euro um. Aber unser Hauptaktionär will, dass Marke Ducati stärker und ausgeprägter wird, dass unser Wert steigt. Dazu gehört, dass wir im Rennsport bessere Ergebnisse erreichen und bessere Produkte für die Serie entwickeln. Wir sollen erste Wahl für alle Motorradfahrer werden, die ein Premium-Produkt lieben und kaufen wollen.»

«Für Ducati ist es relevant, weiter ein Investment für den Rennsport zu betreiben», sagt Domenicali. «Aber wir müssen ein Gleichgewicht zu den Kosten herstellen, wir dürfen die Firma finanziell nicht überfordern. Aber das Racing wird immer teurer, die Fahrergagen sind eine Ursache dafür.»

Für 2019 wurde der Spanier Jorge Lorenzo (Jahresgage 12,5 Mio Euro) durch Danilo Petrucci ersetzt, der schätzungsweise 700.000 Euro verdient. «In diesem Jahr sieht also die Bilanz bei den Kosten besser aus», versichert Domenicali.

«Doch was die Technik betrifft, wird der Rennsport immer komplexer. Bei Ducati Corse sind die Partnerschaften und Sponsorverträge im Zusammenhang mit MotoGP- und Superbike-WM von Anfang an immer wichtig gewesen. Auf diese Weise konnten wir Investments tätigen, die viel höher waren, als der Dimension des Unternehmens entsprechen würde und die sonst bei unseren Umsätzen nicht vertretbar gewesen wären. Ich bin 1999 Managing Director bei Ducati Corse geworden. Es war immer mein Anliegen, so viele Partner wie möglich zu finden, die unsere Leidenschaft für diese Marke teilen. Das war sehr, sehr wichtig. Sonst hätten wir nie auf dem Level mithalten können, den unsere japanischen Freunde vorgeben. Denn die Größe ihrer Unternehmen sieht komplett anders aus.»

Die neue Desmosedici GP19 ist vollgepflastert mit Sponsorklebern, das war nicht immer so. Nach 2012 zogen sich einige Geldgeber wegen Erfolglosigkeit zurück.

Domenicali: «Die Sponsorship ist für unsere Werkseinsätze von großer Bedeutung. Denn als Motorradwerk müssen wir ein enormes Augenmerk auf die Entwicklung neuer Produkte richten. Denn die Technologie bewegt sich sehr rasch, auch bei den Produktionsmotorrädern. Wir müssen in diese Technologien investieren, wenn wir mit der Firma in den nächsten fünf oder zehn Jahren konkurrenzfähig bleiben wollen. Wir sind keine Racing-Firma, wir sind ein Motorradhersteller, der den Rennsport liebt. Wir haben eine solide und wohlhabende Firma, und das soll so bleiben. In den letzten zehn Jahren ist es uns gelungen, die Balance zwischen Kosten und Ertrag im Racing gut im Gleichgewicht zu halten.»

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