Yamaha steht vor Einigung mit neuem Kundenteam

Cal Crutchlow: Alles spricht für einen Aprilia-Deal

Von Günther Wiesinger
Cal Crutchlow beim LCR-Honda-Test in Katar im Februar

Cal Crutchlow beim LCR-Honda-Test in Katar im Februar

Die Dorna braucht einen Briten in der MotoGP. Deshalb wird Cal Crutchlow 2021 dort aller Voraussicht nach neben Aleix Espargaró fahren.

Wenn es dem eloquenten, freundlichen und sonst so auskunftstreudigen LCR-Honda-Teambesitzer Lucio Cecchinello so die Sprache verschlägt, dass er die Kommunikation mit den Motorradsportmedien auf null reduziert, muss etwas Schwerwiegendes vorgefallen sein. Und nach der Gesprächsverweigerung des Italieners am Freitag dauerte es nicht lange, dann hatte SPEEDWEEK.com die Ursache des Grimms recherchiert: LCR verliert nach sechs Jahren sein Aushängeschild Cal Crutchlow, der dem seit 2006 in der MotoGP tätigen Rennstall die ersten Siege beschert hat.

In dieser Zeit gingen Lucio und Cal durch dick und dünn. Es mussten viele Rückschläge wie Stürze, Verletzungen und technische Schwächen an der immer wieder umgebauten Honda RC213V verkraftet werden. HRC wechselte beim Motor vom Screamer auf den Big Bang, dann folget das Triebwerk mit der gegen die Laufrichtung drehenden Kurbelwelle, das Chassis vermittelte dem Briten nie das vollendete Vorderrad-Feeling, 2019 kam ein neues, doch die Beschwerden blieben – selbst Weltmeister Marc Márquez lieferte pro Saison bis zu 30 Vorderradstürze ab.

Jetzt haben die Nachforderungen von SPEEDWEEK.com ergeben: Aprilia Racing steht in aussichtsreichen Verhandlungen mit Crutchlow. Sobald der Internationale Sportgerichtshof TAS die Sperre von Andrea Iannone bis 17. Juni 2021 bestätigt, könnte der 34-jährige Engländer als Teamgefährte von Aleix Espargaró präsentiert werden.

Das mag überraschend klingen, denn Aprilia bedeutet im Vergleich zu HRC einen heftigen Abstieg. Die Italiener haben das kleinste Budget aller sechs Werke und keinen Hauptsponsor, die verkauften Stückzahlen sind überschaubar, nicht nur im vergleich zu Giganten wie Honda und Yamaha. Und: Als einziger MotoGP-Hersteller besitzt Aprilia nicht einmal zwei eigene Teamplätze.

Aber Crutchlow, der dreifache MotoGP-Sieger, hat in der MotoGP noch eine Rechnung offen, obwohl er in den letzten zwei Jahren mehrmals mit dem Rücktritt nach 2020 spekuliert hat. Für den Geschmack der Honda-Manager vielleicht zu oft.

«Ich bin nicht mehr so schnell», räumte der LCR-Honda-Pilot beim Silverstone-GP im Interview mit BT Sports ein. Cal hatte sich im Training in Phillip Island im Oktober 2018 den rechten Fußknöchel zertrümmert. Er sei über eine einzelne Runde langsamer geworden, gestand er im Augist 2019, dafür könne er jetzt seine Erfahrung über die Renndistanz besser ausspielen.

Crutchlow muss jetzt für 2021 seinen Platz bei LCR-Honda für Moto2-Weltmeister Alex Márquez opfern.

HRC wollte dieses Zugeständnis von Cecchinello schon im November haben. Selbst Marc Márquez machte damals gegenüber HRC deutlich, dass es sinnvoller sei, Alex als Rookie ins LCR zu stecken, wo er weniger Druck ausgesetzt sei.

Doch Cecchinello wollte Crutchlow im Herbst nicht freigeben, er befürchtete den Verlust von Sponsoren oder zumindest reduzierte Zuschüsse. Denn mit Alex, der in der Moto2 erst nach fünf Jahren Weltmeister geworden war, konnten Firmen wie Givi, Castrol, Rizoma wenig anfangen.

Und Takaaki Nakagami konnte nicht geopfert werden, weil ihn der japanischen Konzern Idemitsu finanziert, der für 2021 noch tiefer in die Tasche greifen will, um einen Japaner in der Königsklasse zu haben.

Gleichzeitig braucht Repsol-Honda endlich wieder einen zweiten starken Fahrer, denn 2018 schwächelte Pedrosa, 2019 Lorenzo, und Marc Márquez kann die Marken- und Team-WM wegen der stärker werden Konkurrenz nicht ewig im Alleingang gewinnen.
So stand bei LCR für 2021 plötzlich ein Fahrer-Trio mit Márquez, Nakagami und Crutchlow zur Debatte. Einer musste gehen.
Schließlich traf es den Ältesten.

Doch wenn Crutchlow aufhören würde, stünde die MotoGP-WM ohne Briten da, nachdem in den letzten Jahren ohnedies schon Laverty, Redding und Smith ausgeschieden waren.

Deshalb hat auch die Dorna ein großes Interesse daran, dass Crutchlow der MotoGP-WM erhalten bleibt. Erstens als Zugpferd für den British Motorcycle Grand Prix in Silverstone, der in den letzten drei Jahren zweimal abgesagt werden musste, 2018 wegen mangelhafter Drainage, 2020 wegen Corona.

Und zweitens hat die Dorna beim Verkauf der TV-Rechte an Pay-TV-Sender BT Sports zumindest einen GP-Fahrer pro Klasse zugesichert. Das sind jetzt John McPhee in der Moto3, Darren Dixon und Sam Lowes in der Moto2 und Cal Crutchlow in der MotoGP.

Mit der Verpflichtung von Crutchlow macht sich Aprilia Racing bei der Dorna beliebt.

Und dieser Gefallen könnte sich für das italienische Werk bezahlt machen. Denn Aprilia will für die fünf Jahre nach 2021 von der Dorna zwei eigene Teamplätze zusichern lassen und am liebsten auch gleich noch ein Kundenteam haben.

Denn Fausto Gresini liebäugelt mit der Bildung eines Kundenteams mit Suzuki. Er könnte sich nach 2021 nach sieben Jahren wieder von Aprilia trennen.

Und wenn die Dorna das Feld nicht von 22 auf 24 Fahrer aufstocken will, könnten die Spanier das finanzschwache Avintia-Team von Raúl Romero überreden, nach 2021 ein Joint Venture mit Aprilia Racing einzugehen und von Ducati auf die RS-GP umzusteigen.

So sehen die MotoGP-Teams 2020 aus

Repsol-Honda
Marc Márquez, Alex Márquez

Ducati Team
Andrea Dovizioso, Danilo Petrucci

Monster Energy Yamaha
Maverick Viñales, Valentino Rossi

Suzuki Ecstar
Alex Rins, Joan Mir

Red Bull KTM Factory Racing
Pol Espargaró, Brad Binder

Aprilia Racing Team Gresini
Aleix Espargaró, Bradley Smith

Pramac Racing
Jack Miller, Francesco Bagnaia

Reale Avintia Racing
Tito Rabat, Johann Zarco

Petronas Yamaha SRT
Fabio Quartararo, Franco Morbidelli

LCR Honda
Cal Crutchlow, Takaaki Nakagami

Red Bull KTM Tech3
Miguel Oliveira, Iker Lecuona

So sehen die MotoGP-Teams 2021 aus

Repsol-Honda
Marc Márquez, Pol Espargaró

Ducati Team
Andrea Dovizioso? Jorge Lorenzo? Jack Miller

Monster Energy Yamaha
Maverick Viñales, Fabio Quartararo

Suzuki Ecstar
Alex Rins, Joan Mir

Red Bull KTM Factory Racing
Brad Binder, Miguel Olieira

Aprilia Racing Team Gresini
Aleix Espargaró, Cal Crutchlow? Andrea Iannone?

Pramac Racing
Jorge Martin, Jorge Lorenzo? Pecco Bagnaia? Johann Zarco?

Reale Avintia Racing
Tito Rabat, Johann Zarco?

Petronas Yamaha SRT
Valentino Rossi, Franco Morbidelli

LCR Honda
Alex Márquez, Takaaki Nakagami

Red Bull KTM Tech3
Danilo Petrucci, Iker Lecuona

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