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Marc Márquez: Er muss aus den Fehlern von 2020 lernen

Von Günther Wiesinger
Ein grandioser Rennfahrer: Marc Márquez

Ein grandioser Rennfahrer: Marc Márquez

Marc Márquez hat in der Motorrad-WM schon viele Glanztaten vollbracht. Aber er hat auch grenzwertige Aktionen geliefert, zum Beispiel in Jerez 2020. Honda muss den ungestümen Spanier einbremsen.

Ohne Marc Márquez, der 2019 zwölf von 19 Rennen gewonnen und sechsmal Platz 2 erobert hat, bot die MotoGP-WM 2020 unzählige Überraschungen. Neun unterschiedliche Sieger in 14 Rennen, fünf  Premierensieger (Quartararo, Binder, Oliveira, Morbidelli und Mir), zwei MotoGP-Sieger aus Nationen, die bisher noch keinen Sieger in der «premier class» stellten (Binder/Südafrika, Oliveira/Portugal) und den ersten Titelgewinn von Suzuki in der Königsklasse seit 20 Jahren. Kein Sieg von Honda, aber sieben von Yamaha, nur zwei Siege von Ducati, aber drei von KTM. Diese Liste könnte man beliebig ergänzen.

Ohne Marc Márquez fehlte jedoch irgendwie das Salz in der Suppe. Der Honda-Star hat seit 2013 in der MotoGP-WM immer für Schlagzeilen und Rekorde gesorgt, er hat neben unzähligen fahrerischen Glanzpunkten auch immer wieder für Irritationen gesorgt, das ging schon in der Moto2-WM 2011 und 2012 los.

Manchmal scheinen dem 27-jährigen Spanier, der 2020 kein Rennen beendet und nur eines bestritten hat, die Sicherungen durchzubrennen.

Dieser unbändige Siegeswillen wurde Marc Márquez auch an diesem unvergesslichen 19. Juli 2020 beim Spanien-GP in Jerez zum Verhängnis. Nach einem wilden Ausritt in Kurve 4 fiel der Weltmeister auf Platz 16 zurück, doch er stürmte unter den wilden Anfeuerungsrufen seiner Crew mit Hilfe einer selten gesehenen Risikobereitschaft mit der unterlegenen Honda bis auf Platz 3 hinter Quartararo und Viñales vor. Dann geschah der verhängnisvolle Sturz in Kurve 3, ein komplizierter Oberarmbruch ruinierte den Rest der Saison. Nach drei Operationen und zwei Knochentransplantationen, nach einer langwierigen Infektion und einer Antibiotika-Therapie, ist ein Ende der Genesungszeit nicht in Sicht.

Man kann sich vorstellen, wie ungeduldig und sehnsüchtig Marc Márquez auf seinen ersten MotoGP-Einsatz seit Juli wartet.

Wir erinnern uns: Als sich Marc Márquez vor zwei Jahren um diese Zeit von seiner ersten Schulteroperation erholte, musste sein Umfeld alle seine Motorräder in der Garage in Cervera in ihre Bestandteile zerlegen, damit er nicht unerlaubterweise ein Motorrad-Training in Angriff nimmt!

Marc Márquez: Zwischen Genie und Wahnsinn

Ein Blick auf die GP-Kariere von Marc Márquez offenbart einige grenzwertige Ereignisse des begnadeten Grenzgängers, der manchmal zwischen Genie und Wahnsinn oder zumindest Leichtsinn wandelt.

Was Weltmeister Marc Márquez zum Beispiel 2018 beim Argentinien-GP aufgeführt hat, spottet jeder Beschreibung: ein Rennen, drei Strafen! Wer dachte, der Spanier sei nach Sepang 2015 geläutert, hat sich schwer getäuscht.

Marc Márquez ist das schnellste Lebewesen auf zwei Rädern. Er hat zahlreiche GP-Rekorde gebrochen, er war Weltmeister in der 125er- und Moto2-Klasse.

Aber was der Superstar damals in Las Termas aufführte, hatte die Welt noch nicht gesehen. Marc Márquez fuhr beim Argentinien-GP, als sei er von allen guten Geistern verlassen worden. Drei Strafen bekam er innerhalb von 40 Minuten – beim Spanier brannten alle Sicherungen durch.

Schon 2011 versagten dem Spanier die Nerven, als er in Australien im FP1 zwei Stürze fabrizierte und dann den Thailänder Ratthapark Wilairot fürchterlich und wuchtig von hinten abschoss – nach der karierten Flagge, auf der Auslaufrunde des FP1, wohlgemerkt. Marc musste dann vom letzten Moto2-Startplatz wegfahren – und wurde im Rennen trotzdem Dritter. Aber Stefan Bradl war dadurch auf dem Weg zum WM-Titel!

Auch in Valencia wurde Marc in der Moto2-WM 2012 auf den letzten Startplatz gestellt, nach einem Geplänkel mit Kallio. Márquez siegte trotzdem – auf nasser Fahrbahn.

Grenzwertig waren die Auftritte von Marc Márquez von Anfang an auch in der MotoGP-Klasse. Er legte sich 2013 mit Lorenzo und Rossi an, er fuhr in Aragón seinen Teamkollegen Dani Pedrosa vom Motorrad.

Dann passierte ein riesiger Fauxpas von Marc Márquez 2013 in Phillip Island, als die Bridgestone-Reifen die Distanz nicht durchhielten, es wurde ein Pflichtstopp für den Reifenwechsel vorgeschrieben.

Die Fahrer mussten zwischen Runde 9 und 11 an die Box. Marc Márquez fuhr in der Hitze des Gefechts elfmal an der Box vorbei – und bekam deshalb die schwarze Flagge.

Später folgte der Sepang-Clash 2015, als Marc Márquez nichts anderes im Sinn hatte, als Rossi aufzuhalten, er opferte dafür sogar seine eigene Siegchance, er fuhr im Rennen im Schnitt 1,5 Sekunden langsamer als im Training.

Damals verlor Márquez viel Respekt und eine große Anzahl von Fans.

Als Titelanwärter Rossi in Sepang bei diesem Duell die Nerven wegschmiss und sich Márquez' auf unsaubere Art entledigte, wurde dem Yamaha-Star eine empfindliche Strafe aufgebrummt. Er musste beim WM-Finale in Valencia 2015 vom letzten Platz wegfahren – so verlor er den WM-Titel an Jorge Lorenzo.

Marc Márquez gewann in sieben Jahren sechs MotoGP-WM-Titel – 2013, 2014, 2016, 2017, 2018 und 2019. Er zeigte unfassbare Darbietungen, er gewann 2014 die ersten zehn Rennen unangefochten!

Aber Marc Márquez blieb immer ein Hitzkopf, auch wenn er 2016 erstmals sein Köpfchen benützte und trotz der nicht gerade übertrieben wettbewerbsfähigen Honda gegen Rossi und Co. triumphierte, indem er konstant ins Ziel fuhr und manchmal auch eine Niederlage in Kauf nahm.

Aber die grenzwertigen Aktionen kamen immer wieder zum Vorschein, meistens gingen sie gut, auch wenn er sich von 2017 bis 2019 jeweils 28 bis 30 Stürze pro GP-Saison leistete. Und dazu unzählige spektakuläre Saves.

Marc Márquez war genervt

Beim Argentinien-GP 2018 fiel Márquez in seine schlimmsten alten Verhaltensmuster zurück.

Er war damals seit Katar genervt, weil ihn Andrea Dovizioso dort zum dritten Mal nach Spielberg 2017 und Motegi 2017 in der Zielkurve ausgetrickst hatte.

Der Repsol-Honda-Star erlebte die Probleme von Ducati im Las-Termas-Training mit. Deshalb wollte der Weltmeister unbedingt und um jeden Preis die 25 Punkte einfahren.

Der sechste Startplatz war bereits der erste Rückschlag für den heißblütigen und siegeshungrigen Champion.

Und dann kam die Startverzögerung auf dem Autódromo Termas de Rio Hondo.

Márquez rollte auf den MotoGP-Grid und ärgerte sich wohl maßlos, weil Jack Miller plötzlich 50 Meter vor ihm losfahren durfte, weil er als Einziger schon beim Vorstart mit Slicks erschienen war.
Márquez würgte den Motor ab.

Er musste wissen, dass er deshalb auf den letzten Startplatz versetzt werden würde.

Das wäre das kleinere Übel gewesen, wie er bald merken sollte.
Doch Márquez schob seine Honda RC213V einfach an – und kutschierte dann gegen die Fahrtrichtung (!) zurück auf seinen Startplatz. Er verzögerte damit nicht nur den Start ein weiteres Mal.
Er verstieß damit auch gegen die banalsten Gesetze des GP-Sports. Nicht einmal in der Boxengasse darf man einen Meter gegen die Fahrtrichtung zurücklegen!

Es war klar, dass die Race-Direction eine Strafe aussprechen musste. So ein leichtsinniges und gefährliches Vergehen würden Yamaha, Ducati, Suzuki, KTM und Aprilia nicht kommentarlos hinnehmen.

Marc Márquez bekam eine Durchfahrtsstrafe und fiel dann aus den Punkterängen, nur Nachzügler Xavier Siméon lag noch hinter ihm.
Doch Marc Márquez preschte unaufhaltsam nach vorne, fuhr schneller als die Spitze, riskierte alles – und schob zuerst einmal Aleix Espargaró aus dem Weg, an einer Stelle, wo er nicht einmal zehn Zentimeter Asphalt für sich beanspruchen konnte.
Márquez wurde dann aufgefordert, diesen Platz wieder zu tauschen, aber Aprilia-Pilot Aleix Espargaró war inzwischen vier Plätze hinter ihm…

Márquez fuhr Kreise um die Gegner wie Tom Lüthi, aber bei Rossi hatte der Honda-Pilot kein so leichtes Spiel.

Der Spanier presste sich in Las Termas 2018 in dieser ominösen Rechtskurve (wie bei Aleix) einfach innen rein, obwohl kein Platz war, Rossi war überrumpelt – er musste die Yamaha aufrichten und einen weiten Bogen fahren. Rossi geriet aufs nasse Gras und kippte um.

Und Marc Márquez? Der blieb innerhalb der weißen Linie – und brauste ungerührt weiter. Er schnappte sich sogar noch Dovizioso.
Aber kurz nach der Zieldurchfahrt kam die Quittung: 30 Strafsekunden für die Nummer 93, Rückfall von Platz 5 auf 18. Rossi landete nach dem Crash an 19. Stelle.

Wer bringt Márquez zur Vernunft?

Als Marc Márquez nach dem Rennen in die Box von Rossi marschieren und sich entschuldigen wollte, versperrte ihm Rossis Kumpel Uccio Salucci den Weg. Vollkommen richtig.

Wer meinte, Marc Márquez würde für den Texas-GP gesperrt werden, irrte. Er hat zwar viel auf dem Kerbholz, aber er kam glimpflich davon.

Jorge Lorenzo wurde in seiner 250-ccm-WM-Zeit wegen eines wesentlich leichteren Vergehens gesperrt.

Bei Honda genießt Márquez bis heute einen gott-ähnlichen Status. Aber wenn Marc noch einige Jahre an der Weltspitze bleiben will, und er hat ja einen Honda-Vertrag bis Ende 2024, muss er seine «Pokal oder Hospital»-Strategie ändern.

In der MotoGP-WM wird mit 290 PS starken und 350 km/h schnellen Rennmotorrädern um die Wette gefahren. Die Konkurrenz ist stärker als je zuvor.

Marc Márquez hat mehr Talent als die Gegner, er hat den größten Hersteller im Rücken, er ist üblicherweise fitter als die Rivalen, er zählt inzwischen zu den MotoGP-Routiniers. Es sind alle Zutaten für weitere Erfolge vorhanden.

Das Honda-Management hat bisher Fehler gemacht, denn als Arbeitgeber tragen die Japaner auch die Verantwortung für ihren teuersten Mitarbeiter.

Aber die Vernunft und der Selbsterhaltungstrieb müssen künftig mehr in den Vordergrund treten. In Jerez waren diese Symptome weder am 19. Juli noch fünf Tage später beim verfrühten Comeback zu sehen.

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